„Afrokubanische Götterwelt“ ist der Titel eines Bild- und Erzählbandes von Linda Starbatty
Uwe Peter Timm
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – In dem zur diesjährigen Buchmesse erschienenen Werk imaginiert die Autorin „Geschichten von Göttern, Menschen, Tieren und Pflanzen des kubanischen tropischen Regenwaldes“. Mit Wortmacht und Bildkraft animiert die Autorin Linda Starbatty den Leser zu einer Reise in eine mythische und mystische Welt.
Vor dem geistigen Auge ersteht die religiöse Kulturwelt der Yoruba, die diese als Sklaven im 17., 18. und 19. Jahrhundert nach Amerika mitgebracht haben und deren Traditionen noch heute, in unterschiedlicher Ausprägung, in Brasilien und vor allem auf Kuba gelebt werden. Dort ist die Santería die synkretistische Hauptreligion, die ihre „Orishas“ genannten Götter mit den „Santos“, den katholischen Heiligen, verbindet. Die Kolonisatoren ließen den gewaltsam christianisierten Afrikanern auf Kuba ihren Kult - nicht zuletzt aus materiellen Erwägungen, weil sie für die Sakramente der Verschleppten nicht aufkommen wollten.
Starbatty lässt schon in ihrem Vorwort keinen Zweifel daran, dass sie auf volkstümlichen Überlieferungen basierende „Geschichten, Mythen und Legenden“ erzählt und nicht etwa eine wissenschaftliche Abhandlung liefert. Die in Kunstgeschichte promovierte Verfasserin des Buches ist seit 15 Jahren zwischen Europa und Kuba unterwegs, um die kulturellen Besonderheiten der Insel und deren externe Einflüsse zu studieren. Emphatisch schildert sie, wie sie sich auf der Insel kulturell engagieren wollte und durch Begegnungen mit Menschen und deren Lebensräumen peu à peu in den Bann jenes magischen Kosmos gezogen wurde, den sie im vorliegenden Band illustriert. Sie gibt nicht nur die ihr anvertrauten Überlieferungen wieder, sondern verarbeitet ihre Erlebnisse auch in Bildern. Die Malerin Starbatty vermittelt ihre Eindrücke in farbintensiven Porträts und Naturlandschaften, ansprechend reproduziert auf dem hochwertigen Papier des sorgfältig edierten Bandes.
Trotz aller Sinnenfreude, die das Buch seinem Leser an die Hand gibt, ist der Informationsgehalt nicht zu unterschätzen. Einer Einführung in die afrokubanische Naturreligion, ihre Ursprünge, Akteure und Orte folgt ein Kapitel „Mythen der Götterwelt“. Dann werden „Tiergeschichten aus dem Regenwald“ sowie „Geschichten von tropischen Pflanzen und Bäumen“ erzählt. Damit Obbatala, Ochun, Olokun, Chango, Eleggua, Oya, Yemaya und all die anderen Gottheiten den Geist des Rezipienten nicht verwirren, sind ein „Götterlexikon“ und von der Autorin gefertigte Fotografien eingestreut, die dokumentarischen und erklärenden Charakter haben. Mit fortschreitender Lektüre werden dem Leser trauernde Fledermäuse, fleischfressende Pflanzen, gestreifte Schweine, schüchterne Krebse, Berge als Ideenschmieden und Flüsse voller Verheißung vertraut. Er lernt, die Welt nicht in Gut und Böse eingeteilt zu lesen, sondern den Kosmos als eine unsichtbare Hälfte (orún) und eine sichtbare (ayé) zu begreifen, zwischen denen Ashé als ausgleichende Kraft wirkt.
Bei aller Opulenz umfasst das im Geheimsprachen Verlag erschienene Buch nur achtzig Seiten. Zur besseren Übersicht sind die eigentlichen Erzählungen im Normaldruck, die persönlichen Erlebnisse der Autorin in kursiver Schrift und Detailinformationen zu den Bildern und Texten klein gedruckt wiedergegeben. Ein Literaturverzeichnis und der Hinweis auf weiterführende Literatur machen das Werk nicht nur zu einem Vademekum für Kuba-Reisende, sondern regen zu näherer Beschäftigung mit der afrokubanischen Kultur an. Last but not least will es Starbatty als einen Beitrag zum vertieften Wahrnehmung fremder Kulturen allgemein verstanden wissen.
Info:
Linda Starbatty, Afrokubanische Götterwelt, Geheimsprachen Verlag Hamburg/ Münster 2015, ISBN 978-3-939211-89-1