67. Frankfurter Buchmesse vom 14. bis 18. Oktober, Eröffnungspressekonferenz Teil 1

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Manchmal werden Ereignisse und Veranstaltungen auch auf den vorgeschalteten Pressekonferenzen eröffnet. Das galt für die 67. Frankfurter Buchmesse, auf der Salman Rushdie – von einer Schar von Sicherheitskräften eindrucksvoll bewacht – deutliche Worte für die Freiheit des Wortes fand: „Die Kunst ist stark, der Künstler ist schwach.“

 

Man versteht diesen Satz sofort und auch die Implikationen, die er bedeutet. Immer wieder gehen in totalitären Staaten die Machthaber gegen die Menschen vor, die unbotmäßig ihre eigene, vom Machthaber abweichenden Meinungen äußern. Diese Menschen werden verfolgt, gequält, hingerichtet – oder mit der Fatwa belegt, wie im Fall von Salman Rushdie. Menschen sind schwach, man kann sie erniedrigen, beleidigen und töten. Aber die Ideen, die sie äußern sind stark und können so lange nicht untergehen, wie es Menschen gibt, die sie weitertreiben. Und dazu fordert der indisch-britische, aber eigentlich Weltschriftsteller alle auf.

 

Daß die eigentlichen Gegner, diese Machthaber sich eines besseren belehren, darauf könnte man lange warten, so lange ihre Völker in Unfreiheit leben. Darum richtet Salman Rushdie seinen politischen Appell für die Freiheit des Wortes, die Freiheit der Gedanken und die Freiheit, diese ungehindert auszusprechen, aufzuschreiben und zu veröffentlichten auch auf diejenigen in der westlichen Welt, die zu glauben wissen, daß islamische Länder noch nicht reif seien für die Wahrheit, noch nicht reif seien, sich selbst Gedanken zu machen. Rushdie hält das für eine unausgesprochene Kumpanei bestimmter Kräfte in der westlichen Welt mit den politischen Machthabern in den Ländern, in denen diese noch 'unreifen' Völker zu Hause sind. Das heißt nichts anderes, als daß die Aufklärung – und Rushdie bezog sich auf alle vier Franzosen: Descartes, Rousseau, Voltaire, Montesquieu, leider wird international sehr oft sowohl Kant wie auch Lessing nicht weiter wahrgenommen – nicht nur für Mitteleuropa galt und gilt, sondern als der Auftrag für das ganze Menschengeschlecht gilt, ein universelles Prinzip, ein Recht für alle Nationen dieser Welt als Anspruch. Ein Anspruch, für den man kämpfen muß – und zwar in Wort und mit Argumenten auch gut kämpfen kann.

 

Ohne diese Freiheit muß jede andere Freiheit scheitern“, führte Rushdie aus und er definierte den Menschen einmal in neuer Art: „Wir Menschen sind sprechende Tiere, wir erzählen, und das macht uns aus.“ Die freie Meinungsäußerung verhindern in vielen Ländern der Erde heute wieder religiöse Intoleranz, etwas, was man in den Sechzigern, wo seine politische Sozialisation herrührt, für überwunden hielt. Noch einmal: „Redefreiheit sollte wahrgenommen werden wie die Luft, die wir atmen, so selbstverständlich.“

 

Sein Appell war auch eine Kampfansage an die, die glauben, daß politische Korrektheit einschließe, auf die Vorurteile von Bevölkerungsgruppen einzugehen und sich nach diesen zu richten, wie gerade in den USA in der Duke University in Durham geschehen. Dort weigerten sich Studierende im Rahmen des Studiums, „weil es ihre religiösen Gefühle verletzt“, ein Buch über lesbische Frauen zu lesen. Er sieht solche Gruppen in Übereinstimmung mit denen, die als Machthaber politische Doktrinen erheben, Meinungsterror in Gang setzen und die Menschenrechte verletzen.

 

Auf sich selbst bezogen, der nun im 26. Jahr unter der Morddrohung des Iran lebt, hatte sich Rushdie nicht nur als Kinder der Sechziger mit allen Torheiten der Zeit, einschließlich der Drogen, bezeichnet, sondern auch darauf verwiesen, daß sein Schicksal nicht nur kein Einzelfall sei, sondern immer schon die Dichter und Schriftsteller für die Freiheit des Wortes mit ihrem Leben oder auch 'nur' mit der Verbannung einstanden. Hier kam er sowohl auf den lateinischen Dichter Ovid wie auch auf den russischen Dichter Mandelstam zu sprechen. Publius Ovidius Naso wurde mit 51 Jahren vom Kaiser Augustus nach Tomi am Schwarzen Meer verbannt, wo er neun Jahre später, 17 n. Chr. starb. Ossip Mandelstam, lange als Dichter auf Geheiß Stalins in Ruhe gelassen , wurde nach einem stalinkritischen Gedicht im Mai 1935 verhaftet, verbannt, erneut verhaftet und in ein Arbeitslager nach Wladiwostok gebracht, wo er Ende 1938 starb.

 

Dem 68jährigen Salman Rushdie, der seine Reise für die Stippvisite in Frankfurt unterbrach, war Müdigkeit körperlich anzumerken, was im Widerspruch zu den einmal mehr klaren Worten stand, was man, wenn man das Heer der Sicherheitsleute bestaunte, verständlich ist. Ein Leben unter der Fatwa, also der permanenten Todesdrohung, wünscht man nicht einmal dem schlimmsten Feind. Und man empfindet als Zuhörer Respekt, Hochachtung und Fürsorge für einen Mann, der für uns alle spricht, aber alleine die Folgen des freien Wortes zu fürchten hat. Alleine, bezogen auf alle die, die ihm in Frankfurt zuhörten und ihn ausnahmslos beklatschten.

 

Für die Frankfurter Buchmesse war das eine Premiere an Polizeiüberwachung, Durchsuchung, Personenkontrolle. Keiner kam in die Journalistenrunde ohne Anmeldung sowie Überprüfung des Bundespersonalausweises. Man sieht das alles ein. Aber es ist gespenstisch.

 

 

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