Bildschirmfoto 2024 04 25 um 00.27.13Alfred Bodenheimer zeigt im neuen Krimi Israel von innen

Redaktion tachles

Bern (Weltexpresso) - «In einem fremden Land» ist Alfred Bodenheimers zweiter Krimi, der in Jerusalem spielt. Zwar ist die Polizeipsychologin Kinny Glass einem mysteriösen Todesfall auf der Spur, doch die Geschichte fesselt aus einem anderen Grund: Sie nimmt die Lesenden mit in eine zerrissene Gesellschaft, in der die einen für Freiheit demonstrieren und die anderen unverbrüchlich hinter der Hardlinerregierung stehen. Das Buch hat aber einen Haken.

Uriah Zunder liegt tot am Fuss einer Klippe in Zypern. Er war Chef der Bereitschaftspolizei in Jerusalem und sollte in Kürze zum Distriktkommandanten aufsteigen. Vor seiner Abreise nach Zypern war er in der Praxis der Polizeipsychologin Kinny Glass.

Sie ist es denn auch, die Ungereimtheiten an der offiziellen Version der Todesumstände findet - es soll Suizid gewesen sein. Glass stellt selber Nachforschungen an. Soweit ist der Krimi recht konventionell.
Interessant ist die Geschichte aus einem anderen Grund. Jener Uriah Zunder hat sich zusehends zum scharfen Hund entwickelt, seine Untergebenen dazu gedrängt, auch präventiv auf Menschen zu schiessen, wenn sie nur schon Terroristen sein könnten.

Die Leserin und der Leser sind augenblicklich mittendrin in einer Gesellschaft, deren «Minister erklären, man solle arabische Dörfer auslöschen», so Glass. Mittendrin in einer Gesellschaft, die «einer Massenpsychose» verfallen ist. Deren eine Hälfte demonstriert für Freiheit, die andere steht hinter der Regierung aus Hardlinern. Und beide Lager stehen einander verhärtet gegenüber. «Wie lange würde der Druck im Kessel weiter steigen, bis er explodierte?», fragt die Erzählstimme im Buch.

Der Autor Alfred Bodenheimer, hauptberuflich Professor für Jüdische Literatur- und Religionsgeschichte an der Universität Basel, pendelt zwischen der Schweiz und Israel; dort lebt seine Familie. Mit seinen Krimis, den früheren über die jüdische Gemeinde in Zürich, wie auch den jüngsten aus Jerusalem, gelingt es ihm, seinem Lesepublikum jüdisches Leben und Denken zu vermitteln.
In «In einem fremden Land» lernen hiesige Leserinnen und Leser Menschen in Israel kennen, deren Gedanken- und Lebenswelt in den Medienberichten über Israel zumeist nicht auftaucht.
Geschrieben hat Bodenheimer seinen jüngsten Jerusalem-Krimi im Juli und August 2023, zu einer Zeit als nicht zuletzt die Justizreform der Regierung Netanyahu weite Teile der Bevölkerung im Protest auf die Straße trieb.

Nur wenige Wochen später, am 7. Oktober 2023, hat die Hamas israelische Bürgerinnen und Bürger überfallen, ermordet und entführt. Er folgten der Gaza-Krieg und die direkte offene Konfrontation zwischen Iran und Israel. Obwohl es nur ein dreiviertel Jahr her ist, dass Bodenheimer seinen Roman geschrieben hat, hat ihn die Aktualität überholt. Die Geschichte ist historisch.

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Autor Alfred Bodenheimer pendelt zwischen Israel und der Schweiz.
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Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 23. April 2024