Jubiläumsausgabe 50 Jahre Welterbekonvention aus dem Kunth Verlag, Teil 2/2
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Also schauen wir endlich auf die Seiten 171 und 172, auf Iguazú als Naturerbe und die Jesuitenmissionen, die als Kulturerbe nicht weniger eindrucksvoll sind als die Wasserfälle von Iguazú. Tja, aber auf Seite 171/172 sind nur der Kölner Dom und das Rheintal zu finden. Naja, was heißt „nur“.
Aber ich suche doch in Lateinamerika! Also noch einmal genau nachschauen und weil ich es falsch gemacht hatte, lasse ich Sie an der Korrektur mitlernen. Es steht nämlich über der Auflistung aller Denkmäler in allen Ländern eine Vorbemerkung, wo es heißt: „fettgedruckt bezieht sich auf den Texteintrag“, die zweite Zahl auf die Kartenseite. Ich hatte automatisch die fetten Zahlen für die Seitenzahlen im Buch gehalten, was falsch ist! Wo also finde ich Iguazú und Jesuitenmissionen? Alle drei Länder (GÜ!) unter den Seiten 627, 627, 627! Endlich. Aber das ist nur die Landkarte mit den roten Punkten um die Landesgrenzen und die Benennungen. Zurück zur Liste und den Bemerkungen. Da steht noch Hb24, aber das ist nur die Orientierung auf der Karte. Was tun? Noch einmal von vorne. Genau!
Das Buch beginnt ja mit der UNESCO und den Erdteilen. Dort schaue ich im normalen Inhaltsverzeichnis jetzt unter Amerika/Brasilien und finde S. 704, unter Amerika/Paraguay die Seite 712 und Amerika/Argentinien 714. Und endlich bin ich da.
Auf Seite 711 ziehen sich die Wasserfälle von Iguacú über zwei Seiten (Foto oben und links), sie sind auch im Bild einfach eindrucksvoll, sie „gehören zu den größten der Erde“. „Auf einer Breite von etwa einem Kilometer nähert sich der Fluß Iguacú – in Argentinien heißt er Iguaçu – der hufeisenförmigen Abbruchkante. Dort stürzen über eine Front von 2700 Metern Länge die schäumenden Wassermassen mit ungebändigter Gewalt in die Schlucht – ein Naturschauspiel der Superlative.“ Hören tut man Fluß und Wasserfall schon vorher, gurgelnd, zischend, grollend, donnernd. Es wird auch vom 1700 Quadratkilometern großen brasilianischen Nationalpark in den Ländern um den Fluß und Wasserfall gesprochen, in denen inzwischen Pflanzen und Tiere leben, die anderenorts keine Lebensgrundlage haben, einschließlich Ozelot und Jaguar.
Auch die argentinische Seite wird gewürdigt. Dort wird detailliert zum Wasserfall von 270 Kaskaden gesprochen, die bis zu 80 Meter in die Tiefe stürzen. Wie schön, auch von den roten Böden des Basaltplateaus zu lesen, wo der subtropische Regenwald in dem rund 550 Quadratkilometern großen Nationalpark, in dem wie im brasilianischen besondere Pflanzen und Tiere gedeihen. Hier gibt es 400 Vogelarten und 250 verschiedene Schmetterlinge. Interessant ist, darüber zu lesen, daß die argentinische Seite ihren Nationalpark schon 1934 einrichteten und daß die Einheimischen zu den Wasserfällen „Teufelsrachen“ sagen, ich kenne auch „Teufelsschlund“.
Und die Jesuitenmissionen der Guaraní? Das ist eine so tolle Geschichte, das sie wenigstens kurz erzählt werden muß. Nach der Entdeckung Amerikas wurden die territorialen Streitigkeiten zwischen den Entdeckernationen Portugal und Spanien auf Rat des Papstes im Vertrag von Tordesillas am 7. Juni 1494 in die Herrschaftsbereiche Portugals und Kastiliens im Atlantik festgezurrt, was man noch heute an der einigermaßen absurden Grenze Brasiliens im Westen erkennt. Der Spanier Ignatius von Loyola war der Begründer des Jesuitenordens, der „Gesellschaft Jesu“, die von der Katholischen Kirche insbesondere mit der Missionierung der Heiden (auch so ein Wort, das heute angesichts der Identitätsdebatte sicher überhaupt nicht mehr benutzt werden darf) beauftragt wurden, was die Jesuiten in den spanischen Teilen exzessiv betrieben. So gab es in Paraguay sogar von 1610-1767 einen Jesuitenstaat, dessen Ziel darin bestand, unter den indigenen Völkern ein eigenes soziales christliches System zu errichten, wo die Indigenen, hier die Guaraní, mit Musik und Kultur in ihrer eigenen Sprache christlich gebildet werden sollten einschließlich der Bildung einer eigenen Armee der Guaraní. Die Portugiesen standen den Jesuiten sowieso kritisch gegenüber, aber das Verbot der Jesuiten durch die Spanier und damit 1767 auch deren Vertreibung aus Paraguay, ließ die im Barockstil erbauten riesenhaften roten Kathedralen und Häuser verfallen, die Natur ergriff wieder Besitz von ihnen und heute sind das umwerfende Ansichten, wenn aus den roten Gebäuden die tiefgrünen blattreichen Bäume wachsen.
Das gilt für Paraguay, aber auch in Brasilien und in der Provinz Misiones in Argentinien wurden die jesuitischen Mustersiedlungen erbaut, belebt und dann verlassen. Die verfallenen und durch die Natur zurückeroberten Gebäude wurden in diesem Zustand als Ruinen erhalten und gepflegt. Aber ist man dort, geht es eben um den ‚Erziehungsversuch‘ der Jesuiten an der eingeborenen Bevölkerung, der differenziert zu betrachten ist, was nicht hierhin gehört. Auf jeden Fall hochinteressant. Auch wenn man selbst deren Geschichte gut im Kopf hat, helfen die auf Seite 712 zur Bebilderung abgedruckten Texte im Detail weiter. Denn dort steht, daß die Jesuiten die ersten Ansiedelungen im Gebiet des Paraná in Brasilien und im Norden Argentiniens errichteten, sich dann aber auf Paraguay konzentrierten und ihre Aktivitäten dahin verlegten, weil der spanische König ihnen dort feste Territorien zuwiesen hatte. Ich persönlich finde die Ruinen in der Provinz Misiones in Argentinien unter ästhetischen Gesichtspunkten am eindrucksvollsten.
Also, da wollte ich doch nur über das in diesem famosen dicken Band zusammengetragene Welterbe, aufgeteilt in Kultur- und Naturerbe, berichten, kam auf die Wasserfälle von Iguazu (N), wo der Jesuitenstaat (K) einfach naheliegt.
So ist das, wenn man in einem so inhaltsreichen Buch blättert, man kommt kaum los davon. Aber ein andermal geht es weiter. Dann kommt auch noch die angekündigte Aufklärung zu den UNESCO-Vorhaben.
Fotos:
aus dem Band
©Redaktion
Info:
DAS ERBE DER WELT. Alle Kultur- und Naturmonumente mit Anerkennung der UNESCO, Kunth Verlag 2023
ISBN 978 3 96965 094 3