jane austen gebundene ausgabe janine barchasJanine Barchas (Text) und Isabel Greenberg (Zeichnung) wagen was

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Wir haben extra auf das Anlaufen des Films, wo eine Französin in England ein Jane-Austen-Stipendium erhält, in deutschen Kinos gewartet, um dieses interessante und augengefällige Buch vorzustellen, das gerade erst im Verlag Penguin erschienen ist und auf dem Titel als Zitat bringt: „Ein eigensinniges, halsstarriges Mädchen“. Wie auch nicht, wenn man Ende des 18. Jahrhunderts (1775-1817) als weibliches Wesen die Unverschämtheit besaß, erstens schreiben, schreiben, schreiben zu wollen und zweitens: nicht zu heiraten.

 

Berühmt wurde sie mit ihrem Frühwerk, VERSTAND UND GEFÜHL, das 10-15 Jahre nach dem Entstehen, erst 1811 namenlos als ‚by a lady‘ veröffentlicht wurde. Es folgte STOLZ UND VORURTEIL, aber ihr Spätwerk, darunter EMMA erschien erst nach ihrem Tod, immer noch namenlos, aber ein großer Leseerfolg, was bis heute anhält. Wie bringt man ein solches kurzes, dramatisches Leben in einen Comic, der anderen Gesetzen unterliegt als eine Erzählung? Die Autorin, eine internationale anerkannte Austen-Expertin aus den USA, hat als Erstes eine Dreiteilung des gezeichneten Lebenslaufes entschieden. Der erste Teil umfaßt unter der Überschrift AUFSTREBENDE AUTORIN die Jahre 1796-1797 mit insgesamt 5 Kapiteln. Der zweite Teil zeigt uns die ERFOLGLOSE KÜNSTLERIN 1801-1809 mit Kapitel 6-9; und der dritte Teil nennst sich VERÖFFENTLICHTE AUTORIN (1809-1817), Kapitel 10 bis 13.

 

Als Zweites hat die Londoner Illustratorin neben dem eigenwillentlichen Strich, mit dem sie die Personen standhaft in die Welt setzt, eine nachhaltige Farbgestaltung gewählt: in der eigentlich nicht sinnlichen Farbkombination von Senfgelb/Ockergelb (RAL 1002) und Grau wird das Leben erzählt, in die auf einmal in leuchtendem Pink, Rosa, Burgund Jane Austens Imaginationen erscheinen, die sie dann zu Papier bringt. Das ist eine starke Idee! Das dunkle Gelb und farblose Grau der gedeckten Farben wurde mit Absicht gewählt, geben die Autorinnen an, um die Gleichförmigkeit von Austens Leben zu charakterisieren.

 

Und als Drittes ist noch wichtig, dass als GLOSSAR auf zehn Seiten die Vorkommnisse der drei ausgewählten Lebensperioden historisch aufscheinen und auch Quellenangaben dort zu finden sind.

Wer mit dieser Graphic Novel erst so richtig anfängt, Jane-Austen-Leserin zu werden, der sollte unbedingt mit dem Glossar anfangen! Dann erschließen sich die Zeichnungen schneller. Wer längst ein Kenner oder sogar Fan ist, kann gleich vorne loslegen.

 

Und jetzt kommt das für mich Wichtigste. Normalerweise gibt es Jane Austen nur als zurückgezogene, unverheiratete Autorin, die eben insbesondere die fragwürdigen, ungewollten oder ersehnten Eheschließungen ihrer Protagonistinnen zu Literatur macht. Aber hier wird, was historisch völlig richtig, ein Doppelpack daraus. Denn Jane Austen hätte ohne ihre ältere Schwester Cassandra, die ebenfalls unverheiratet, mit der Schwester lebte, nicht die Unterstützung und den Raum zum Schreiben gehabt. Zwei unverheiratete Schwestern und sechs Brüder, die in der Welt herumturnten. Was das um 1800 bedeutete, das wird hier deutlich gezeigt. Da konnten die beiden nicht entscheiden, wo sie leben wollen, noch wie. Denn einen eigenen Lebensunterhalt hatten sie nicht. Bis 1805 lebten sie bei den Eltern, dann starb der Vater. Jetzt war man abhängig, wo Verwandte einen unterkommen ließen oder andersartige Unterstützung geben konnten. Hier waren es erst einmal die Brüder, bei denen sie wohnen konnten. Die Darstellung dieser Abhängigkeit durchzieht das ganze Buch und ist psychologisch so wichtig, weil das Schreiben, diese Phantasietätigkeit eben gerade das Gegenteil davon ist. Man erlebt an den Bildern selbst das Gefühl, wie Jane Austen abhebt, aus dem durchaus tristen Alltag davonsegelt und sich eine Welt erschreibt, in der auch nicht alles in Ordnung ist, beileibe nicht, in der aber die Protagonistinnen zumindest Entscheidungen , Lebensentscheidungen fällen können. Bei Jane Austen persönlich ist es ja nur zu der einen gekommen, als sie Harrison Bigg Withers Heiratsantrag 1802 abgelehnt hatte. Der war übrigens sechs Jahre jünger als sie. Heute weiß man gar nicht mehr, wie häufig früher Männer ältere Frauen heirateten.

 

Aber es ging für die beiden ja nicht nur um das Wohnen und Essen. Es geht um Kleidung, Lebensführung, Privatheit. Und um die Unsicherheit, die anderen Frauen die Existenz der beiden bedeutete, waren sie doch ungewollt Konkurrentinnen für den konventionell ersehnten Ehestand.

Da mußten die beiden eine größere Sensibilität erreichen, um einerseits dazugehören zu dürfen, und andererseits ihre Meinung in einer Form zu sagen, die der Konvention genügte und dennoch nicht untertänig, sondern frei, teils ironisch, teils witzig, teils scharfsinnig war. Das zeigen die Texte im Buch deutlich, dass hier aufrührerische Gedanken in harmlosere Kommunikation gegossen wurde, um den Konventionen eben gerade noch zu genügen. Und die lange Phase des Schreibens und des gleichzeitigen Verschwindens ihrer Person. Die Nichtwahrnehmung ihres Talents, ihrer Werke.

 

Und dann die ersten öffentlichen Wahrnehmungen. So wenig im Vergleich zu heute, aber für Jane Austen natürlich ein kleiner Himmel auf Erden. Auch wenn es weiterhin offiziell hieß: ‚by a lady‘, sprach sich ihr Name doch herum.

 

Auf einen Clou der beiden Autorinnen muß unbedingt verwiesen werden, was man den Austen-Kennerinnen gar nicht sagen muß: In den Bildern, in den Texten finden Sie immer wieder Verweise auf Jane Austens Romane, aber auch auf die zahlreichen Verfilmungen.

 

Der gerade angelaufene Film über die Pariserin, die mittels des Jane-Austen-Stipendiums im Jane-Austen-Haus in England ihr Glück findet, in dem sie sich nämlich in einen Ur-Ur-Ur-Ur- Großneffe der Dichterin verliebt, von diesem wiedergeliebt wird und im Jane-Austen-Haus bleibt, ist so richtig eine bittersüße Liebesgeschichte, wie sie Jane Austen hätte erfinden können, denn erst einmal konnte die Pariserin diesen halsstarrigen Engländer nicht leiden, vice versa. Wie man aus romantischen Komödien weiß, die beste Ausgangssituation, um sich zu verlieben. Diese Konstellation brachte Jane Austen literarisch zur Perfektion.

P.S.  Am 16. Dezember feiert Jane Austen ihren 250. Geburtstag.

 

Foto:
Umschlagabbildung

 

Info:
Janine Barchas, Isabel Greenberg, Jane Austen. Ihr Leben als Graphic Novel, Penguin Verlag 2025
ISBN 978 3 328 60356 6