Wiedergesehen, Wiedergelesen, Wiedergehört, Teil 17
Elisabeth Römer
Hamburg (Weltexpresso) – Da kommt etwas auf Sie zu. Der eine Krimi mit 310 Seiten spielt – wie der Name da Vinci erwarten läßt – in der Renaissance, zu Zeiten als dieser am Hof des Ludovico Sforza in Mailand sowohl den Tausendsassa wie auch den Mann, der alles können mußte, gab. Der andere läßt den Fotografen Paul Böger aus Hamburg fliehen und sich in der Toskana einsam in einem verfallenen Haus in den Bergen verstecken, aus guten Gründen und vor allem vor sich selbst.
Wie soll man das verstehen? Ganz einfach,auf 590 Seiten läßt Sabine Thiesler IM VERSTECK nichts offen, was den Pädophilen Fotografen angeht, der aber nicht nur kleine Mädchen mißbraucht, sondern einige auch ermordet. Wie das? Da soll ein solcher Mann Träger der Handlung sein, aber nicht einer, der gejagt wird, wenigstens erst einmal nicht, sondern einer, der selbst die Reißleine zieht und sich in die Berge zurückzieht, damit er nicht in Versuchung gerät. Doch dann verschwindet ein kleines Mädchen und Carabiniere Donato Neri aus Ambra, immer wieder der italienische Ermittler für die Autorin, hat eine schwierige Aufgabe vor sich. Das ist die Ausgangssituation, die die Autorin gekonnt über so viele Seiten in Spannung hält. Was allerdings für mich unerträglich war, sind die Passagen über den Kindesmißbrauch. Ich will einfach so etwas nicht lesen, auch wenn Sabine Thiesler das alles gut einbindet und überhaupt gut schreibt, unterhaltsam und nicht pp, soll heißen, nicht peinlich-primitiv.
Mit ihrem italienischen Carabiniere hat sich die Autorin eine elegante Ausgangssituation gestrickt, wenn dann Deutsche die Verbrechen nach Italien bringen, bzw. für dortige Verbrechen verantwortlich gemacht werden. So kann sie ihre Kenntnisse über Land und Leute gut nutzen und auch darauf bauen, viele deutsche Leser und Leserinnen zu finden. Noch einmal: wie ein Sog zieht es einen selbst nach Italien und vor allem zur Aufklärung, die Überraschungen beinhaltet, natürlich, sonst wollte man das ja nicht weiterlesen, wenn alles dem Leser vorausschaubar wäre.
Gegen diese harte Wirklichkeit kommt uns Marco Malvaldi geradezu sanft daher, obwohl auch hier Mord und Totschlag herrscht. Schließlich sind wir in der Renaissance, wo die Hofintrigen erfunden wurden und die spitzen Worte auch. Für Puristen ist das wahrscheinlich nichts, wenn hier Leonardo da Vinci – den Sie übrigens oben in der Köpfeleiste entdecken können – auftritt, das Universalgenie, was man ja kannte, aber daß er sich auch in den Niederungen menschlicher Abgründe aufhält, ist dann doch eine Überraschung. Dabei fallen einem dann doch die interessanten historischen Kriminalromane von Rita Monaldi und Francesco Sorti ein, IMPRIMATUR zum Beispiel, die bei verschiedenen Verlagen, lange bei Rowohlt, dann bei Aufbau erschienen. Das ist nun ein K.O.-Schlag für Marco Malvaldi, denn dann merkt man erst, wie wenig historisch und auch zusammengeschrieben seine Geschichte ist. Dabei hatte ich das Buch wirklich mit Spannung angefangen, fand es aber irgendwie läppisch.
Fotos:
Umschlagabbildungen
Info:
Sabine Thiesler, Im Versteck, Heyne Verlag, 2021
Marco Malvaldi, Der geheime Auftrag, übersetzt aus dem Italienischen von Verena von Koskull, C. Bertelsmann, 2021