Serie: Sein Leben in seinen eigenen Worten, in denen er nicht auf bessre Zeiten warten will, Biermann V
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Dann kommt die tolle Geschichte mit Eva Maria Hagen, für deren Tochter Nina Biermann ein ernsthafter Vater wird, der zu dem Zeitpunkt auch schon zwei Söhne hat. Am Schluß wird er zehn Kinder haben, von einigen Frauen, die Hälfte von seinen Ehefrauen Tine und Pamela. Ein Vater, den die Kinder lieben.
Die DDR-Situation spitzt sich zu, aber immer wieder gibt es Möglichkeiten. DIE STASI-BALLADE stellt die Situation dar. Inzwischen brodelt die Studentenbewegung in Westeuropa, zuvor in Polen, die UdSSR marschiert, bzw. rollt mit Panzern in die Tschechoslowakei...Ende Juli 1973 die Weltjugendfestspiele in Ostberlin, wo Biermann nach acht Jahren absolutem öffentlichen Auftrittsverbot gerne das Lied über Che-Guevara gesungen hätte, aber selbst Rudi Dutschke drei Tage am Grenzübergang nicht hineingelassen wurde, bis der öffentliche Schaden für die DDR dann angesichts der Weltöffentlichkeit zu peinlich geworden wäre. Und Biermann macht Straßenmusik.
Er darf durch Entscheidung von Honecker seine todkranke Oma Meume – bekannte Biermann Moritat – in Hamburg besuchen. Zwischenstopp in Frankfurt und der Vertrag mit der amerikanischen Plattenfirma CBS und gleich eine professionelle Aufnahme für eine Langspielplatte. Eine weitere Platte hatte Biermann schon in Ostberlin aufgenommen. Beide erschienen im Westen mit großem Erfolg. Biermann war nun längst eine Berühmtheit.
Die Liebe zu Tine war auch musikalisch mit den LIEBESLIEDERN ein großer Erfolg. Sohn Felix wird geboren, aber die Beziehung ist erst einmal aus, wenngleich nicht die Liebe.
Heute weiß man aus den Akten, daß die DDR Oberen schon seit 1974 Wolf Biermann in den Westen abschieben wollte. Das war konkret die Alternative: lieber Ausbürgern statt Einsperren und ausschlaggebend dafür waren zwei, Honecker und Mielke. Überraschend darum die Zustimmung zur Einladung der IG Metall nach Bochum zu insgesamt sechs Konzerten, das erste in Köln. Am 11. November kommt Wolf Biermann ordentlich nach Westberlin, am 13. singt er vier Stunden das Konzert in Köln, am 15. hat er Geburtstag, am 16. November hört er bei der Fahrt zum Konzert im Autoradio die Ausbürgerung.
Die gesamte Riege der Künstler und politischen Durchblicker in der DDR protestieren, einzelne, viele werden verhaftet, einerseits wird einigen die Ausreise angeboten, andererseits werden sofort andere verhaftet, wie Biermanns Freund Jürgen Fuchs, ein wunderbarer Mensch und guter Schriftsteller. Vom 19. auf den 20. November erfolgt die Übertragung des Kölner Konzerts im Fernsehen. Das ist nun interessant. Von zehn Leuten, die ich befragte, gaben 10 an, sie hätten das Kölner Konzert als Direktübertragung gehört und gesehen. Nein, die Fernsehübertragung gab es erst, als Biermann zum politischen Fall geworden war. Also 6 Tage nach dem Live-Auftritt.
Biermanns Frauen kommen auch: Ehefrau Tine mit Sohn Benjamin, Sibylle Havemann mit Felix, Eva Maria Hagen und Tina. Von Seite 346 bis Seite 527 dann der Westen. Sehr wenige Zeilen im Verhältnis dazu, wie lange er nun schon 'im Westen' lebt und wie kurz die DDR-Zeit demgegenüber war. Biermanns Leben und Wirken hierzulande – das ist die alte Bundesrepublik - ist eher bekannt, aber in seiner Autobiographie fehlt doch vieles von dem. Die Konzerte, die Preise, die Konflikte. Und in den folgenden Jahren auch eine Abnutzung und sinkende Popularität, die Biermann kräftig förderte durch steile Thesen zum Irakkrieg oder anderen politischen Sachverhalten. Ach ja, und auch seine Abrechnung mit Reich-Ranicki, mit dem man vieles abzurechnen hätte, aber nicht unbedingt seine Spitzeltätigkeit für das kommunistische Polen, die seine Familie vor den Nazis und dem Vergasen im KZ gerettet hatten.
Es gäbe so viel noch zu sagen. Zusammenfassend stimmt: Genauso wie die gesellschaftssprengende Kraft eines Biermanns in der DDR deshalb für die Machthaber so gefährlich wurde, weil sie ihn verboten hatten, geschah das Gegenteil im Westen. Dort durfte Biermann sagen und singen, was er wollte. Es wäre falsch zu sagen, daß ihm keine Beachtung zugekommen wäre. Seine Konzerte waren immer ausverkauft und ein Gewinn. Aber im saturierten Westdeutschland gehörte es eben dazu, daß Worten keine Taten folgten. Und wenn das so ist, laufen sich Worte tot.
Wie wunderbar, daß Wolf Biermann noch einmal loslegte, seine Autobiographie ist ein erstaunliches, ein ehrliches, ein politisches, ein witziges, ein tiefsinnigen, ein komisches, ein poetisches Buch.
P.S. Paris ist für Biermann natürlich wichtig, wo er an der Place Italy eine Wohnung besaß, in Paris wohnte auch Manes Sperber – ach ja, Wolf Biermann hat noch seit 30 Jahren zwei meiner Bücher von ihm.
Foto: Wolf Biermann mit Ehefrau Pamela (c) abendblatt.de
Info: Wolf Biermann, Warte nicht auf bessre Zeiten,. Die Autobiographie, Propyläen 2016