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Sophie Bonnet zum Neunten: Ein Fall für Pierre Durand, Teil 2

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Wir sind in Sainte Valérie in der Provence. Nein, Sie müssen nicht, was ich gerne tue, auf der Landkarte nachschauen weil dies Bergdorf fiktiv ist, das irgendwo zwischen L'Isle-sur-la-Sorgue und Gordes. mitten im Herzen der Provence, dem Parc naturel régional du Luberon liegt, wie die Autorin betont. Ich hatte die Anfänge des Pierre Durand verfolgt. Dann habe ich lange nichts über ihn gelesen und bin nun beim neunten Fall wieder dabei, in dem Charlotte nur eine kleine Rolle spielt.


Von vorne: Pierre Durand ist kein alter Mann, sondern einer, der mit Ende Dreißig seinen Kommissarposten in Paris aus Enttäuschung verlassen hatte und sich gewissermaßen in der Provence zur Ruhe setzen wollte. Er liebt die Gegend und wollte als Dorfpolizist in dem kleinen Ort Sainte Valérie das Leben genießen. Als Erstes ging ihm die Freundin verloren, als Zweites wird ihm ein Mord serviert, der im Weintank ertränkte Dorfcasanova, als Drittes bandelt er mit der Köchin Charlotte Berg an, die inzwischen sogar in sein aufwendig renoviertes Bauernhaus gezogen ist und dies in ein gemütliches Schmuckstück verwandelt hat, in dem es zusätzlich dauern gut riecht. Denn sie kocht und backt für ihre Épicerie, wo sie frische Backwaren mit den abenteuerlichsten Namen anbietet, wobei sie – laut Romane - sehr viel Geld verdient, was man sich gut vorstellen kann, wenn man alleine an den Kaufrausch denkt, dem die Polizeidienststelle des Ortes täglich verfällt.

 

Und das, obwohl es in Sainte Valérie rund geht. Erst hat der Typ genervt und jetzt wird er als Leiche geborgen: Gilbert Langlois. Wer die Vorgängerromane kennt, weiß sowieso Bescheid, aber diese Kenntnis ist nicht nötig, denn die Zusammenhänge werden auch diesmal verständlich. Dieser Gilbert Langlois wollte gerne Chef de police municipale werden, was mit dem Bürgermeister Maurice Marechal abgesprochen war. Doch der Posten war doch mit Pierre Durand besetzt. Doch dann passierten die schlimmsten Dinge, die alle angeblich Pierre verschuldet hatte. Eine umfängliche, gemeine Intrige, weswegen er abgesetzt wurde, die aber Durand vor den Gemeinderatsmitgliedern als die des Bürgermeisters entlarven konnte.

 

Deshalb ist Pierre jetzt beim ermordeten Langlois auch der erste Verdächtige, doch Pierre verdächtigt aus den selben Gründen den Bürgermeister Marechal. In der Wohnung des Toten stoßen sie auf eine Fotowand, an der sowohl der Bürgermeister in verschiedenen Positionen abgelichtet ist, aber auch Pierre selber, sehr unvorteilhaft, wie er es empfindet. Immer sieht er mürrisch oder verzweifelt aus. Was soll das? Und dann finden sie eine Liste mit Namen und Zahlen.

 

Aha, Langlois war ein Erpresser und schnell ist die These da, daß einer nicht zahlen wollte und ihn deshalb umbrachte. Und schnell ist auch die Meinung da, daß der verdächtige Pierre nicht weiter ermitteln darf, an seine Stelle die rasante Lieutnante Fenech leider ihn als Hauptverdächtigen verfolgt und die echten Spuren übersieht. Um die kümmert sich jetzt ohne Auftrag Durand.

 

Daß er eigentlich seine Hochzeitsvorbereitungen mit Charlotte erledigen wollte, wird an den Rand gedrängt, da sind wir echt froh, denn diese Anteile, die solche Art Krimis gemütlich und menschenwarm machen sollen, führen bei mir zum Zuschlagen des Buches. Das wäre hier aber ein Fehler gewesen, denn jetzt kommt ein ganz großes Plus dieses Kriminalromans, dessentwegen sich das Lesen absolut lohnt.

 

Als Durand erkennt, daß der Mord auf seinem Rücken ausgetragen werden soll, haut er ab in den Ort Mazan. Mazan? Da war doch was. Und das betrifft nicht nur das Vorleben des guten, bzw. schlechten Bürgermeisters, sondern in Mazan spielen doch diese sensationellen Katzenkrimis, dessen Vorhut Commissaire Mazan ist, für die Jean Bagnol – nein, dies Pseudonym lassen wir jetzt mal so stehen – ein eindrucksvolles Szenario entwickelt hat. Aber davon weiß Durand nichts, er muß alleine ermitteln und kommt auf was, was dem ganzen Krimi eine völlig neue, historisch aufregende Komponente gibt.

 

Die wollen wir hier nur andeuten, sie hat es aber in sich. Es geht um die Folgen der Kolonisierung Algeriens durch Frankreich, was mit dem Aufstand vom 1. November 1954 bis 19. März 1962 zur Niederlage Frankreichs und der Unabhängigkeit Algeriens führte. In der Folge mußten fast eine Million Franzosen, deren Familien meist seit Mitte des 19. Jahrhunderts in Algerien seßhaft waren, überstürzt das Land, ihre Häuser und Gehöfte verlassen. Sie waren in der Mehrzahl im Mutterland nicht willkommen, brauchten sie doch Wohnung, Essen, Arbeit. Die Pieds-Noirs (Schwarzfuß) genannten Algerienfranzosen waren weithin ungeliebt, die Eingliederung in Frankreich problematisch. Das sind übrigens die Hintergründe, warum Jean-Marie Le Pen, der in Algerien eigentlich Kriegsverbrechen begangen hatte, aber unter das Amnestiegesetz fiel, die Front National, (FN,) gründete, aus der er inzwischen ausgeschlossen ist, deren Wählerreservoir aber großteils aus den Algerienrückkehrer bestanden, die heute, heißt es, auf 17 Millionen Franzosen angewachsen sind.

 

Sophie Bonnet bindet diesen Hintergrund sehr verständlich in ihre Krimihandlung ein, wovon ich so angetan bin,d aß ich sicher den zehnten Fall sehr gerne lesen und besprechen werde.

 

Ach ja, die Trüffel. Die sind ein eigenes Kapitel. Da sie gleichzeitig in einem italienischen Kriminalroman, der es mit diesem nur hinsichtlich der Trüffel aufnehmen kann, sondern nicht, kommen die Trüffel in der nächsten Besprechung.

 

Foto:
Umschlagabbildung

 Info:
Sophie Bonnet, Provenzalische Täuschung. Ein Fall für Pierre Durand, Verlag
Blanvalet, Mai 2023
ISBN 978 3 7645 0792 3