Felictias Schubert
Amsterdam (Weltexpresso) - Über die gleiche Zeit und über dasselbe Thema im selben Land berichten beide Bücher, die naturgemäß jedoch völlig unterschiedlich sind und dann doch in der Erinnerung an die erzählten Personen wieder eine weitere Gemeinsamkeit haben. Während die Autorin Daphne Geismar ihrer eigenen Familie nachforscht und sich dabei auf Briefe, Tagebücher, Gesprächsprotokolle, Fotografien und Gegenstände stützen kann, aber auch muß, erzählt Hannah Pick-Goslar ihr eigenes Leben unter dem besonderen Aspekt ihrer Mädchenfreundschaft mit Anne Frank in Amsterdam.
Anne Frank ist wirklich ein Phänomen. Erstens war ihr Tagebuch für junge Deutsche nach dem Krieg die erste - staatlich, nämlich durch die Schule geförderte - Aufklärung über die ungeheuerliche jüngste deutsche Geschichte der Verfolgung und Ermordung Millionen von jüdischen Mitbürgern und weiteren Juden aus Ost- und Südeuropa, wobei wir immer in Gefahr sind, zu vergessen, wer außerhalb der Juden noch von den Nazis verfolgt und ermordet wurde. Und dabei wird jetzt nicht einmal auf die häufig erwähnten Sinti und Roma angespielt, sondern gemeint sind neben den Homosexuellen insbesondere die politischen Gefangenen, die meisten Kommunisten, die für ihre politische Überzeugung gefoltert und ermordet wurden.
Die Autorin schickt einen Prolog vorweg, der im Frühling 2023 im Frühling datiert ist. Nachdem ihre Familie nach Amsterdam emigriert war, lernten sich die Mütter der beiden Mädchen beim Einkaufen kennen, was zur Freundschaft der beiden Töchter führte. Für die Autorin hat diese ein Leben lang angehalten, obwohl nur sie die Naziverfolgung überlebte und, wie wir alle wissen, die am 12. Jnui 1929 geborene Anne Frank im Februar/M#rz 1945 im KZ Bergen-Belsen an Unterernährung und tödlichem Fieber starb. Die Funktion von Westernbork, dem Lager in Holland,war, die Sammlung von Juden gegen Kriegsende. Die Franks waren direkt nach Auschwitz transportiert worden, aber Hannahs Familie waren sogenannte Schutzjuden, die also Papiere für die Weiterreie in andere Länder, was Überleben hieß. Und deshalb kam auch Hannah im Februar 1944 nach Bergen-Belsen, das für Anne Frank, wie man weiß, Endstation hieß, Natürlich wartet man beim Lesen dieses Kapitels auf das Zusammentreffen mit Anne Frank, die Hannah im Juli 1942 das letzte Mal gesehen hatte und der sie wie anderen erzählt hatte, daß die Familie in die Schweiz ginge, als sie im Obergeschoß des Hauses hinter der Trennwand heimlich weiterlebten, bis sie verraten wurden. .Aber längst hat ja die Erzählung von Hannah über die eigene Deportation die Oberhand genommen und so wird ausführlich - man wundert sich über die Erinnerungsfähigkeit - über den Aufenthalt der eigenen Familie erzählt, die insofern bemerkenswert ist, als die Oma der Familie, die eine gültige Weiterreise nach Israel hatte, diese verfallen ließ, weil sie bei ihrer Familie bleiben wollte.
Und dann, spät, im Februar 1945 kommt es doch zum Zusammentreffen mit Anne, die zusammen mit der Schwester aus Auschwitz nach Bergen-Belsen gekommen war. Sie erkennt sie muntere, selbstsichere Anne kaum wieder, die vor allem sorge um ihre so kranke Schwester Margot hat. Von Anne erfährt Hannah von den Vergasungen in Auschwitz. Das war also vorher den inhaftierten Juden nicht bekannt?!Sie kann Essen für Anne organisieren, doch ist dann selbst durch den Tod des Vaters abgelenkt, der stirbt, als gerade der Austausch nach Israel stattfinden soll, der dann insgesamt abgesagt wird. Doch da sind Anne und alle anderen nicht mehr da. Und dann stirbt auch noch die Oma. Sie selbst kommt in den durch die durch's Weitersagen bekannte Geschichte vom verlorenen Zug. Eine unglaubliche Geschichte. Denn der Transport in den Osten per Zug endete im Süden Brandenburgs mitten in der Pampa. Diesen stehenden Zug mit über 2 000 Häftlingen aus dem KZ Bergen-Belsen hatten Soldaten der Roten Armee aufgefunden, womit die Häftlinge gerettet waren. Die Autorin, die dann ihr Leben nach dem Nationalsozialismus erzählt, verstarb kurz vor Vollendung des Buches 2022 mit 93 Jahren, für dessen Erstellung und Fertigstellung die Journalistin Dina Kraft aus Tel Aviv als Mitautorin Verantwortung trägt.
Es ist überraschend, wie viele Fotos es aus der gemeinsamen Zeit in Amsterdam von den beiden Freundinnen Anne und Hannah gibt. Und schön auch,
Foto:
Umschlagabbildung
Info:
Hannah Pick-Goslar, Meine Freundin Anne Frank. Die Geschichte unserer Freundschaft und mein Leben nach dem Holocaust, Penguin Verlag 2023
ISBN 978 3 328 60300 9