KrimiZEIT-Bestenliste in ZEIT und NordwestRadio für November 2014, Teil 4

 

Elisabeth Römer 

 

Hamburg (Weltexpresso) – Man liest überrascht auf der Rückseite des im November erschienenen Romans CONTROL vom Im Sommer verstorbenen FAZ-HerausgeberFrank Schirrmacher: „Der neue visionäre Thriller vom 'Jules Verne des digitalen Zeitalters'“.

 

Wir stiegen bei diesem Autor erst mit KILL DECICION ein, aber tatsächlich hat Daniel Suarez innerhalb der Sciences Fiction Literatur mit seinen technisch ausgeklügelten Romanen ein neues Genre geschaffen, bwz. bisherige Ansätze beieindruckend fortgesetzt. Dennoch dauerte es bis zur Seite 116, bis bei uns richtiges Interesse fürdiesen Roman auf Platz 10 CONTROL erwachte, als der Wissenschaftler Jon Grady entführt und sein Wissen von einem Quantenspeicher („Ich bin ein Intellekt, der sich durch Qubit-Qutrit-Logikgatter in einem Spintronik-Speicher exprimiert.“, Seite 111) abgeschöpft wird, und er gefragt wird: „Stellen Sie sich vor, Sie machen von Ihrem Heimatort in NewJersey aus eine lange Reise. Diese führt zunächst 10 000 km nach Süden.“..dann „biegen Sie im Neunzig-Grad-Winkel ab und reisen 10 000 km genau nach Westen“...danach geht es erneut weitere 10 000 km „im Neunzig-Grad-Winkel nach Norden“...“ Wie weit sind Sie von Ihrem Ausgangspunkt entfernt?“ und dieser Jon unwillig antwortet: „Ich bin an meinem Ausgangspunkt.“

 

Mit dem Quantenspeicher sind wir der Meinung: „Die meisten Menschen würden das nicht sagen.“ (Seiten114 ff) Wir nämlich haben nicht die nichteuklidische Geometrie angewendet und die Krümmung der Erde in unserem räumlichen Denken intergriert, was für Jon einfach Alltag ist. Was ab da passiert, spottet aller Beschreibung, läßt uns aber am Wissenszuwachs um das menschliche Gehirn teilhaben durch gute Erklärungen wie diejenigen zu den Gliazellen, die die digitalen Neuronen durch einen Komplex von chemisch reagierenden Signalen als Analogcomputer im Hirn bereichern, wo sie als ein struktureller Klebstoff das Gehirn zusammenhalten.

 

Verstehen Sie noch? Jon Grady hat sehr gut verstanden und antwortet empört: „Zur Hölle damit. Ich helfe Euch nicht, Gehirne zu Massenhaltungsvieh zu machen!“ Klar und kernig und verständlich.

 

Er ist in Hibernity gelandet, einem Art Gefängnis für Superintelligente, deren Hirne kopiert werden sollen und übereinandergelagert das Weltwissen erst verfügbar machen. Der Roman nimmt dann aber erst einmal eine rückwärtsgerichtete, sehr sympathische Wendung Jon will nicht mitspielen und erinnert sich, wie seine Mutter auf empfindliche Verletzungen durch die Umwelt reagierte: „Die haben einfach keine Ahnung. Ja, du bist anders, aber gerade deswegen habe ich dich lieb.“ Und diese Erinnerungen bilden die Basis für den Widerstand, den nun Jons Gehirn gegenüber seinen Kopierern leistet.

 

Erfolgreich, wenngleich mit vielen Blessuren und Hoffnung, gibt es in dem Moment, als über ein Hologramm ein indischer Wissenschaftler in seinem Kerker erscheint und ihm vermittelt, daß sie viele sind, die widerständig bleiben und mit ihren extraordinären Intellekten längst analoge und chemische Möglichkeiten der Kommunikation untereinander gefunden haben, die nun all Jon zur Verfügung gestellt werden, Hoffnung auf Rettung. Das ist besonders wichtig, denn als erster und einziger soll Jon aus bestimmten Gründen in die öffentliche Welt zurückkehren. Was da dann alles passiert, bis auf Seite 483 seine Gefährtin, die von der Feindin zur Freundin wird, äußert: „Heilige Scheiße, Coton, Sie haben die Zukunft tatsächlich zurückgestohlen“, sollen Sie selber lesen, weil man auch nur dann viel lernt, Dinge und Verfahren, die einem absolut einleuchtend dargestellt werden. Ach so, natürlich war die CIA beim Komplott dabei.

 

 

 



Die KrimiZEIT-Bestenliste November 2014



 

Lfd.

Nr.

Rang

Vor-monat

Titel

1

1

(3)

Franz Dobler: Ein Bulle im Zug

Tropen, 348 S., 21,95 €

München/DB-Netz. „Jetzt spürte er, wie sich der Sprung in seiner Schüssel bildete.“ Kommissar Fallner hat einen Jungen erschossen. Notwehr? Fallner hat Lücken. Ziellos reist er im Zug durch Filme, Ängste, D-Land. Doblers super instrumentierte Alltagssprachkunst weckt Todes- und Lebensgeister.

2

2

(4)

Liza Cody: Lady Bag

Aus dem Englischen von Laudan & Szelinski

Ariadne im Argument Verlag, 320 S., 17,00 €

London. Lady Bag und Greyhound Elektra sind aufs Überleben konzentriert. Auf der Straße. Bis ihnen der Teufel begegnet, der schon die Lady ins Unglück gestürzt hat. Macht der Egoist jetzt andere Frauen kaputt? Da muss Lady Bag eingreifen. Liza Cody ist wieder da. Scharf, grotesk, bissig wie je. Jubel!

3

3

(-)

James Lee Burke: Regengötter

Aus dem Englischen von Daniel Müller

Heyne, 672 S., 16,99 €

Südwesttexas. Massaker an einer Gruppe von Asiatinnen. Der einzige Zeuge wird gehetzt: von den Mördern, dem FBI, seiner Unschlüssigkeit. Sheriff Holland, Veteran auch er, sucht Frieden. Zuvor heißt es: Aufräumen. Landschaft, Menschen – so kann das nur James Lee Burke.

4

4

(2)

Wolf Haas: Brennerova

Hoffmann&Campe, 240 S., 20,00 €

Wien/Mongolei. Brenner, 19 Jahre Kripo, jetzt privat, hat‘s mit den Frauen. Für Russin Nadeshda soll er die Schwester aus Mädchenhändlerfingern retten, seine Freundin wird derweil in der Mongolei entführt. Brenner tut sein Bestes und hat nichts davon. Kriminal-Elegie auf den letzten Mann, den Detektiv.

5

5

(1)

Orkun Ertener: Lebt

Scherz, 640 S., 19,99 €

Deutschland/Thessaloniki/Istanbul. Bei der Recherche für die Biografie einer Schauspielerin wird Ghostwriter Can Evinman in die Wahngespinste und Verbrechen des 20. Jahrhunderts verwickelt. Geschichtssattes Epos, komplexe Intrige - alles, was Kriminalliteratur kann, in einem starken Debüt.

6

6

(-)

Ian Rankin: Schlafende Hunde

Aus dem Englischen von Conny Lösch

Manhattan, 464 S., 19,99 €

Edinburgh. Ohne John Rebus, erneut im Dienst als Detective Sergeant, geht es nicht. Der Terrier kennt die Fuchsbauten – diesmal die seiner ersten Dienststelle. Melancholischer Abgesang auf die alten Zeiten, die härter, rauer und beschissener waren. Rankin läuft wieder sehr rund.

7

7

(-)

Max Annas: Die Farm

Diaphanes, 192 S., 16,95 €

Eastern Cape, Südafrika. Von 17.32 bis 2.49 Uhr am folgenden Morgen dauert der Beschuss der Farm von Franz Muller. „Ich bin ja kein Rassist.“ Ein Satz, so sinnvoll wie jeder Schuss, der in dieser Nacht abgefeuert wird. Wer war’s? Warum? Blöde Fragen. Nacktes, kaltes Noir, dieses Debüt.

8

8

(5)

Nic Pizzolatto: Galveston

Aus dem Englischen von Simone Salitter und Gunter Blank

Walde und Graf bei Metrolit, 254 S., 20,00 €

New Orleans/Galveston. In seinem Debütroman entpuppt sich der Autor der Kultserie „True Detective“ als romantische Seele. Killer Roy Cady hat Lungenkrebs und einen mordgierigen Boss am Hals. Null Chance. Ein Mörder mit Gewissen und Luftnot.

9

9

(-)

 

 

Oliver Harris: London Underground

Aus dem Englischen von Gunnar Kwisinski

Blessing, 448 S., 19,99 €

London. DC Belseys Pech: Anomalien wecken seine Neugier. Unvermittelt ist ein Raser von der Bildfläche verschwunden. Belsey forscht in verborgenen unterirdischen Bunkern, gerät in Beton gewordene Paranoia des Kalten Kriegs. Der perfekte intelligente Thriller. Harris, Oliver: gehört auf den Merkzettel.

10

10

(-)

 

Daniel Suarez: Control

Aus dem Englischen von Cornelia Holfelder-von der Tann

rororo, 496 S., 19,99 €

Detroit/Die Welt. Eine Geheimbehörde zur Kontrolle des Fortschritts hat mit gekaperter Zukunftstechnologie eine megaüberlegene Parallelwelt installiert. Gelingt es ihrem größenwahnsinnigen Chef, die ebenfalls gekaperten Erfindergenies zu domestizieren? Suarez: geradlinig und erschreckend.

 

 

 

INFO I :

 

Die monatlich erscheinende Krimi-Bestenliste existiert seit März 2005, als sie erstmals auf der Leipziger Buchmesse, damals noch als KrimiWelt-Bestenliste vorgestellt wurde. Von März 2011 an wird sie regelmäßig an jedem ersten Donnerstag des Monats in der Wochenzeitung DIE ZEIT als KrimiZEIT-Bestenliste veröffentlicht.

 

Vorgestellt wurde die KrimiZeit-JahresBestenliste

- im NordwestRadio am Donnerstag, den 6. November 2014 mit Tobias Gohlis gegen 9.20 Uhr sowie später in den Sendungen der Buchpilotennachzuhören unter http://www.radiobremen.de/nordwestradio/serien/krimizeit/index.html -

in der Wochenzeitung DIE ZEIT am 6. November 2014 und unter www.zeit.de/krimizeit-bestenliste

 

 

Monatlich wählen neunzehn auf Kriminalliteratur spezialisierte Literaturkritiker aus Deutschland, Österreich und der Schweiz aus der Masse der Neuerscheinungen die zehn Titel aus, denen sie viele Leser wünschen. Das Beste vom Besten: Immerhin erscheinen übers Jahr verteilt inzwischen über 1800 Kriminalromane auf Deutsch. An jedem ersten Donnerstag im Monat geben Literaturkritiker und Krimispezialisten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz die Kriminalromane bekannt, die ihnen am besten gefallen haben. Sie halten nach dem literarisch interessanten, thematisch ausgefallenen, besonderen Kriminalroman Ausschau. Die besten Zehn werden mit Bibliographie und Kurzbeschreibung hier veröffentlicht.

 

 

Die Jury der KrimiZEIT-Bestenliste auf dem aktuellen Stand:

 

Tobias Gohlis, Kolumnist DIE ZEIT, DeKrPr*, Moderator und Jury- Sprecher der Krimiwelt

Volker Albers, Hamburger Abendblatt, DeKrPr*

Andreas Ammer, „Druckfrisch“, Dlf, BR, DeKrPr*

Gunter Blank, Sonntagszeitung Zürich

Thekla Dannenberg, Perlentaucher

Fritz Göttler, Süddeutsche Zeitung

Michaela Grom, SWR

Hannes Hintermeier, Frankfurter Allgemeine Zeitung

Lore Kleinert, Radio Bremen

Elmar Krekeler, Die Welt

Kolja Mensing, Dradio Kultur

Ulrich Noller, Deutsche Welle, WDR, DeKrPr*

Jan Christian Schmidt, www.Kaliber 38.de, DeKrPr*

Margarete v. Schwarzkopf, Freie Literaturkritikerin

Ingeborg Sperl, Der Standard - Wien

Sylvia Staude, Frankfurter Rundschau, DeKrPr*

Jochen Vogt, NRZ, WAZ

Hendrik Werner, Weser-Kurier

Thomas Wörtche, Plärrer, culturmag, Dradio Kultur, Penser Pulp bei Diaphanes, DeKrPr*

 

In der Regel kommentieren wir die von der Jury neu plazierten Krimis. Alle weiteren plazierten Krimis der Vormonate entnehmen Sie bitte unseren Krimi-Besprechungen in den vormonatlichen Artikeln, die Sie in der RUBRIK BÜCHER auf dem Titel oder unter dem Autorennamen im Archiv finden. Das Prozedere der Platzverteilung ist ganz einfach. Dreimal darf ein Kritiker aus der Jury einen Roman benennen. Wenn das gut verteilt ist, kann ein Buch einige Monate überwintern, dann hat es nur noch die Chance, in der Jahresbestenliste wieder aufzutauchen, die jeweils Ende Dezember herauskommt und die wir für 2013 ebenfalls kommentierten.

 

JahresBestenliste 2013

http://weltexpresso.tj87.de/index.php/buecher/2343-leichendieb-der-brasilianerin-patricia-melo-von-tropen-bei-klett-cotta-auf-platz-1

 

 

INFO II :

 

Am 23. Juni teilte der Jurysprecher Tobias Gohlis mit:

 

Hannes Hintermeier (FAZ) und Elmar Krekeler (WELT) neu in der Jury der KrimiZEIT-Bestenliste

 

 

Seit Juni 2104 verstärken Hannes Hintermeier, Redakteur im Feuilleton der F.A.Z., und Elmar Krekeler, stellvertretender Feuilletonchef der WELT-Gruppe, die Jury der KrimiZEIT-Bestenliste.

 

Die Jury, die monatlich die zehn besten Kriminalromane aus der Fülle der Neuerscheinungen auswählt, besteht damit aus 19 Kritikerinnen und Kritikern, die in Deutschland, Österreich und der Schweiz veröffentlichen.

 

Hannes Hintermeier, Jahrgang 1961, hat Anglistik und Germanistik an der Ludwig-Maximilians-Universität München studiert. Nach dem Staatsexamen 1988 absolvierte er die Deutsche Journalistenschule in München. 1990 bis 1996 war Hintermeier Literaturredakteur bei der AZ, dann in der Kulturredaktion der „Die Woche“ tätig. Seit 2001 ist er im Feuilleton der F.A.Z. Stellvertreter des Ressortleiters, aktuell Redakteur für „Neue Sachbücher“.

 

Seit Frühjahr 2014 betreut er mit weiteren Kollegen die FAZ-Krimi-Seite, die alle fünf Wochen versucht, „mit ausgewählten Beispielen der ganzen Bandbreite des Genres gerecht zu werden“.

 

Hannes Hintermeier über zwanzig Jahre Krimi-Erfahrung: "Am Krimi fasziniert mich die ungeheure Entwicklung, die das Genre in den letzten zwanzig Jahren weltweit gemacht hat. Der Krimi vereint einen Gegensatz, indem er gleichzeitig immer lokaler und universeller geworden ist. Ärgerlich finde ich manches buchindustrielle Kopier-Verhalten - merke: Erst wenn der letzte Serienmörder gefasst ist, werdet ihr merken, dass man

Hannibal Lecter nicht toppen kann."

 

Elmar Krekeler, geboren 1963, kam nach einem Studium der Musikwissenschaft 1989 als Redakteur ins Feuilleton der WELT, wo er sich zunächst der klassischen Musik widmete, bis er 1994 Literaturredakteur wurde. Von 2001 bis 2011 leitete er die „Literarische Welt“, wo er von 2005 bis 2010 mit verantwortlich für den Vorgänger KrimiWelt-Bestenliste war.

Seit 2012 schreibt er wöchentlich die Krimi-Kolumne „Krekeler killt“. Krekeler wurde 2004 mit dem Alfred-Kerr-Preis für Literaturkritik ausgezeichnet und ist derzeit stellvertretender Feuilletonchef der WELT-Gruppe.

 

Krimis umgeben ihn von Kindesbeinen an. Elmar Krekeler: „Mein Vater war ein geradezu manischer Krimi-Sammler. Wir hatten u.a. die Gesamtausgaben von Agatha Christie, Victor Gunn, Arthur W. Upfield und Edgar Wallace im Regal stehen. Meine mittlere Jugend bestand aus roten Goldmann-Krimis, die schleichend die "Fünf-Freunde"- und ???-Ära ablösten.“

 

 

Ich freue mich, dass diese beiden renommierten Literaturkritiker und Feuilletonisten die monatliche Suche der KrimiZEIT-Bestenlisten-Jury nach dem intellektuell anregenden, spannenden und literarisch reizvollen Kriminalroman unterstützen. Gute Kriminalliteratur ist für das Verständnis und die Gestaltung unserer schwer durchschaubaren Welt von existenzieller wie ästhetischer Bedeutung.

 

 

Franz Dobler im Weltexpresso

 

http://weltexpresso.tj87.de/index.php/buecher/3711-im-gespraech-mit-franz-dobler-ueber-der-bulle-im-zug

http://weltexpresso.tj87.de/index.php/buecher/3712-noch-immer-im-gespraech-mit-franz-dobler-ueber-der-bulle-im-zug

 



 

 

 

Daniel Suarez, Control, rororo, neu auf Platz 10

KrimiZEIT-Bestenliste in ZEIT und NordwestRadio für November 2014, Teil 4

 

Elisabeth Römer 

 

Hamburg (Weltexpresso) – Man liest überrascht auf der Rückseite des im November erschienenen Romans CONTROL vom Im Sommer verstorbenen FAZ-HerausgeberFrank Schirrmacher: „Der neue visionäre Thriller vom 'Jules Verne des digitalen Zeitalters'“.

 

Wir stiegen bei diesem Autor erst mit KILL DECICION ein, aber tatsächlich hat Daniel Suarez innerhalb der Sciences Fiction Literatur mit seinen technisch ausgeklügelten Romanen ein neues Genre geschaffen, bwz. bisherige Ansätze beieindruckend fortgesetzt. Dennoch dauerte es bis zur Seite 116, bis bei uns richtiges Interesse fürdiesen Roman auf Platz 10 CONTROL erwachte, als der Wissenschaftler Jon Grady entführt und sein Wissen von einem Quantenspeicher („Ich bin ein Intellekt, der sich durch Qubit-Qutrit-Logikgatter in einem Spintronik-Speicher exprimiert.“, Seite 111) abgeschöpft wird, und er gefragt wird: „Stellen Sie sich vor, Sie machen von Ihrem Heimatort in NewJersey aus eine lange Reise. Diese führt zunächst 10 000 km nach Süden.“..dann „biegen Sie im Neunzig-Grad-Winkel ab und reisen 10 000 km genau nach Westen“...danach geht es erneut weitere 10 000 km „im Neunzig-Grad-Winkel nach Norden“...“ Wie weit sind Sie von Ihrem Ausgangspunkt entfernt?“ und dieser Jon unwillig antwortet: „Ich bin an meinem Ausgangspunkt.“

 

Mit dem Quantenspeicher sind wir der Meinung: „Die meisten Menschen würden das nicht sagen.“ (Seiten114 ff) Wir nämlich haben nicht die nichteuklidische Geometrie angewendet und die Krümmung der Erde in unserem räumlichen Denken intergriert, was für Jon einfach Alltag ist. Was ab da passiert, spottet aller Beschreibung, läßt uns aber am Wissenszuwachs um das menschliche Gehirn teilhaben durch gute Erklärungen wie diejenigen zu den Gliazellen, die die digitalen Neuronen durch einen Komplex von chemisch reagierenden Signalen als Analogcomputer im Hirn bereichern, wo sie als ein struktureller Klebstoff das Gehirn zusammenhalten.

 

Verstehen Sie noch? Jon Grady hat sehr gut verstanden und antwortet empört: „Zur Hölle damit. Ich helfe Euch nicht, Gehirne zu Massenhaltungsvieh zu machen!“ Klar und kernig und verständlich.

 

Er ist in Hibernity gelandet, einem Art Gefängnis für Superintelligente, deren Hirne kopiert werden sollen und übereinandergelagert das Weltwissen erst verfügbar machen. Der Roman nimmt dann aber erst einmal eine rückwärtsgerichtete, sehr sympathische Wendung Jon will nicht mitspielen und erinnert sich, wie seine Mutter auf empfindliche Verletzungen durch die Umwelt reagierte: „Die haben einfach keine Ahnung. Ja, du bist anders, aber gerade deswegen habe ich dich lieb.“ Und diese Erinnerungen bilden die Basis für den Widerstand, den nun Jons Gehirn gegenüber seinen Kopierern leistet.

 

Erfolgreich, wenngleich mit vielen Blessuren und Hoffnung, gibt es in dem Moment, als über ein Hologramm ein indischer Wissenschaftler in seinem Kerker erscheint und ihm vermittelt, daß sie viele sind, die widerständig bleiben und mit ihren extraordinären Intellekten längst analoge und chemische Möglichkeiten der Kommunikation untereinander gefunden haben, die nun all Jon zur Verfügung gestellt werden, Hoffnung auf Rettung. Das ist besonders wichtig, denn als erster und einziger soll Jon aus bestimmten Gründen in die öffentliche Welt zurückkehren. Was da dann alles passiert, bis auf Seite 483 seine Gefährtin, die von der Feindin zur Freundin wird, äußert: „Heilige Scheiße, Coton, Sie haben die Zukunft tatsächlich zurückgestohlen“, sollen Sie selber lesen, weil man auch nur dann viel lernt, Dinge und Verfahren, die einem absolut einleuchtend dargestellt werden. Ach so, natürlich war die CIA beim Komplott dabei.

 

 

 



Die KrimiZEIT-Bestenliste November 2014



 

Lfd.

Nr.

Rang

Vor-monat

Titel

1

1

(3)

Franz Dobler: Ein Bulle im Zug

Tropen, 348 S., 21,95 €

München/DB-Netz. „Jetzt spürte er, wie sich der Sprung in seiner Schüssel bildete.“ Kommissar Fallner hat einen Jungen erschossen. Notwehr? Fallner hat Lücken. Ziellos reist er im Zug durch Filme, Ängste, D-Land. Doblers super instrumentierte Alltagssprachkunst weckt Todes- und Lebensgeister.

2

2

(4)

Liza Cody: Lady Bag

Aus dem Englischen von Laudan & Szelinski

Ariadne im Argument Verlag, 320 S., 17,00 €

London. Lady Bag und Greyhound Elektra sind aufs Überleben konzentriert. Auf der Straße. Bis ihnen der Teufel begegnet, der schon die Lady ins Unglück gestürzt hat. Macht der Egoist jetzt andere Frauen kaputt? Da muss Lady Bag eingreifen. Liza Cody ist wieder da. Scharf, grotesk, bissig wie je. Jubel!

3

3

(-)

James Lee Burke: Regengötter

Aus dem Englischen von Daniel Müller

Heyne, 672 S., 16,99 €

Südwesttexas. Massaker an einer Gruppe von Asiatinnen. Der einzige Zeuge wird gehetzt: von den Mördern, dem FBI, seiner Unschlüssigkeit. Sheriff Holland, Veteran auch er, sucht Frieden. Zuvor heißt es: Aufräumen. Landschaft, Menschen – so kann das nur James Lee Burke.

4

4

(2)

Wolf Haas: Brennerova

Hoffmann&Campe, 240 S., 20,00 €

Wien/Mongolei. Brenner, 19 Jahre Kripo, jetzt privat, hat‘s mit den Frauen. Für Russin Nadeshda soll er die Schwester aus Mädchenhändlerfingern retten, seine Freundin wird derweil in der Mongolei entführt. Brenner tut sein Bestes und hat nichts davon. Kriminal-Elegie auf den letzten Mann, den Detektiv.

5

5

(1)

Orkun Ertener: Lebt

Scherz, 640 S., 19,99 €

Deutschland/Thessaloniki/Istanbul. Bei der Recherche für die Biografie einer Schauspielerin wird Ghostwriter Can Evinman in die Wahngespinste und Verbrechen des 20. Jahrhunderts verwickelt. Geschichtssattes Epos, komplexe Intrige - alles, was Kriminalliteratur kann, in einem starken Debüt.

6

6

(-)

Ian Rankin: Schlafende Hunde

Aus dem Englischen von Conny Lösch

Manhattan, 464 S., 19,99 €

Edinburgh. Ohne John Rebus, erneut im Dienst als Detective Sergeant, geht es nicht. Der Terrier kennt die Fuchsbauten – diesmal die seiner ersten Dienststelle. Melancholischer Abgesang auf die alten Zeiten, die härter, rauer und beschissener waren. Rankin läuft wieder sehr rund.

7

7

(-)

Max Annas: Die Farm

Diaphanes, 192 S., 16,95 €

Eastern Cape, Südafrika. Von 17.32 bis 2.49 Uhr am folgenden Morgen dauert der Beschuss der Farm von Franz Muller. „Ich bin ja kein Rassist.“ Ein Satz, so sinnvoll wie jeder Schuss, der in dieser Nacht abgefeuert wird. Wer war’s? Warum? Blöde Fragen. Nacktes, kaltes Noir, dieses Debüt.

8

8

(5)

Nic Pizzolatto: Galveston

Aus dem Englischen von Simone Salitter und Gunter Blank

Walde und Graf bei Metrolit, 254 S., 20,00 €

New Orleans/Galveston. In seinem Debütroman entpuppt sich der Autor der Kultserie „True Detective“ als romantische Seele. Killer Roy Cady hat Lungenkrebs und einen mordgierigen Boss am Hals. Null Chance. Ein Mörder mit Gewissen und Luftnot.

9

9

(-)

 

 

Oliver Harris: London Underground

Aus dem Englischen von Gunnar Kwisinski

Blessing, 448 S., 19,99 €

London. DC Belseys Pech: Anomalien wecken seine Neugier. Unvermittelt ist ein Raser von der Bildfläche verschwunden. Belsey forscht in verborgenen unterirdischen Bunkern, gerät in Beton gewordene Paranoia des Kalten Kriegs. Der perfekte intelligente Thriller. Harris, Oliver: gehört auf den Merkzettel.

10

10

(-)

 

Daniel Suarez: Control

Aus dem Englischen von Cornelia Holfelder-von der Tann

rororo, 496 S., 19,99 €

Detroit/Die Welt. Eine Geheimbehörde zur Kontrolle des Fortschritts hat mit gekaperter Zukunftstechnologie eine megaüberlegene Parallelwelt installiert. Gelingt es ihrem größenwahnsinnigen Chef, die ebenfalls gekaperten Erfindergenies zu domestizieren? Suarez: geradlinig und erschreckend.

 

 

 

INFO I :

 

Die monatlich erscheinende Krimi-Bestenliste existiert seit März 2005, als sie erstmals auf der Leipziger Buchmesse, damals noch als KrimiWelt-Bestenliste vorgestellt wurde. Von März 2011 an wird sie regelmäßig an jedem ersten Donnerstag des Monats in der Wochenzeitung DIE ZEIT als KrimiZEIT-Bestenliste veröffentlicht.

 

Vorgestellt wurde die KrimiZeit-JahresBestenliste

- im NordwestRadio am Donnerstag, den 6. November 2014 mit Tobias Gohlis gegen 9.20 Uhr sowie später in den Sendungen der Buchpilotennachzuhören unter http://www.radiobremen.de/nordwestradio/serien/krimizeit/index.html -

in der Wochenzeitung DIE ZEIT am 6. November 2014 und unter www.zeit.de/krimizeit-bestenliste

 

 

Monatlich wählen neunzehn auf Kriminalliteratur spezialisierte Literaturkritiker aus Deutschland, Österreich und der Schweiz aus der Masse der Neuerscheinungen die zehn Titel aus, denen sie viele Leser wünschen. Das Beste vom Besten: Immerhin erscheinen übers Jahr verteilt inzwischen über 1800 Kriminalromane auf Deutsch. An jedem ersten Donnerstag im Monat geben Literaturkritiker und Krimispezialisten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz die Kriminalromane bekannt, die ihnen am besten gefallen haben. Sie halten nach dem literarisch interessanten, thematisch ausgefallenen, besonderen Kriminalroman Ausschau. Die besten Zehn werden mit Bibliographie und Kurzbeschreibung hier veröffentlicht.

 

 

Die Jury der KrimiZEIT-Bestenliste auf dem aktuellen Stand:

 

Tobias Gohlis, Kolumnist DIE ZEIT, DeKrPr*, Moderator und Jury- Sprecher der Krimiwelt

Volker Albers, Hamburger Abendblatt, DeKrPr*

Andreas Ammer, „Druckfrisch“, Dlf, BR, DeKrPr*

Gunter Blank, Sonntagszeitung Zürich

Thekla Dannenberg, Perlentaucher

Fritz Göttler, Süddeutsche Zeitung

Michaela Grom, SWR

Hannes Hintermeier, Frankfurter Allgemeine Zeitung

Lore Kleinert, Radio Bremen

Elmar Krekeler, Die Welt

Kolja Mensing, Dradio Kultur

Ulrich Noller, Deutsche Welle, WDR, DeKrPr*

Jan Christian Schmidt, www.Kaliber 38.de, DeKrPr*

Margarete v. Schwarzkopf, Freie Literaturkritikerin

Ingeborg Sperl, Der Standard - Wien

Sylvia Staude, Frankfurter Rundschau, DeKrPr*

Jochen Vogt, NRZ, WAZ

Hendrik Werner, Weser-Kurier

Thomas Wörtche, Plärrer, culturmag, Dradio Kultur, Penser Pulp bei Diaphanes, DeKrPr*

 

In der Regel kommentieren wir die von der Jury neu plazierten Krimis. Alle weiteren plazierten Krimis der Vormonate entnehmen Sie bitte unseren Krimi-Besprechungen in den vormonatlichen Artikeln, die Sie in der RUBRIK BÜCHER auf dem Titel oder unter dem Autorennamen im Archiv finden. Das Prozedere der Platzverteilung ist ganz einfach. Dreimal darf ein Kritiker aus der Jury einen Roman benennen. Wenn das gut verteilt ist, kann ein Buch einige Monate überwintern, dann hat es nur noch die Chance, in der Jahresbestenliste wieder aufzutauchen, die jeweils Ende Dezember herauskommt und die wir für 2013 ebenfalls kommentierten.

 

JahresBestenliste 2013

http://weltexpresso.tj87.de/index.php/buecher/2343-leichendieb-der-brasilianerin-patricia-melo-von-tropen-bei-klett-cotta-auf-platz-1

 

 

INFO II :

 

Am 23. Juni teilte der Jurysprecher Tobias Gohlis mit:

 

Hannes Hintermeier (FAZ) und Elmar Krekeler (WELT) neu in der Jury der KrimiZEIT-Bestenliste

 

 

Seit Juni 2104 verstärken Hannes Hintermeier, Redakteur im Feuilleton der F.A.Z., und Elmar Krekeler, stellvertretender Feuilletonchef der WELT-Gruppe, die Jury der KrimiZEIT-Bestenliste.

 

Die Jury, die monatlich die zehn besten Kriminalromane aus der Fülle der Neuerscheinungen auswählt, besteht damit aus 19 Kritikerinnen und Kritikern, die in Deutschland, Österreich und der Schweiz veröffentlichen.

 

Hannes Hintermeier, Jahrgang 1961, hat Anglistik und Germanistik an der Ludwig-Maximilians-Universität München studiert. Nach dem Staatsexamen 1988 absolvierte er die Deutsche Journalistenschule in München. 1990 bis 1996 war Hintermeier Literaturredakteur bei der AZ, dann in der Kulturredaktion der „Die Woche“ tätig. Seit 2001 ist er im Feuilleton der F.A.Z. Stellvertreter des Ressortleiters, aktuell Redakteur für „Neue Sachbücher“.

 

Seit Frühjahr 2014 betreut er mit weiteren Kollegen die FAZ-Krimi-Seite, die alle fünf Wochen versucht, „mit ausgewählten Beispielen der ganzen Bandbreite des Genres gerecht zu werden“.

 

Hannes Hintermeier über zwanzig Jahre Krimi-Erfahrung: "Am Krimi fasziniert mich die ungeheure Entwicklung, die das Genre in den letzten zwanzig Jahren weltweit gemacht hat. Der Krimi vereint einen Gegensatz, indem er gleichzeitig immer lokaler und universeller geworden ist. Ärgerlich finde ich manches buchindustrielle Kopier-Verhalten - merke: Erst wenn der letzte Serienmörder gefasst ist, werdet ihr merken, dass man

Hannibal Lecter nicht toppen kann."

 

Elmar Krekeler, geboren 1963, kam nach einem Studium der Musikwissenschaft 1989 als Redakteur ins Feuilleton der WELT, wo er sich zunächst der klassischen Musik widmete, bis er 1994 Literaturredakteur wurde. Von 2001 bis 2011 leitete er die „Literarische Welt“, wo er von 2005 bis 2010 mit verantwortlich für den Vorgänger KrimiWelt-Bestenliste war.

Seit 2012 schreibt er wöchentlich die Krimi-Kolumne „Krekeler killt“. Krekeler wurde 2004 mit dem Alfred-Kerr-Preis für Literaturkritik ausgezeichnet und ist derzeit stellvertretender Feuilletonchef der WELT-Gruppe.

 

Krimis umgeben ihn von Kindesbeinen an. Elmar Krekeler: „Mein Vater war ein geradezu manischer Krimi-Sammler. Wir hatten u.a. die Gesamtausgaben von Agatha Christie, Victor Gunn, Arthur W. Upfield und Edgar Wallace im Regal stehen. Meine mittlere Jugend bestand aus roten Goldmann-Krimis, die schleichend die "Fünf-Freunde"- und ???-Ära ablösten.“

 

 

Ich freue mich, dass diese beiden renommierten Literaturkritiker und Feuilletonisten die monatliche Suche der KrimiZEIT-Bestenlisten-Jury nach dem intellektuell anregenden, spannenden und literarisch reizvollen Kriminalroman unterstützen. Gute Kriminalliteratur ist für das Verständnis und die Gestaltung unserer schwer durchschaubaren Welt von existenzieller wie ästhetischer Bedeutung.

 

 

Franz Dobler im Weltexpresso

 

http://weltexpresso.tj87.de/index.php/buecher/3711-im-gespraech-mit-franz-dobler-ueber-der-bulle-im-zug

http://weltexpresso.tj87.de/index.php/buecher/3712-noch-immer-im-gespraech-mit-franz-dobler-ueber-der-bulle-im-zug