Andreas Winkelmann legt bei rororo einen blitzsauberen Krimi vor
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Was ist denn das? Ein blitzsauberer Krimi? Krimis sollen ja eher den verbrecherischen Dreck ans Licht bringen, diese düstere Geschichte erzählen, die Tathintergründe eruieren, den Mörder entlarven und vor allem: das alles dem Leser, der Leserin verständlich machen. Und wenn das geschieht, dann ist das Schreiben eines Krimis blitzsauber gelungen, weil er alle für einen spannenden Krimi notwendigen Bestandteile enthält und sinnvoll verwendet.
Diese Vorbemerkung war nötig, weil – auch bei mir – oft eine gewisse Vorsicht, ja Abneigung gegen die SPIEGEL-BESTSELLER-Autoren besteht, weil allzu oft die erwähnten Voraussetzungen für einen lesenswerten Krimi eben nicht vorhanden sind, eine Spannung behauptet wird, die beim Lesen überhaupt nicht eintritt, auffällige Konstruktionsfehler vorliegen, die handelnden Personen blaß bleiben und dann noch sprachlich geschlampt wird. Und genau dies vermeidet Andreas Winkelmann souverän.
Entscheidend für die Güte dieses Krimis ist die vollendet durchgehaltene Konstruktion. Die Handlung vollzieht Geraden, Kurven und das teils im Rückwärtsgang und immer bleibt der Vorgang transparent und ist der Leser an der Ermittlung des Mörders direkt beteiligt. Höchste Zeit, darüber zu sprechen, worum es geht. Es ist ein Mädchen verschwunden. Das ist übrigens derzeit fast eine Krimiseuche, dauernd verschwinden Mädchen, teils tauchen sie wieder auf, teils werden sie ermordet.
Isabell ist vor sieben Jahren auf der Party eines Mitschülers, der seinen 18.Geburtstag feierte, verschwunden. Und wurde nie wieder gefunden. Das wissen wir, weil der Krimi unaufhörlich, aber klar in den Überschriften, zwischen VOR SIEBEN JAHREN und HEUTE mäandert, wobei das Heute sehr viel stärker erzählt wird. Isabell ist die einzige Tochter des Polizisten Jonas Waider und seiner Frau Marie. Jonas weiß sofort, wer für ihr Verschwinden und wahrscheinlichen Tod verantwortlich ist. Dieser gewalttätige Prolet, der seine Frau schlägt und die Tochter für sich arbeiten läßt, will sich dafür rächen, wie Jonas ihn hat auffliegen lassen und hat deshalb seine Tochter entführt und ermordet.
Die Polizei sucht intensiv, doch es tut sich nichts. Da reizt dieser Bernd Vollstedt mit gemeinen Fragen nach dem Befinden der Tochter Jonas zusätzlich derart, daß dieser die Beherrschung verliert und Vollstedt niederstreckt. Mit voller Absicht, zusätzlich hat er ein Messer dabei, das dem Widerling im Unterbauch steckt. Das bringt für Jonas sechs Jahre Gefängnis, zuvor hatte sich seine Frau umgebracht. Seit einem halben Jahr ist er nun draußen, hat keinen Halt und hilft Kriminellen. Von der Tochter fehlt nach wie vor jede Spur.
Parallel wird im Heute ebenfalls ein Mädchen vermißt. Es ist die autistische Tochter Silvia des damals ermordeten Vollstedt, um die sich vor sieben Jahren die verschwundene Isabell gekümmert hatte und um deren Verbleib aufzuklären, die Großmutter die Privatdetektivin Franca engagiert. Die Großmutter ist die Witwe des Bankbesitzers Frieling, deren Tochter wiederum die Witwe des widerlichen Vollstedt ist. Klar, dass Franca sofort bei dieser Gerlinde nachfragt, bei der ihre Tochter Silvia, die Enkelin der Bankbesitzerswitwe Dr. Frieling zuletzt wohnte. Diese weiß von nichts, vermißt ihre Tochter auch, dreht aber durch als Franka nach ihr sucht. Erst recht, als Franka dann auch noch mit Jonas auftritt.
Den hielt nämlich Franka erst einmal für den Entführer der verschwundenen Silvia und für einen unausstehlichen gewalttätigen Kerl, merkt aber dessen inneren Zusammenbruch, baut ihn auf und wird bis zum Schluß mit ihm in der Haupthandlung sowohl klären, was mit der heute verschwundene Silvia und mit der vor sieben Jahren verschwundenen Isabell geschehen ist.
Dieser nüchterne Verlauf sagt noch nichts darüber aus, mit wie vielen völlig unterschiedlichen Personen man es zu tun hat, die alle eine Rolle in dem verwickelten, fein konstruierten Fall spielen und die der Autor glänzend im Geschehen unterbringt, was zu diesem bunt funkelnden Krimi führt. Die Personen erhalten alle ein Gesicht, hier geht nichts schablonenhaft zu und mit der Privatdetektivin Franca hat Winkelmann eine neue, richtig interessante Frau geschaffen, der man noch vieles zutraut.
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Umschlagabbildung
Info:
Andreas Winkelmann, Ihr werdet sie nicht finden, Thriller, rororo, Juli 2025
ISBN 978 3 499 01331 7