citytripslonely & planet zeigen 40 Streifzüge durch die coolsten Metropolen

Claudia Schulmerich

Berlin (Weltexpresso) – Wenn man gerade in eine dieser vierzig europäischen Metropolen fahren will, wird man sich nicht auf diesen schönen Bildband stützen, sondern einen aktuellen Reiseführer zur Hand nehmen. Aber, wenn man dann wieder zu Hause ist, dann schaut man sich die Bilder besonders gerne an. Auch deshalb, weil man auf diese Weise vielleicht das nächste Reiseziel aussucht.

Was natürlich zuallererst interessiert, sind die 40 Städte, die hier ausgesucht worden sind. „URBANE ABENTEUER“ heißt die Überschrift und dann kommen nicht die 40 Metropolen, sondern erst einmal – sehr sinnvoll! - die Untergliederung, nämlich Nordeuropa, West- und Südeuropa, Südosteuropa und Osteuropa. Im Register auf Seite 284 sind dann unter ABC zum einen die einzelnen Städte aufgeführt und zum anderen eingerückt die Sehenswürdigkeiten der jeweiligen Stadt.

Suchen wir uns ein paar Städte heraus. BERLIN kennt jeder, denkt man. Darum können viele beurteilen,,was für Berlin steht. Hier sind ab Seite 58 acht Orte aufgeführt: Berliner Mauer, Brandenburger Tor, Checkpoint Charlie, East Side Gallery, Gedenkstätte Berliner Mauer, Spreeufer, Todesstreifen, Tränenpalast. So steht es mit Seitenangabe im Register. Blättert man im Band, so wird alles gleich durch die Fotos lebendig. Man sieht auf Bahnhof Potsdam, ist also am Potsdamer Platz mit den Hochhäusern. Wer beschreibt hier seinen Rundgang? Denn davon erzählt ein Icherzähler von seinem ersten Mal im Sommer 1989 am Checkpoint Charlie. Das war also vor dem Mauerfall. Und nun geht er 31 Jahre später noch einmal auf den eigenen Spuren durch Berlin, denkt sich seinen Teil, erinnert sich, zieht Schlüsse und geht auf die einzelnen Besichtigungspunkte ein. Es ist Andrea Schulte-Peevers, die zu uns auf drei Seiten spricht. Die anderen Texte zu Berlin sind entweder von angegebenen Webseiten oder Bildunterschriften sowie Wegweiser.

Berlin ist unter WEST- UND SÜDEUROPA als erstes zu finden und das belustigt einen erst mal schon, liegt es doch OSTEUROPA mit Danzig und Warschau sehr viel näher. Aber die Bundesrepublik Deutschland ist seit 1945 Westen! Und auch die anderen hier unter OSTEUROPA aufgeführten Länder sind zwar ehemalige Ostblockstaaten, aber für uns eher SÜDOSTEUROPA: Brünn, Budapest, Bratislava, Ljubljana. Und was ist mit Prag. Das gibt es doch nicht. Wo ist Prag? Wir finden es wirklich nicht. Unter keiner Rubrik, auch nicht im Register. Dann doch besser zurück zu BERLIN.

Dort folgen Kunstwerke aus Beton als besondere Note Berlins. Das stimmt. Wenn man allein den Potsdamer Platz anschaut, was dort verbaut wurde! Aber hier geht es um Kunstwerke. Wie schade, daß die unglaubliche Sammlung der durch Künstler - Mimmo Paladino, Richard Long, Sol Lewitt, Ilya Kabakov, Gottfried Helnwein, Chillida und Arman ...- geadelten Berliner Mauerstücke des Franzosen Sylvestre Verger hier in Berlin keinen Ableger hat. Die angefangene Sammlung stand in den 90ern vor dem Aus, als er sie erwarb und fortführte. Wenigstens eine Fotogalerie der Kunstwerke sollte in Berlin zu sehen sein. Aber das ist kein Fehler dieses Buches, sondern eine unzureichende Kulturpolitik Berlins.


Das wußte ich auch nicht, daß der sogenannte Tränenpalast denkmalgeschützt ist. Damals, als er der Grenzpavillon war, wenn man vom Westen aus im Bahnhof Friedrichstraße ankam und dort die Paß- und Personenkontrolle stattfand, steckten wir alle, auch wenn wir ohne Fehl und Tadel ein- und ausreisten, voller Angst. Wie erst Flüchtende! Gut, daran für lange zu erinnern. Die Erinnerungsorte finden wir gut in dieser Zusammenfassung der Stadt. Aber: das ist alles.ßKlar, Berlin ist groß, aber daß überhaupt keine kulturellen Anknüpfungspunkte vorhanden sind, kein Museum, die Opern, die Ausstellungshallen, das befremdet.

Damit aber kein falscher Eindruck entsteht, wir finden dies Buch fabelhaft. Das liegt auch daran, daß wir viele der Städte noch nie besucht hatten und durch die schönen Bilder und die erklärenden Texte eine solche Lust zum Reisen verspüren, daß wir uns schon unterwegs glauben. Das Buch erweitert unseren Horizont auf die Schnelle, ohne daß wir Koffer packen und nach einer günstigen Reisegelegenheit sowie Hotel suchen müssen. Ganz im Ernst. Nehmen Sie sich ein ganzes Wochenende vor und reisen mit diesem Buch fiktiv in Europa herum. Da wird es Ihnen gehen wie mir. Bei nicht wenigen Fotos und Texten bekommen Sie Lust auf mehr, schauen im Internet oder der eigenen Bibliothek weiter, so wie es mir gerade mit Georgien geht. Aha, nicht Tiflis, unsere Schreibweise der Hauptstadt, sondern Tbilissi? Das gilt aber für die meisten der anderen Hauptstädte nicht. Mit Lust betrachte ich das seitengroße Foto beim gemütlichen Zusammensitzen im neuen Szenenviertel. Und wer mehr darüber wissen will, kann sich hier auf Literatur stützen, denn mit ganzem Herzen kann ich die Romane der seit 2003 in Hamburg lebenden, 1983 in Tiflis geborenen Nino Haratischwili  empfehlen, auch denen, die mit Georgien nichts am Hut haben. Tolle Bücher!

So geht es uns mit anderen Städteansichten auch. Die eigenen Erinnerungen ergänzen das Gesehene und Gelesene, aber das Neue interessiert sehr viel mehr. Was kann ein Buch denn überhaupt an Erwartungen wecken, was es dann auch einlöst. Was Reisen angeht, ist die eigene Fantasie mitgefragt. Auf jeden Fall werden Sie hier mit den 40 Streifzügen durch „die coolsten Metropolen“ – aha, ist deshalb Prag nicht dabei? Nein, das kann nicht sein, noch dazu im Kafka-Jahr. Prag ist obercool – sehr gut bedient!
Was ein Sonderlob verdient ist der jeweilige Schluß der sehr unterschiedlich langen Stadtartikel. Dort heißt es WEGWEISER und zusammengefaßt finden Sie die besten Reisezeiten, Hotels, Anreise, Dauer bestimmter Wege und vor allem den jeweiligen Hinweis, wo Sie Genaueres erfahren.

Foto:
Umschlagabbildungen

Info:

lonely planet, Legendäre Citytrips in Europa, 40 Streifzüge durch die coolsten Metropolen, Lonely Global und MAIRDUMONT 2023
ISBN 978 3 575 01082 7