Pete Smith‘ Frankfurt-Roman „Das Mädchen vom Bethmannpark“ aus dem Societätsverlag
Klaus Philipp Mertens
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Im Bethmannpark, der unweit der Frankfurter Innenstadt liegt, wird eine junge Frau verletzt aufgefunden.
Sie weist eine Kopfwunde auf und scheint ihr Gedächtnis verloren zu haben. Wie sie in diese Lage gekommen ist, wer ihr etwas angetan hat, all das entzieht sich ihrer Erinnerung. Und sie weiß auch nicht, wer sie ist, wie sie heißt, ob sie Angehörige hat und woher sie kommt. Der Mann, der eher zufällig über sie im Park stolpert und sofort Hilfe holt, gehört zu einer Gruppe zumeist älterer Männer, die sich am Rande der Anlage regelmäßig zum Schachspielen treffen. Während die unbekannte Schöne mit ihrer Amnesie kämpft, wollen diese Spieler sich selbst und anderen eher vergessen machen, wer sie sind, und was sie hinter sich haben.
Und auch Jakob, ein Ergotherapeut und regelmäßiger Teilnehmer an den Schachrunden im Park, der versucht, das Mädchen in die reale Welt zurückzuholen, ist selbst mit unbewältigten Problemen aus der eigenen Vergangenheit konfrontiert. In diese (fiktive) Reha-Klinik nahe dem Holzhausenschlösschen, seinem Arbeitsplatz, ist die junge Frau nach der Erstversorgung im „Bürgerhospital“ eingeliefert worden. Im Krankenhaus hatte sie sich nach heftigem Drängen durch die Ärzte einen Namen gegeben: Penelope. Den hatte sie zufällig von einem Fernsehbild abgelesen. Nun begleitet er sie als vermeintlich einzige Konstante durch die nächsten Stationen ihres Lebens.
Der Leser ist bei der spannenden Lektüre, die stellenweise einem Krimi ähnelt, hin- und hergerissen von den Antipoden Jakob und Penelope. Geht es um mehr als um das Verhältnis zwischen einem Therapeuten und seiner Patientin? Jakob ist nicht nur von der äußeren Erscheinung Penelopes fasziniert. Vielmehr glaubt er, ihr bereits einmal begegnet zu sein - in der Ruinenstadt Machu Picchu im peruanischen Hochland. Aber auch die Querbeziehungen zu Jakobs Schachkameraden erscheinen geheimnisverwoben. Als Jakob Besuch von seiner schwerkranken Mutter bekommt, erweist er sich den vielfältigen Belastungen gegenüber nicht mehr gewachsen und steuert auf einen Burnout zu. Selbst Penelopes Mitgefühl - oder ist es ein erster Hauch von Liebe? - vermag ihm in dieser vermeintlich ausweglosen Situation keine Hilfe geben zu können.
„Die Handlung des Romans lebt vom menschlichen Bedürfnis, die Rolle zu wechseln, eine neue Identität anzunehmen, vielleicht sogar ein neues Leben zu beginnen“ - so skizziert Pete Smith den Inhalt seiner Erzählung. Diese beschreibt das Verhältnis von Menschen, die sich zufällig begegnen und dabei erkennen, dass sie keineswegs immer nach eigenem Willen entscheiden, sondern auch von anderen, vielfach Unbekannten, wie Schachfiguren bewegt werden. Inspiriert hat ihn bei der Konzeption dieser Geschichte Max Frischs Roman „Stiller“.
Pete Smith lebt seit langen Jahren in Frankfurt am Main, hat mehrere Jugendbücher zu historischen Themen sowie zu aktuellen sozialen Fragen geschrieben. Sein Roman „Endspiel“, in dem es um späte Folgen des Frankfurter Auschwitz-Prozesses geht, wurde 2012 mit dem Robert-Gernhardt-Preis des Hessischen Ministeriums für Kunst und Wissenschaft ausgezeichnet. Smith wurde im westfälischen Soest geboren; seine Mutter war Spanierin, sein Vater Engländer. Nach dem Studium der Germanistik und Philosophie in Münster arbeitete er als Journalist an mehreren Zeitungen und Zeitschriften; heute lebt er als freier Schriftsteller.
Am 23. März las er im Rahmen der vom Literaturverein PRO LESEN veranstalteten Reihe „Mit Frankfurter Autoren und Autorinnen im Gespräch“ im Bibliothekszentrum Frankfurt-Sachsenhausen. Seine Zuhörer zeigten sich vom mitreißenden Stil seines Buches beeindruckt und von dessen Thema sehr bewegt. Denn Gedächtnisverluste nach Unfällen oder Überfällen sind leider keine Einzelfälle. Nicht wenige Menschen müssen sich danach in neue Rollen hineinfinden und stellen dabei fest, dass vielfach auch andere, die nicht Opfer von Erkrankungen und Verbrechen sind, sich in neuen Orientierungsprozessen befinden. Alles scheint in Bewegung zu sein.
Info:
Von Pete Smith sind aktuell lieferbar:
Das Mädchen vom Bethmannpark; 2016 im Societäts-Verlag erschienen
Endspiel; 2012 ebenfalls im Societäts-Verlag
168 - Verschollen in der Römerzeit; Neuauflage 2015, Books on Demand
1227 - Verschollen im Mittelalter; Neuauflage 2015, Books on Demand
2033 - Verschollen in der Zukunft; Neuauflage 2015, Books on Demand
So voller Wut; Neuauflage 2012 im Schroedel Verlag
Arm sind die anderen; 2011 erschienen bei Oetinger
