falsche opferLukas Erler macht es spannend mit „Ein Fall für Carla Winter“

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Wirklich raffiniert ausgedacht und sauber niedergeschrieben, was hier aus einer Mücke einen Elefanten macht. Da sieht man es wieder, den geknechteten, geschlagenen Frauen ist unser Mitgefühl gewiß, selbst, wenn sie zu ihrer Verteidigung den Sexualtäter in Jenseits befördern. Auf jeden Fall ging es Natascha Berling so, die mit dem blutigen Küchenmesser in der Hand vor der Wohnung der taffen Anwältin Carla Winter auftaucht und sie um Hilfe bittet. Sie hat gerade ihren zudringlichen, gewalttätigen Freund umgebracht. Sie konnte nicht anders. Es war Notwehr.

Das gibt ein öffentliches Spektakel, denn diese Notwehr kommt wie gerufen, ist doch der Tote ein arabischer Muslim, von dem es sogar heißt, er sei schon einmal durch Gewalttaten aufgefallen. Aber nach außen ist er doch ein solider, gebildeter, an Büchern interessierter Mann gewesen?

Während wir noch mit uns hadern, ob man denn den Clou der ganzen Geschichte hier schon verraten darf, loben wir doch erst einmal das Drumherum des Krimis, was zwar wieder mal das Private von Carla Winter betont, aber nicht auf die bräsige, eher auf die neugierig machende Weise. Diese Carla Winter aus Frankfurt könnte ich jeden zweiten Tag dringend gebrauchen. Eine Macherin, eine mit Köpfchen, also tatsächlich eine, die effektiv ist!!! Herz und Hand. Sie ist inzwischen mit Moritz liiert, der kommt eigentlich aus Wien, hat dort ein Kind und eine geschiedene Ehefrau, die am Burgtheater Schauspielerin ist. Das ist wirklich was! Und Carla ist dementsprechend total eifersüchtig. Jetzt mußte Moritz nach Wien, weil sein sonst braver Sohn Florian einen Jungen krankenhausreif geschlagen hat. Schule, Polizei, Eltern...es geht rund und Carla soll Sortieren helfen, wie man jetzt vorgeht.

Das ist eine für sich abgeschlossene Geschichte im Krimi, der man bei Kurzgeschichten sofort den ersten Preis zugesprochen hätte, so knallhart und frauenfreundlich löst die clevere Anwältin Clara das Problem in Wien. Denn der im Krankenhaus Liegende und seine Freunde waren die Bösen, die das Mädchen, das nicht mal Florians Freundin ist, sondern nur geheim von ihm angebetet wird, in die Internetfalle laufen ließen. Nun sollen Bilder von ihr, Nacktbilder ins Netz und Florian dazu angeklagt werden. Die Eltern des zusammengeschlagenen Jungen, von dem wir nun wissen, daß er die Gemeinheit ausgeheckt und durchgeführt hat, stehen mit Regreß auf der Matte. Wie es Carla nun gelingt, in Affenschnelle die Situation erst zu klären, dann umzuwidmen, daß jetzt der im Krankenhaus vor der Polizei Angst haben muß und seine Eltern auch, das ist erste Sahne. Sie ist clever, sie ist vorausschauend, sie kennt die Männer, sie ist einfach Spitze in ihrem Beruf als Anwältin. Und ist auch nicht mehr eifersüchtig auf die Ex von Moritz, mit der sie sich sogar prächtig versteht. Dazu lernt sie jetzt sogar noch, die richtigen Mitarbeiter auszusuchen. Mit Ritchie hat sie einen Fang gemacht, der eignet sich hervorragend als Detektiv und seine Beschattungsübungen bringen uns der Aufklärung näher.

Jetzt haben wir doch gut drumherumgeredet, denn nach wie vor bleibt die Hauptsache Natascha Berling, die dank des überzeugenden Plädoyers ihrer Anwältin vor Gericht zugestanden wird, daß sie sich verteidigen durfte, auch wenn es den Angreifer das Leben kostete. Voller Sieg für Clara und ihre Mandantin. Doch dann kommt ein anonymes Schreiben. Es sei alles ganz anders.

Das sei ein sorgsam geplanter Mord. Dann stellt sich heraus, daß der Name Natascha Berling nicht ihr richtiger ist und sie unter Zurücklassung ihrer Kinder fliehen mußte, die ihr ein und alles sind. Am Schluß ist das auch wieder gelogen, nix mit Kindern, nix mit dem angeblich richtigen Namen. Aber ein weiterer Toter durch ihre Hand.

Carla hat sich, um an das Geheimnis der Herkunft ihrer Mandantin heranzukommen, erst auf ins Ruhrgebiet gemacht, wo einer der Mafioso, der die Clanbildungen in der Republik überblickt, ihr den entscheidenen Tip gibt und gleich eine Verabredung in Berlin festmacht. Sie ist also unterwegs, das lenkt zwar ab, aber die entscheidende Frage, wer diese Berling ist und was das Ganze soll, die werden wir hier nicht verraten, aber Carla Winter hat es wieder geschafft und ist allen Anschlägen entkommen. Wir werden ihren nächsten Fall ganz sicher lesen!

Foto:
Umschlagabbildungen

Info:
Lukas Erler, Das falsche Opfer. Ein Fall für Clara Winter, Tropen Verlag 2013
ISBN 978 3 608 50191 9