Martin Suter liefert, was er verspricht und geht auf Lesereise
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Zugegeben, keine Weltliteratur, aber das ist auch gar nicht der Anspruch. Es gibt wenig Autoren, die sich so elegant im Zwischenreich der literarischen Unterhaltung bewegen wie Martin Suter: zwischen Plaudern, Rätseln, Psychologie, meist gehörigem Geld, schließlich sind wir in der Regel in der Schweiz, da gehört das Geld dazu, schönen Frauen, geschäftigen und dickes Money, Money, Money verdienenden Männern, welche Frau zu welchem Mann und umgekehrt, Kinder eher selten, dafür aber Kunst, ganz viel Kunst und auf jeden Fall Joie de vivre auf gehobenem Ambiente.
Letzteres war mir dann zu forciert gebracht, immer das gute Essen, der exzellente Rotwein, das nervt auf Dauer, vor allem, wenn man nur davon liest und nicht mit dem Buch auch das Essen und Trinken auf dem Tisch serviert bekommt. Aber nein, wir wollen überhaupt nichts runterputzen, sondern sagen, dass man diese 291 Seiten runterliest, wie nur was und gegen Schluß aus dem Staunen nicht mehr rauskommt, denn da schlägt Suter eine Volte, die das ganze Geschehen viel spannender macht, als man zuvor beim Lesen empfand. Das kann er, beim Lesen einen Schein erwecken, der dann in einem ganz anderen Sein endet. Was man hier natürlich nicht verraten kann und darf!
Von vorne. Sie ist bezaubernd, diese Camilla da Silva, mit der Noah Bach total verliebt zusammenlebt, eigentlich ist er nur hineingeschneit, denn es ist ihre Wohnung, in der die beiden leben und sie ist es, von deren Verdienst beide leben. Denn Noah ist Künstler mit einem eigenen Atelier, aber nur einem Galeristen, der nicht die großen Namen vertritt und es will einfach keiner seine Gemälde kaufen. Er wartet auf die zündende Idee, die ihn reich und berühmt macht.
Doch das ist auf Dauer nicht genug für Camilla. Sie liebt ihn, aber liebt das Leben mit ihm nicht, wo sie jeden Pfennig, nein, 5-Rappen-Stück umdrehen muß, auf keinen grünen Zweig kommt, das zieht sie runter, denn sie ist eine schöne, lebensfrohe Frau und weiß, das hier ist nicht das erträumte und auch berechtigte Leben für sie. Aber sie ist rücksichtsvoll, läßt den mehrfach armen Noah weiter in der Wohnung hausen und zieht zu einer Freundin, in deren Geschäft sie sogar mit 50 000 Franken Teilhaberin wird. Woher sie das Geld hat? Das drängt ihr sozusagen der Mann auf, der sie begehrt, der sie um sich haben möchte, zu dem sie dann wirklich zieht, bis sie merkt, dass die angeblich verstorbene Gattin, die hier überall ihre Kleider und Pelze in den Schränken hängen und liegen hat, von den vielen Fotos ganz zu schweigen, dass diese Frau nur abwesend ist und überraschend nach Hause kommt.
Ihr attraktiver Liebhaber will wirklich mit ihr und und bringt sie in einem ebenfalls schicken neuen Zuhause unter und besucht sie zu den Zeiten, wo es zu Hause nicht auffällt. Längst haben wir uns auch in Camilla verliebt, die hat nämlich nicht nur den richtigen Riecher – sie verläßt diesen zwar verliebten, aber einer anderen gehörenden Mann -, sondern ist so was von taff, dass wir sie auch gerne zur Freundin hätten. Sie scheut sich nämlich nicht, aufzuräumen und bringt vor allem die Finanzen ihrer Freundin in Ordnung, allerdings ist Ordnung das falsche Wort, denn sie entdeckt, dass diese hochverschuldet und auch ihr doch nur geliehenes Geld futsch ist.
Der verliebte Noah hat in einer Bar eine 65jährige, gesundheitlich angeschlagene Frau kennengelernt, Betty Hasler, die, nachdem sie einiges gekippt haben, ihm von ihren Haß auf den Geschäftsteilhaber ihres verstorbenen Mannes erzählt, der selbst ein gutes Leben hätte, aber ihren Mann ausgenutzt und für seinen Tod verantwortlich sei, weshalb sie ihm eine Million biete, wenn er diesen Zaugg umbringe, der zudem die Frechheit besessen hätte, den Namen ihres Mannes, Hasler, aus dem Firmennamen zu tilgen.
Die in geldbürokratischen Dingen so kundige Camilla hat sich bei einem Finanzdienstleister beworben, wird genommen und wir bekommen erst später mit, dass es sich genau um die Firma Zaugg handelt. Dort wird sie im Archiv sehr schnell ermitteln, dass hier Geldwäscherei und Schlimmeres Grundlage der guten Bilanzen ist.
Die ganze Zeit versucht Noah Kunst zu schaffen, die auch gekauft wird. Aber er kann gar nicht anders, als unentwegt seine verlorene Liebe Camilla auf’s Papier und auf Leinwand zu bringen. Da kommt er auf die Idee eines Triptychons, jeweils mit ihrem Bildnis. Das schlägt ein und gleich zwei wollen es für 14 000 kaufen, von denen allerdings der Galerist mehr als die Hälfte will. Gerne verkauft er es deshalb an die Witwe Hasler. Und als überraschend sich auch dieser schwerreiche Zaugg meldet, da kopiert er sich rasch selbst. Eine Intrige läuft, die sich gegen Noah richtet, denn jetzt meldet ein anderer Künstler seine nächste Ausstellung mit Triptychen mit ein und derselben Person an. Das war doch seine Idee.
Dann gibt es Tote. Doch wie das alles zusammenhängt und alles ganz anders ist, als die Leser, auf jeden Fall auch Noah und Camilla geglaubt haben, das ist dann wirklich der Clou an WUT UND LIEBE, der nicht zu den stärksten Arbeiten von Martin Suter zählt, wobei aber auch seine leicht schablonenhaften Erzählungen unterhaltsamer sind als die meisten in diesem Genre.
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Umschlagabbildung
Info:
Der Diogenes Verlag unternimmt eine Premieren-Tournee 2025, auf der Martin Suter u.a. von Katja Riemann, Caroline Peters, Linda Zervakis u.a. begleitet wird. Zu Hause in Zürich und auch in Wien ist er schon gewesen, aber die folgenden Termine stehen noch an:
27. September Hamburg
28. September Bremen
29. September Hannover
6. Oktober Leipzig
7. Oktober Berlin
8. Oktober Frankfurt am Main
14. Oktober Düsseldorf
28. Oktober München
29. Oktober Stuttgart
Ort und Karten über https://suter.reservix.de
Martin Suter, Wut und Liebe, Roman, Diogenes Verlag 2025
ISBN 978 3 257 073331