Oberbürgermeister Josef sowie Kultur- und Wissenschaftsdezernentin Hartwig würdigen Verstorbenen als herausragenden Chronisten und unbedingten Humanisten
Redaktion
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Im Alter von siebzig Jahren ist der bosnische Schriftsteller Dževad Karahasan am Freitag, 19. Mai, verstorben. Der Träger des Goethepreises der Stadt Frankfurt am Main galt als eine der wichtigsten literarischen Stimmen seines Landes und war weltweit angesehen. „Mit tiefer Betroffenheit habe ich vom Tod Dževad Karahasans erfahren. Dževad Karahasan stand für ein friedliches Miteinander der Kulturen und Religionen, für Toleranz und Verständigung“, sagt Oberbürgermeister Mike Josef. Das Stadtoberhaupt fügt hinzu: „In Zeiten eines wachsenden Nationalismus auch in Europa war er eine Stimme der Vernunft und der Zuversicht, die uns allen fehlen wird. Er war ein Goethepreisträger, auf den die Stadt Frankfurt stolz sein kann.“
Kultur- und Wissenschaftsdezernentin Ina Hartwig ergänzt: „Der plötzliche Tod von Dževad Karahasan trifft mich sehr. Es ist nicht einmal drei Jahre her, dass er während einer feierlichen Preisverleihung in der Paulskirche mit dem Goethepreis der Stadt Frankfurt ausgezeichnet wurde. In der Riege der Goethepreisträgerinnen und -preissträger nimmt Karahasan einen besonderen Rang ein; ist doch mit ihm ein Schriftsteller ausgezeichnet worden, der das Schicksal seiner im Lauf des 20. Jahrhunderts immer wieder geschundenen Heimat Bosnien und damit Südosteuropa in die Gegenwartsliteratur eingeschrieben hat. Er tat dies mit Goethe als einem ideellen Fixpunkt, auf den er seit seinem ersten Prosawerk ‚Der östliche Diwan‘ von 1993 immer wieder Bezug nimmt. Dževad Karahasan wird mir als ein freundlicher und ungemein kluger Mensch in Erinnerung bleiben, der in der europäischen Literatur einer der großen Kenner der langen gemeinsamen Wurzeln Europas als Kulturraum war, den er um sein eigenes Werk bereichert hat.“
Dževad Karahasan, 1953 in Duvno/Jugoslawien geboren, studierte Literatur- und Theaterwissenschaft in Sarajevo, promovierte in Zagreb und lehrte von 1986 bis 1993 Dramaturgie und Dramengeschichte an der Akademie für szenische Künste in Sarajevo. 1993 floh Karahasan aus der umkämpften Stadt, die eine zentrale Rolle in seinen Schriften spielt. Er arbeitete als Dozent für Dramaturgie und dramatisches Schreiben an verschiedenen europäischen Universitäten sowie als Dramaturg und Dramatiker. Sein erstes Prosawerk nahm Bezug auf Goethes „Diwan“ und hieß „Der östliche Diwan“ (1993). Zu seinen wichtigsten Werken zählen „Sara und Serafina“ (2000), „Das Buch der Gärten. Grenzgänge zwischen Islam und Christentum“ (2002), „Der nächtliche Rat“ (2006), „Der Trost des Nachthimmels. Roman in drei Teilen“ (2016) und 2019 der Erzählungsband „Ein Haus für die Müden“. Zuletzt erschien in diesem Jahr der Roman „Einübung ins Schweben“, der von der Literaturkritik einhellig begeistert aufgenommen wurde.
Für sein Werk wurde Dževad Karahasan mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, etwa dem Bruno-Kreisky-Preis für das politische Buch (1995), den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung (2004), 2012 mit der Goethe-Medaille des Goethe-Institutes, 2019 mit dem Jeanette Schocken-Preis und 2020 mit dem Goethepreis der Stadt Frankfurt am Main. Dževad Karahasan lebte mit seiner Frau in Sarajevo und in Graz, wo er verstarb.
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