»Martin Niemöller. Vom Marineoffizier zum Friedenskämpfer« von Michael Heymel ab 10. Januar im Verlag Lambert Schneider  

Hartwig Sander

Framstadt (Weltexpresso) - Stimmt. Früher war er in aller Munde und heute muß man der Jugend erst wieder erzählen, wer er war, Martin Niemöller: in der Jugend begeisterter Marineoffizier, später als unerschrockener Pastor der Bekennenden Kirche ‚persönlicher Gefangener‘ Hitlers,  nach dem Krieg radikaler Pazifist und leidenschaftlicher Advokat der Ökumene: Das Leben Martin Niemöllers war von großen Umbrüchen gekennzeichnet. Am 14. August 1892 wurde der bedeutende Kirchenmann geboren.

Zu seinem 125. Geburtstag legt der Theologe und Niemöller-Kenner Michael Heymel nun eine umfassende Biographie vor. »Martin Niemöller. Vom Marineoffizier zum Friedenskämpfer« erscheint am 10. Januar im Lambert Schneider Verlag.
 
       
Im englischsprachigen Ausland ist Martin Niemöller ein Held: Jedes amerikanische Schulkind lernt ihn als mutigen Widerständler gegen den Nationalsozialismus kennen. Hierzulande wird der streitbare Kirchenmann differenzierter betrachtet. Zwar konfrontierte er die Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg mit ihrer Schuld, erwarb sich in späteren Jahren große Verdienste um die Ökumene und setzte sich als Pazifist gegen die Wiederbewaffnung und gegen Atomwaffen ein. Er war aber auch lange deutschnational gesinnt und sagte noch nach der Befreiung aus dem KZ Dachau 1945 aus, sein Widerstand gegen Hitler sei mehr religiös als politisch motiviert gewesen.
 
Diesem facettenreichen, scheinbar widersprüchlichen Leben nähert Michael Heymel sich aus mehreren Perspektiven. Er kann kenntnisreich historische und theologische Zusammenhänge erklären, aber auch in Anekdoten den Menschen Niemöller sichtbar werden lassen. So verließ Niemöller als temperamentvoller Pastor türenschlagend den Raum, wenn er seinen Kopf nicht durchsetzen konnte, redete als unerschrockener Prediger die Gestapo-Spitzel in seinen Gottesdiensten spöttisch mit „meine treuesten Zuhörer“ an und schrieb als Gefangener während der langen Einzelhaft so unermüdlich Briefe, dass überforderte Zensoren sich gezwungen sahen, eine Obergrenze von zwölf Postkarten pro Tag festzulegen.
 
Heymel arbeitet seit Jahren am Nachlass Niemöllers und kann mit Hilfe von Predigten, Vorträgen und vor allem der umfangreichen Korrespondenz dessen Leben nun genauer ausleuchten als jemals zuvor. Entstanden ist das vielschichtige Portrait eines Mannes, der stets unerschrocken für seine Überzeugungen eintrat, sich aber auch nie scheute, Fehler einzugestehen und Neues zu lernen.
 
Ein ereignisreiches Leben
 
Als Kind einer protestantischen Pfarrersfamilie wurde Niemöller kaisertreu und deutschnational erzogen. Nach der Schule schlug er die Offizierslaufbahn ein und brachte es mit energischem Einsatz bis zum U-Boot-Kommandanten. Doch nach dem Ende des Ersten Weltkriegs fiel es dem begeisterten Soldaten und überzeugten Patrioten schwer, die Weimarer Republik zu akzeptieren. Er quittierte enttäuscht und verbittert den Dienst; seine Gesinnung änderte sich jedoch zunächst nicht. Während des Theologiestudiums sympathisierte er mit dem Kapp-Putsch und beteiligte sich als Kommandeur an der Niederschlagung der Arbeiterrevolte. 1931 wurde er Gemeindepfarrer in Berlin, wo er schnell Ansehen erwarb – seine Predigten waren so gut besucht, dass der U-Bahn-Schaffner sie an der entsprechenden Haltestelle gleich mit ausrief: „Thielplatz, zu Niemöllers Gottesdienst hier aussteigen!“
Zu dieser Zeit begann Niemöller, sich gegen die Kontrolle zu wehren, die der Nationalsozialismus zunehmend über die Kirche ausübte. Er wirkte entscheidend am Widerstand gegen die Deutschen Christen mit, etwa in der Bekennenden Kirche und im Pfarrernotbund, und geriet dadurch mehr und mehr in die politische Illegalität. Mit seinem unerschrockenen Spott wurde er im In- und Ausland allmählich zur Symbolfigur des kirchlichen Widerstands. Nachdem es bei einem Empfang zur Auseinandersetzung mit Hitler gekommen war, wurde Niemöller als dessen ‚persönlicher Gefangener‘ zunächst in Berlin inhaftiert, dann trotz eines überraschenden Freispruchs vor Gericht in das KZ Sachsenhausen und später nach Dachau gebracht, wo er bis Kriegsende acht Jahre teils in strenger Einzelhaft verbrachte.
 
Trotz allem vollzog sich erst nach 1945 ein Wandel in seinem Denken. Niemöller begann, für die politische Verantwortung der Kirche einzutreten. Als Bußprediger bemühte er sich, die Idee der deutschen Schuld in der Öffentlichkeit zu verankern. Er setzte sich für Flüchtlinge ein und wandelte sich zu einem entschiedenen Gegner des Antisemitismus. Auf Reisen in zahlreiche Länder engagierte er sich für den Frieden und suchte mit großer Neugier den Dialog mit anderen Konfessionen. Dabei wurde er nicht nur zu einem Fürsprecher der Ökumene, sondern profilierte sich auch im Kalten Krieg und im geteilten Deutschland als „radikaler Pazifist“.
 
So wandelte sich der deutschnationale Offizier zu einem Advokaten für Versöhnung und Dialog. „Mit seinem Mut und seiner Zivilcourage, die sich aus Charakterfestigkeit und Glaube speisen, mit seinem wachen Verantwortungsbewusstsein und seiner bis ins hohe Alter unverminderten Lernbereitschaft kann Niemöller heute für viele Menschen ein Vorbild sein.“
 
       
        
Über das Buch

Michael Heymel
Martin Niemöller. Vom Marineoffizier zum Friedenskämpfer
Lambert Schneider Verlag - WBG
2017. 320 S. mit 20 s/w Abb., geb. mit SU
Preis: € 29,95 [D]
ISBN 978-3-650-40196-0
Erscheint am 10. Januar 2017
 
Mit neuen Quellen aus dem Nachlass Martin Niemöllers beleuchtet Michael Heymel das faszinierende Leben dieses wichtigen Kirchenmannes und Friedensaktivisten.
 
    
    
Über den Autor

Michael Heymel, geboren 1953 in Frankfurt am Main, war 33 Jahre Pfarrer und zuletzt wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentralarchiv der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Von 2004 bis 2012 lehrte er als Privatdozent Praktische Theologie an der Universität Heidelberg. Er forscht seit Jahren zu Leben und Werk Martin Niemöllers und hat 2011 eine kritische Ausgabe von dessen ‚Dahlemer Predigten‘ vorgelegt. Michael Heymel ist seit 2016 im Ruhestand und lebt in Wiesbaden.