ORF Bestenliste September 2023
Redaktion
Wien (Weltexpresso) - Im September bleibt Sabine Gruber mit ihrem Roman „Die Dauer der Liebe“ (C.H. Beck) auf Platz 1. Der 2. Platz geht ex aequo an Amir Gudarzi mit „Das Ende ist nah“ (dtv) und Terézia Mora mit „Muna oder Die Hälfte des Lebens“ (Luchterhand).
Platz 1: Sabine Gruber, „Die Dauer der Liebe“, C.H. Beck
Wie schreiben über einen Schmerz, der einen in den Wahnsinn treibt? Wie eine Form finden für den Verlust eines geliebten Menschen, den es plötzlich aus dem Leben reißt? Die Schriftstellerin Sabine Gruber hat sich lange Zeit gelassen, um eine Erfahrung zu Literatur zu machen, durch die sie selbst gehen musste. Nah am eigenen Leben, zugleich mit großer, Präzision ermöglichender Distanz erzählt sie in ihrem neuen Roman „Die Dauer der Liebe“ davon, was es heißt, sich von einem Menschen, mit dem man sein Leben viele Jahre teilte, völlig unvorbereitet verabschieden zu müssen. Es wäre aber nicht Sabine Gruber, wenn es darin nicht zugleich zutiefst politisch zuginge. Dass der Faschismus nicht erst außerhalb der eigenen vier Wände beginnt, sondern es nicht zuletzt familiäre Kontexte, Beziehungen sind, die im Innersten davon geprägt sind, macht dieser Roman geradezu leichthändig anschaulich.
Platz 2 ex aequo: Amir Gudarzi, „Das Ende ist nah“, dtv
Der in Wien lebende Autor Amir Gudarzi hat als Dramatiker schon viele Auszeichnungen erhalten. Mit „Das Ende ist nah“ legt er nun seinen ersten Roman vor. Darin gibt der gebürtige Iraner Einblicke in das, was Menschen auf sich nehmen, wenn sie flüchten, anhand des Schicksals eines jungen Künstlers, der im Roman nur „A.“ genannt wird. Weil er sich an den Protesten gegen das iranische Regime im Jahr 2009 beteiligt, sieht er sich gezwungen, sein Land und seine Familie hinter sich zu lassen. Er landet als Flüchtling in Wien und findet sich in den unterschiedlichen Lagern und Heimen, in die er verfrachtet wird, nur sehr schwer zurecht. Die Einsamkeit, aber auch die Demütigungen, die er in seiner neuen Lebensrealität erfährt, machen ihm schwer zu schaffen. In Wien trifft er auf eine junge Frau, die sich Hals über Kopf in ihn verliebt und bei ihm eine Form von Halt und Unterstützung einfordert, die er nicht geben kann. „Das Ende ist Nah“ nimmt die Leser und Leserinnen mit auf eine fesselnde Reise, in eine Parallelwelt, die mit großer literarischer Kraft nicht nur von Fremdheit und den vielen Spielarten von Gewalt erzählt, sondern auch von Mut, Hoffnung, Liebe und der Macht der Sprache.
Platz 2 ex aequo: Terézia Mora, „Muna oder Die Hälfte des Lebens“, Luchterhand
Die 1971 in Sopron geborene Schriftstellerin und Übersetzerin Terézia Mora kann auf eine beachtliche Liste von Auszeichnungen zurückblicken, darunter der Ingeborg-Bachmann-Preis, der Deutsche Buchpreis und nicht zuletzt der Georg-Büchner-Preis, der ihr 2018 für ihr Gesamtwerk verliehen wurde. Im Begründungsschreiben der Jury war damals zu lesen: „In ihren Romanen und Erzählungen widmet sich Terézia Mora Außenseitern und Heimatlosen, prekären Existenzen und Menschen auf der Suche und trifft damit schmerzlich den Nerv unserer Zeit.“ Das trifft auch auf ihren neuen Roman „Muna oder die Hälfte des Lebens“ zu, der es abermals auf die Longlist des Deutschen Buchpreises geschafft hat. Die Handlung setzt im Jahr 1989 ein, in der DDR, unmittelbar vor dem Mauerfall. Die Abiturientin Muna verbringt eine Nacht mit dem Französischlehrer und Fotografen Magnus, doch im Wirbel der politischen Ereignisse verlieren sich die beiden sogleich wieder aus den Augen. Sieben Jahre später begegnen sich die beiden wieder und lassen sich schnell auf eine Beziehung ein, doch schon früh treten die ersten Probleme auf. Magnus ist oft unbeherrscht und begegnet Muna mit zunehmender Distanz und Gefühlskälte. Doch sie hält an der Beziehung fest, schluckt ihre verletzten Gefühle runter und redet sich ein, dass alles besser wird. Mit bedrückender Genauigkeit beschreibt Terézia Mora was es bedeutet, sein Leben in gänzlicher Abhängigkeit von einem anderen zu führen.
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