Über die 5. Frankfurter Goethe Festwoche im Goethe Haus hinaus : Ausstellung bis 23. November 2014, Teil 5
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Literaturausstellungen, also die über Bücher oder Manuskripte, haben es sonst schwer, denn Papier ist zwar geduldig, aber zum Anschauen im Museum gibt es auf Dauer wenig her . Ganz anders diese Ausstellung im Goethehaus, die mit einer Fülle von Gegenständen von vor 200 Jahren den sinnlichen Reiz und die Gewißheit, daß sie von Johann Wolfgang und von Marianne stammen, teilt.
Vor 200 Jahren war es nämlich, im August 1814, als zwei Ereignisse gleichzeitig eintraten, die für Goethe mehr als eine biographische Petitesse waren, sondern seinen Schaffensdrang spontan hervorriefen und dazu mit einer erotischen Note würzten: Er lernet die persische Dichtung des schon vor vierhundert Jahren verstorbenen Lyrikers Hafis kennen - sein Verleger Cotta schenkte ihm die erste Gesamtübersetzung – und er lernte die aus Oberösterreich stammende Sängerin, Tänzerin und Schauspielerin Marianne von Willemer kennen, die gerade seinen alten Bekannten, den Bankier J.J. Willemer geheiratet hatte, bzw. dieser mit fünf Kindern zweimal Verwitwete sie.
Das Ergebnis dieses Zusammentreffens von Dichtung und jungem Weib wurde dann Goethes lyrisches Alterswerk, der West-östliche Diwan, der 1819 veröffentlicht wurde und von dem man lange nicht wußte, daß die Gedichte der Marianne von Willemer - original oder leicht modifiziert - dem Liebesdialog des „Buches Suleika“ ihre Stimme gaben, besser: ihren Text. Er war Hatem, sie seine Suleika. Das ist das eine, was man in der Ausstellung an den Texten und Briefen direkt nachvollziehen kann, mitsamt den Änderungen, die Goethe durchführte. Daß die nicht immer ein besseres Deutsch, eine flüssigere Lyrik ergeben, ist auch ein erstaunliches Ergebnis, was man mit eigenen Augen sehen kann.
Aber was immer diese auf die Ebene der Poesie reduzierte, bzw. erhöhte Beziehung der beiden wirklich war - bis zum Sommer 1815 persönlich, danach nur noch in Briefen -, zu verfolgen ist auch, wie stringent ein Dichter sein und einer angebeteten Frau Leben in Literatur wandelt. Bei Marianne hat man sogar den Eindruck, daß sie daraus den Trost zieht, daß die gegenseitige literarische Produktion Goethe mehr fesselte, als es lebendige Liebe beider getan hätte.
Ein schwacher Trost für eine Frau von heute, aber doch einer, der zeigt, daß auf diese Weise Marianne von Willemer als Person zusammen mit Goethe in die Nachwelt überlebte. Wie sehr nämlich der 65 jährige Goethe nicht nur sich selber und seine Gefühle für Dichtung instrumentalisierte, das ist hier paradigmatisch nachzuvollziehen. Eigentlich geht er mit der 1814 gerade Dreißigjährigen wie mit einem Stoff um, den er in die Richtung wandelt, wie es ihm, nein, dem Metrum paßt. Vor allem wissen wir von Mariannes Anteil an der Dichtung nicht von ihm. Kein Wort äußerte der Verfasser des Divans – oder Diwans, beide Schreibarten sind zulässig - dazu. Man weiß dies von Hermann Grimm.
Aber die Ausstellung ist viel mehr. Sie ist einmal ein Ausdruck der Zeit, der damaligen Zeit, die schon, wie das übrige 19. Jahrhundert in Fortsetzung , den Orientalismus als Mode für den Westen uns vor Augen führt, mit all den Farben und Formen, den Arabesken und Düften, den Stoffen und Seufzern. Es schwingt darin noch die Hochachtung gegenüber dem Arabischen mit, auch des islamisierten Anteils von Wissen und Hochkultur, wobei sich Kultur eben nicht nur auf Dinge, sondern ebenso auf den Umgang des Menschen mit dem Menschen, hier des Mannes mit der Frau und umgekehrt bezieht. Beide begegnen sich in der Dichtung auf derselben Ebene.
Von Marianne sind aus den Tagen nach ihrer Ankunft in Frankfurt keine Porträts erhalten. Aber dafür entschädigen die Gemälde der anderen, die zeigen, daß es schon biedermeierliche Lebensentwürfe für Frauen sind, die zum Porträt werden. Aber nicht die bornierte Biedermeierlichkeit, die es auch gibt, sondern die musikalische und gesellschaftlich offene, die im Hause Willemer mit Hausmusik gepflegt wurde. Ausdrücklich wird Marianne für ihr gutes Gitarrespiel gelobt, wobei wir meinen, sie müsse zur feinen Guitarre, wie es damals hieß, als Österreicherin Klampfe gesagt haben.
Dünn muß sie gewesen sein, der Tüll eines Kleides legt es nahe, und viele ihrer Siebensächelchen sind hier ausgebreitet erhalten, weil es ein Willemersches Privatarchiv gibt, das reichlich Material spendete. Und in den Vitrinen, die wie ein eckiges Hufeisen im Goethehaus angeordnet sind, gibt es allerliebste Dinge zu erspähen, über die man sich freut, daß damalige Generationen so ‚altmodisches Zeug‘ nicht weggeworfen haben. Selbst die Pantoffeln…aber das ist eine andere Geschichte von und zu Goethe, die Sie sich selbst anschauen sollten.
Bis 23. November
INFO:
Katalog: „Denn das Leben ist die Liebe…“Marianne von Willemer und Goethe im Spiegel des West-östlichen Divans, hrsg. von Hendrik Birus und Anne Bohnenkamp, Freies Deutsches Hochstift – Frankfurter Goethe-Museum, 2014
„Wer in Frankfurt am Main zur Mitte des 18. Jahrhunderts die Sehnsucht nach dem Morgenland packte, der mußte keine weiten Wege gehen. Als der junge Goethe seine ersten literarischen Versuche unternahm, hatte sich der Orient nämlich längst selbst auf den Weg nach Westen gemacht und füllte bereits die hiesigen Wohnstuben, Kabinette, Bibliotheken, Theater und Gären: Kaffee und Tee, Safran und Zimt, Moschus, Ambra und Rosenöl, Porzellan, Teppiche, Seidentapeten, Kaschmir-Schals und Tulpen…“ so hinreißend materialistisch beginnt der erste Beitrag im Katalog von Andrea Polaschegg, denen die anderen Kapitel nicht nachstehen, Zeit und Dichtung einzufangen. Will man die Ausstellung künftig mit sich tragen, ist dieser Katalog ein gutes Rüstzeug.
Das reichhaltige, auch interkulturelle Begleitprogramm entnehmen Sie
www.goethehaus-frankfurt.de