Schönstes deutsches Buch, ausgezeichnet mit dem diesjährigen »Preis der Stiftung Buchkunst« im Museum Angewandter Kunst in Frankfurt, Teil 2

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Irgendwie ungerecht, nur den Blick auf das allerschönste Buch des Jahres zu richten – und die Stiftung Buchkunst macht das auch nicht. Denn, auch wenn die Preisübergabe an den Hauptsieger immer Höhepunkt genannt werden mag, so ist die Freude der 24 anderen Ausgezeichneten nicht weniger. Und wer wird ausgezeichnet?

 

Wir sprechen jetzt nicht von den Büchern. Die kommen noch. Uns interessieren die Macher. Denn es geht nicht um die Autoren, so viel ist schon klar. Es geht nicht um den Deutschen Buchpreis, wo der inhaltlich überzeugendste Roman prämiert werden soll, was wir immer mit dem Autor gleichsetzen, und es geht auch nicht um den Nobelpreis für einen Autor. Sondern der Preis gilt fürs Handwerk sozusagen, für die Machart, für das, was man als Produkt in der Hand hält, worüber die Finger streichen und streicheln. Wie war das seltsam und mit leichter Gänsehaut verbunden, als ich das erste mal über einen Samtumschlag strich. Das war ausgerechnet Wagner. Die Götterdämmerung. Und natürlich ist das ein Eindruck fürs Leben. Erinnerung eben. Aber auch an andere Bücher kann ich mich der haptischen Empfindungen wegen erinnern.

 

Aber auch das ist längst nicht alles. Es gibt Bücher, die gehen einem wegen der Illustrationen nicht aus dem Sinn, es kann aber auch einfach die Schrift sein, die einem gefällt und deretwegen man in einem Buch weiterblättert. Mir beispielsweise sind immer die meist leeren Titelvorblätter ein Anlaß zum Überlegen, weil ich da was hineinphantasiere. So finde ich beispielsweise, daß in jedem Buch, in dem gereist wird oder Orte eine wichtige Rolle spielen, auch eine Landkarte vermerkt sein müßte, was viel zu selten geschieht, so als ob es nur bei geographischen Büchern auch um Geographie ginge.

 

Weil es ums Machen geht, schicken wir der Preisverleihung eine Zusammenstellung von Berufen derjenigen voraus, die aus den Verlagen des jeweiligen Buches auf dem Podium den Preis für eines der 25 schönsten Bücher entgegennahmen: Illustratoren, Gestalter, Setzer, Drucker und Buchbinder, Verleger, Herausgeber, Hersteller, Umschlagsgestalter, Lithografen und Bildbearbeiter, Schutzumschlaggestalter...und das war längst nicht alles. Da war nur das Papier zum Aufschreiben zu Ende. Denn die außerordentliche berufliche Vielfalt der Personen, die mit dem Büchermachen beschäftigt sind, fiel uns erst auf, als der größte Teil schon auf die Bühne gesprungen war und sich mit dem Zertifikat in der Hand bedankte. Das machten die Damen Schmidt-Fridrichs und Hesse lieb und locker, nur die Zwangsküsserei Ersterer lag so mancher und manchem nicht. Das sollte man ändern.

 

Wie in jedem der drei letzten Jahre hatte Katharina Hesse für die Stiftung erst einmal den Hausherrn begrüßt, Museumsleiter Matthias Wagner K, der gleich zum „Aufstand“ des guten Buches beglückwünschte, nämlich zum „Aufstand der guten Form“, was anhaltenden Beifall brachte. Und zwar auch deshalb, weil er deutlich anmerkte, daß es nun an uns sei, nämlich, ob und daß wir uns dem derart Hergestellten würdig erweisen müßten.

 

Der Kulturdezernent der Stadt Frankfurt fühlt sich sichtlich wohl in dieser Veranstaltung. Vielleicht, weil er angesichts der in seinem Rücken mit der Titelseite nach vorne in schmalen Regalen präsentierten 25 Büchern sich in einer Buchhandlung wähnte. Er wußte von einer Umfrage zu berichten, die uns völlig neu war, die wir aber gerne weitergeben: So seien Deutschlands Buchhandlungen die Wohlfühlorte Nummero Eins. Das hat diese herrliche Aktion VORSICHT BUCH! herausgefunden, der wir aufs Wort glauben. Diese sagt auch: „4 782 Buchhandlungen. Such Dir eine aus.“ Und launig wunderte sich Semmelroth, daß nicht die „Muckibude“ diesen ersten Platz einnimmt, ja auch erst mal warten muß, denn der zweitbeliebteste Ort ist der Blumenladen. Aha. Und der dritte dann das Bekleidungsgeschäft. Ab da wollten wir das nicht mehr weiter wissen.

 

Dann ergriff die Vorstandsvorsitzende der Stiftung Buchkunst, Karin Schmidt-Fridrichs das Wort, das sie auch die Preisübergaben hinweg behielt. Sie nahm es locker auf mit den, die Kinder vom Lesen ablenkenden iPads und sonstigem technischem Zeug, dem jedes gut gemachte Kinderbuch den Rang abläuft, drückt man es Kindern nur fest in die Hand. Sagen wir. Die 25 schönsten Bücher kommen zustande, weil es um je fünf Kategorien geht, in der jeweils die fünf schönsten Bücher in die Auswahl kommen. Das sind jedes Jahr: Literatur, Sachbuch, Ratgeber, Kunst und Foto, Kinder- und Jugendbücher. Und aus denen heraus wird dann das Schönste prämiert. Und weil wir die alle so wichtig finden, werden die Bücher im Anschlußartikel im Detail benannt.

 

Zur Laudatio von Felicitas Lovenberg, die als Nachfolgerin sozusagen den Stuhl des Marcel Reich-Ranicki besetzt, als Chefin der Literatur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) waren wir schon nicht mehr da, sondern auf dem Weg zur auf der anderen Mainseite vorgenommenen wichtigen Buchvorstellung über die Kindergräber im Dom, die 1992 aufgefunden wurden und von 700 n.Chr. rühren – Frankfurt ist nicht umsonst die Stadt der Bücher, der Buchmesse, und war auch die der Verlage. Sicher war ihre Rede gut und die Preisübergabe an Christian Döring, dem Herausgeber der Anderen Bibliothek, die Michael Glawoggers Buch “69 Hotelzimmer“ sicher bewegend. Denn gleich zweierlei ist dabei bemerkenswert. Michael Glawogger, den wir kennenlernen durften, ist ein österreichische Filmemacher, Drehbuchautor, Kameramann, der auf der Leinwand mit einer ganz eigenen Filmsprache sprechen konnte.

 

Der 1959 Geborene starb am 23. April 2014 in Monrovia, Liberia während der Dreharbeiten an Malaria. Das war gerade sein letzter Filmbeitrag in aller Munde. Für KATHEDRALEN DER KULTUR hatte er 2013 im Wim Wenders Film den Beitrag über die Bibliothek von Sankt Petersburg verfaßt, der unter die Haut ging. Daß sein Buch nun posthum auch der Schönheit wegen ausgezeichnet wird, geht auch unter die Haut. Auch bemerkenswert, daß die Andere Bibliothek, die heuer ihr 30jähriges Jubiläum feiert, zum ersten Mal als schönstes Buch ausgezeichnet wird. Dabei ist diese bibliophile Buchreihe einst ihrer schönen Form wegen von Hans Magnus Enzensberger und Franz Greno als Gestalter 1985 gegründet worden. Doch das ist eine andere Geschichte, die wir ein andermal erzählen. Fortsetzung folgt.

 

P.S.

Gleichzeitig feierte an diesem Abend der Katalog der »Schönsten deutschen Bücher 2015« Premiere, den in diesem Jahr die Agentur Herburg Weiland aus München gestaltet hat und den wir noch gesondert vorstellen wollen.

 

 

Info zum Wettbewerb

 

Um die Zukunft des Buches zu sichern braucht es neben klassischen auch innovative Buchkonzepte. 148 kreative Buchideen traten im Wettbewerb um den »Förderpreis für junge Buchgestaltung« lassen. Die drei Sieger freuen sich über je 2.000 Euro. an, die das Buch von morgen erahnen 2015 konkurrierten 756 eingesandte Titel um die Auszeichnung »Schönste deutsche Bücher«.

 

Zwei Expertenjurys wählten die 25 Schönsten in einem aufwändigen Verfahren aus. Im Rahmen der Preisverleihung wurden auch die Macher dieser 25 Schönsten, die bereits im Mai gewählt wurden, gefeiert und gewürdigt.

 

Zum Wettbewerb »Schönste deutsche Bücher« zugelassen sind Bücher aus deutschen Verlagen, sowie Bücher aus ausländischen Verlagen, sofern die technische Produktion ausschließlich in Deutschland erfolgte. Prämiert wurden je fünf Bücher in fünf Kategorien: Allgemeine Literatur/ Wissenschaftliche Bücher, Schul- und Lehrbücher, Sachbücher/ Ratgeber / Kunst- und Fotobücher, Ausstellungskataloge/ Kinder- und Jugendbücher. Aus den 25 schönsten Büchern wählt eine Sonderjury anschließend das schönste Buch des Jahres, das den »Preis der Stiftung Buchkunst« erhält.

 

Alle Preisgelder wurden gestiftet von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien. Die prämierten Bücher werden ab sofort auf große Wanderausstellung gehen und an vielen Orten im In- und Ausland zu sehen sein. Den Start machen z.B. die Hamburger Bücherhallen (Vernissage am 08.09.2015) oder die »Tÿpo St. Gallen« in der Schweiz (14. - 26.09.2015). Erstmalig wird die Kollektion der 25 Schönsten dieses Jahr im Literaturhaus Frankfurt, dem neuen Kooperationspartner der Stiftung Buchkunst, präsentiert. Die Eröffnung der dortigen Dauerausstellung und Einweihung der Bücherschau wird am 21.09.2015, um 18:00 Uhr stattfinden.

 

www.stiftung-buchkunst.de