Auf der 76. Frankfurter Buchmesse vom 15. bis 20. Oktober, Teil 10

Claudia Schulmerich

Frankfurt (Weltexpresso) - Traditionsgemäß haben die Gastländer der Buchmesse ihren Auftritt im Forum, dem Querbau, an den sich links Halle 3 anschließt, rechts Halle 5 &6 und über den Platz, eigentlich auch eine Piazza! - Halle 4. Der italienische Architekt Stefano Boeri hat sich von den klassischen Merkmalen einer historischen italienischen Piazza inspirieren lassen und hat einen großen Platz geschaffen, eben eine Piazza, die von Bogengängen und Säulen eingerahmt, dahinter kleinere Räume mit Ausstellungen zu speziellen Themen sichtbar macht, wobei natürlich den italienischen Büchern, original und in deutsche Übersetzung der größte Raum eingeräumt wurde.

 

Wir haben mit Aldus Manutius (1449-1515) begonnen, denn mit ihm, dem sagenhaften Drucker und Verleger aus Venedig, beginnt das italienische und europäische Verlagswesen und die Rettung der griechischen Texte für die Nachwelt. Doch ermöglicht hatte  dies Kardinal Bessario. Der wird an der Wand kurz erwähnt, weil er aber eine entscheidende Rolle für das Drucken der griechischen Texte für ganz Europa spielte, ein paar eigene Worte. Bessarion war ein Theologe, ein Kirchenpolitiker,ein Philosoph, Diplomat, ein byzantinischer Humanist, der im päpstlichen Rom solchen Eindruck machte, daß man ihn zum Kardinal beförderte und nach Italien holte. Das ist wichtig zu wissen, weil die Mär immer heißt, daß er erst 1453, als die Osmanen die byzantinische Hauptstadt Konstantinopel überrannt hatten und das Ende von Byzanz, dem Ostrom, eingeläutet hatten, nach Venedig gekommen sei, im Gepäck die vielen griechischen, hauptsächlich antiken Schriften. Das Letztere ist richtig, aber er war schon vorher vom Papst ob seiner profunden Gelehrsamkeit und seinem festen Glauben nach Italien geholt worden.

 

Dies Wissen um die Hintergründe ist wichtig, weil die Bewegung des Humanismus ohne Kenntnis der griechischen Originale der Philosophen und Forscher keine Grundlage gehabt hätte. Denn  selbst in der Zeit der Scholastik, die sich  per se  ja mit Denken und Texten beschäftigte, waren die griechischen Originale den meisten unbekannt und Übersetzungen ebenso. Und genau dies kam nun nach 1453, dem Fall von Konstaantinopel, in Gang. Venedig wurde so etwas wie ein zweites Byzanz und dies wiederum wäre ohne Aldus Manutius nicht möglich gewesen und seinem Zugang zur venezianischen Biblioteca Marciana, wohin Bessarion seine griechischen Schriften gegeben hatte.

 

Aber Manutius druckte nicht nur, er kam auch auf die Idee, nicht allein die großen Wälzer zu veröffentlichen, die wir alle beispielsweise durch Prachbibeln kennen – darin war vor allem Gutenberg groß - , sondern in kleinen Heften, aber mit griechischen Buchstaben, die antiken Weisheiten zu drucken, so daß die Italiener heute von ihm als dem Erfinder des Taschenbuchs sprechen. Aldinen wurden diese Formate genannt, in denen er aber auch die Texte von Francesco Petrarca u.a. veröffentlichte. Er gilt als der Ermöglicher des Humanismus und völlig zu Recht wird er in diesem kleinen Raum gefeiert, wo auch ein Exemplar, eine Aldina, ausliegt.

 

Doch eigentlich haben wir natürlich mit der Piazza begonnen, sind herumspaziert, haben uns niedergelassen und geguckt, wie die Kolleginnen und Kollegen auf diesem Pressetermin sich den Gastpavillon aneignen – und haben gegrinst! Nachher haben wir uns bei der Kuratorin damit entschuldigt, daß man für Assoziationen nichts könne, die kämen eben, ohne daß man moralisch dafür gestraft werden solle.

 

Im hinteren Teil der Piazza, da, wo es zu den Büchern geht, ragt nämlich eine gewaltige goldene Hand, nein, nicht in den Himmel, aber nach oben zur Decke. Wirklich sehr sehr groß, wie das Foto zeigen soll. Was soll denn die Hand der Fatima hier?, daachten wir uns.  Denn wir kennen die Hand aus dem Islam, wo vor allem in Nordafrika das Volk die Hand der jüngsten Tochter des Propheten Mohammed, der sündenfreien Jungfrau Fatima als Schutz gegen die Geister, besser: die Dschinn und gegen den Bösen Blick ehren, weit über religiöse Bezüge hinaus. Und natürlich klingt das alles auch nach der Jungfrau Maria, die ebenfalls im Orient eine schützende Hand erhielt, wie im Judentum die Hand der Mirjam.

 

Aber das kann ja hier nicht die Bedeutung sein, sagt der Verstand. Die nächste Assoziation ist die frontal nach oben ausgestreckte Hansfläche als Abwehr. Das kenne ich von mir selbst, als eine Geste, die Abwehr und Abstand bedeutet,  die fast unwillkürlich abläuft. Aber diese Abwehrhand kann ja hier auch nicht gemeint sein, das sagt wieder der Verstand. Also nachfragen. Die Kuratorin wollte mit der großen goldenen Hand zum Ausdruck bringen, daß man sich zuwinkt. Die Hand wie in der Geste Merkels oder  Obamas...also gut, Vielleicht hätte man die Hand nicht so aufrecht hinstellen, sondern eher schräg postieren sollen. Kaum ein zweiter wird sich solche Gedanken machen wie ich, aber irritiert hatte es andere auch.

 

Es gibt noch viel zu berichten vom Italienischen Pavillon, auf den wir zurückkommen. 

Foto:
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