Isländische Krimis haben Hochkonjunktur, Teil 1/2
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Beide Titel passen gut in die Zeit. Beim obigen WINTERSTURM, das eine einsame verschneite Hütte vor einem ebenfalls verschneiten Bergmassiv zeigt, spielt die 5tägige Handlung allerdings zu Ostern: Von Gründonnerstag bis Ostermontag. Aber was in diesem Teil Islands – es handelt sich um die sagenhafte Besiedlung ganz im Norden: Siglufjörður - vom Wetter her Ostern ist, ist bei uns nicht mal mehr im Winter: dicker Schnee, Schneetreiben und Winterstürme.
Ari Arason, Polizeiinspektor im Fischerort Siglufjörður, den es wirklich gibt und der am 1. Januar 2023 1182 Einwohner hatte, bezeichnet seinen kleinen Bezirk als Dörfchen, in dem sowieso nie etwas richtig Schlimmes passiert. Darum konnte er sich auch darauf einlassen, daß seine Ex, die in Schweden studiert, mit dem 3jährigen Söhnchen zu Besuch kommt. Sie konnte nicht ertragen, daß er seine beruflichen Pflichten immer stärker wahrnahm als seine väterlichen und hatte Ort und ihn verlassen. Ein Jahr hat er seinen Sohn nicht gesehen und liebt ihn mit der Unsicherheit, ob er denn in dessen Leben eine Rolle spielen wird.
Und so ist die Dramatik vorgegeben, daß genau zu dem Zeitpunkt, als die beiden eintreffen sollen, in Siglufjörður ein menschliches Unglück geschieht, das den Polizisten fordert. Ein junges Mädchen liegt tot auf der Straße. Sie muß von oben, von der Dachterrasse gesprungen oder gestoßen worden sein. Was den entscheidenden Unterschied ausmacht, denn nur in letzterem Fall wird das ein Fall für die Kriminalpolizei. Also versucht der G – wirklich ein lieber harmloser Kerl, dieser Ari – sich selbst zu belügen und eindeutig von Selbstmord auszugehen, damit er genug Zeit für seinen Sohn und die Ex hat.
Die hat er in seinem Haus einquartiert, wo sie vorher alle wohnten und gerne wäre er auch dort geblieben, aber die Ex ist äußerlich freundlich, ja zuckersüß, innerlich knallhart und er muß ins Hotel und darf seinen Sohn nur stundenweise sehen und wie das Schicksal es will, passiert meist dann genau was, wenn er die Zeit mit seinem Sohn verbringt. Das 19jährige Mädchen ist ein braves Kind gewesen, sagt die völlig verzweifelte Mutter, sehr gut in der Schule, nie Probleme, überhaupt nichts, auch keinen Freund und auch der Rechner, das Handy und eine Art Tagebuch geben keine Auskunft, daß da irgendwas im Busch wäre. Bis auf...
Problem ist auch, wieso die Tote, Unnur Svavarsdóttir, in dieses Haus wollte und weshalb ihr das gelang; Zwar hat das Ehepaar unten nachts die Klingel gehört und geöffnet, aber es sei keiner gekommen und der Hauseigentümer oben, Bjarki, der seine Doktorarbeit schreibt, war in der Hauptstadt, was nachgeprüft wird und stimmt.
Nach zwei Prinzipien verläuft nun die Handlung. Ari wischt jede neue Erkenntnis erst einmal weg und hält am überraschenden Selbstmord des Mädchens fest. Dann kriegt er gleich ein schlechtes Gewissen, ein Polizistengewissen, und arbeitet verstärkt das auf, was irritiert.
Das Zweite ist seine private Situation, wo eine Exliebe ins Spiel kommt, eine Pflegerin, die ihn ruft, damit er mit eigenen Augen sieht, was ein kranker Greis an groß an seine Wände geschrieben hat: Sie wurde getötet! Das muß Ari auf den gegenwärtigen Fall beziehen, aber die Fallstricke des Autors sorgen dafür, daß gleich ein zweiter Fall daherkommt, der genauso gelöst wird wie der erste!
Und wir können auch sicher sein, nachdem seine Ex mit dem Kind wegen des herannahenden Sturms früher gefahren, daß Ari mit der Exliebe einen neuen Frühling erlebt, auch wenn noch gerade Winter ist. Oder sogar deswegen.
Also, liebe Leute, wenn Ihr die Hulda-Serie nicht kennt, lieber, ja unbedingt diese lesen. Sie ist doch sehr viel packender als es Ari sein kann, der schon vor 15 Jahren Held von Jónassons Romanen war und nun sein Comeback erlebt.
Foto:
Umschlagabbildung
Info:
Ragnar Jónasson, Wintersturm, btb 2024
ISBN 978 3 641 28537 1
Unsere begeisterten Besprechungen der Hulda-Trilogie von Ragnar Jónasson,
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