Wiedergesehen, Wiedergelesen, Wiedergehört, Teil 5
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Es gibt einen primitiv anmutenden Satz: „Wo Autos sind, fahr’n Autos hin.“, der sich darauf bezieht, daß man am besten bei solchen Gaststätten Halt macht und zum Essen geht, wo der Parkplatz gerammelt voll ist. Weil man dann darauf verlassen kann, daß es schmeckt. Ähnlich funktionieren die Bestseller, vor allem dann, wenn auf einem frischen Buch gleich draufgeklebt zu lesen ist: SPIEGEL Bestseller-Autor!
Dabei kann ja das Buch noch gar nicht gelesen worden sein und die Leserzahlen kann man doch erst Wochen, ja Monate nach dem Erscheinen des Buches ermitteln. Das kann also nur für die Vergangenheit gelten und schon sind wir beim BUCH DES TOTENGRÄBERS. Denn das war mit 50 000 verkauften Exemplaren ein wirtschaftlicher Erfolg; schließlich war es das erste Buch einer Serie, die sich die Totengräber-Serie nennt, dessen 2. Band DAS MÄDCHEN UND DER TOTENGRÄBER. Ein neuer Fall für Leopold von Herzfeldt am 31. März 2022 erschien. Das Krimi-Genre ist nicht neu für den 1970 in München geborenen Autor, aber – das stellt man dann erstaunt fest – hat er sich vor allem mit historischen Romanen einen Namen gemacht – auch daher rührt das Prädikat: Spiegel-Bestseller-Autor, weil seine historische Krimireihe um die Henkerstochter am 24. November 2022 mit dem 9. Band DIE HENKERSTOCHTER UND DIE SCHWARZE MADONNA in seinem Hausverlag, dem Ullstein Verlag erschienen und sofort auf die Bestenliste kam, wo allerdings sein zweiter TOTENGRÄBERkrimi sogar auf Platz 4 einstieg. Also, alles echt mit dem Spiegel-Bestseller-Autor und auch echt, daß er bei seiner Henkerstochterserie sogar auf die Familiengeschichte zurückgriff, denn er entstammt einer Henker-Dynastie. Tatsächlich, so etwas gibt es, gab es.
Wie es den Münchner in der neuen TOTENGRÄBER-Reihe nach Wien verschlagen hat, in das Wien von 1893, muß man nicht begründen, denn Wien ist für jeden Toten gut, was der Wiener Georg Kreisler mit seinem Lied DER TOD, DAS MUß EIN WIENER SEIN schaurig-schön festschrieb. Aber es geht ja noch weiter, der Wiener Zentralfriedhof, weil draußen in Simmering,mit zwei Quadratkilometer in ist der zweitgrößte Friedhof Europas und beim Wiener Krimi-Preis, den Leo-Perutz-Preis, mischt die Bestattung Wien mit – und das weiß ich deshalb so genau, weil ich einmal bei der Preisvergabe in deren Räumen im Vierten Bezirk dabei war. Anschließend sind ist die Bestattung umgezogen, was keinen ursächlichen Zusammenhang hat, aber typisch in das morbide Wiener Gefüge paßt.
Und so ist es keine Überraschung, daß der junge, noch unerfahrene Kommissar Leopold von Herzfeldt bei seinem ersten Fall Augustin Rothmayer zur Seite hat, den berühmten Totengräber vom Wiener Zentralfriedhof, der nebst seiner Tätigkeit literarische Ambitionen hat, und über’s Sterben alles weiß. Das braucht’s auch, denn hier geht es nicht um einen Mord, sondern eine ganze Serie, in der Dienstmädchen umgebracht werden, die erste fand man im Prater. Aber das ist noch nicht alles. Sie wurden alle gepfählt. Gepfählt? Wem fiele da nicht sofort der rumänische Fürst Vlad III. ein, besser als Dracula bekannt, der die seit Hammurabi übliche Pfählung, die meist bei Sexualdelikten üblich war, auf die Untoten bezog, also diejenigen, die jeden Tod überleben und nur durch Pfählung endlich tot sind. Doch das sind übersinnliche Phänomene, der wissenschaftlich geschulte Kommissar muß ja erst einmal in seiner Behörde durchsetzen, daß es so etwas wie kriminalistisches Ermitteln gibt. Den Begriff Tatort muß man erst noch erfinden und entsprechende Vermeidung von Verunreinigungen auch. Die Streitereien, was die Oberen alles für unwichtig halten, was Aber halt, Dracula und Hammurabi können mit der Pfählung nichts zu tun haben, denn die wurde am lebenden Menschen durchgeführt. Die Dienstmädchen allerdings sind alle erst erwürgt worden.
Der Autor steigt einfach gekonnt ein. Da wird aus dem „Almanach für Totengräber“ zitiert, das Rothmayer verfaßt. Hier geht es um den Scheintod und wie man sicher sein kann, daß der Tote wirklich tot ist. Schaurig. Und dann findet im Prolog genau das statt. Das fährt einem schon unter die Haut, das ist eine Urangst von Menschen, lebendig begraben zu werden und dann auch noch der Grabrede über ihn, den Selbstmörder, zuhören zu müssen. Er ist der Bruder von Johann Strauss, dem berühmten Walzer-König,
Männer, Männer, Männer. Und die toten Dienstmädchen. Aber so war das eben. Außerdem gibt’s dann doch auch lebende Frauen, Julia Wolf ist die dritte Hauptperson. Sie arbeitet als Telefonistin bei der Polizeidirektion. Aber das gilt nur des Tags Des Nachts ist sie...Ach was, selber lesen!