Wie ungehemmte Kapitalismusvorstellungen die Grüne Lunge am Günthersburgpark im Begriff sind zu zerstören
Heinz Markert
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Es gibt eine prächtige Grüne Lunge in Frankfurt. Ob sich eine derart ausgeprägte nochmal in Frankfurt findet, ist fraglich. Die großflächige Lunge liegt ein stückweit oberhalb des Alleenrings, auf der Höhe des Hauptfriedhofs, jenseits der an diesen Park der Grabmale grenzenden Friedberger Landstraße.
Der Günthersburgpark liegt ein wenig ums Eck herum südöstlich, mehr schon nahe Bornheim-Mitte. Die Schlinkenstraße bildet eine südliche Grenze des Naturjuwels aus altem Baumbestand und Gehölz. Dieses Potential wäre unwiederbringlich verloren, würde es für geplante steife Prestigebauten vernichtet. Ein unversiegliches Kapital der Natur steht zur Disposition.
Die 16,6 ha große Grüne Lunge im Frankfurter Stadtgebiet – Grüne Lunge assoziiert an den brasilianischen Urwald, der in jeder dieser Minuten progressiv-dynamisch zum Zweck der Bodenspekulation kahlgeschlagen wird - bildet mitsamt dem Luftstrom, der von der Wetterau her weht, einen elementaren Frischluftkorridor. Gegen diesen und das artenreiche bunte Grün hat die Baupolitik in Frankfurt einen Angriff in voller Breitseite gestartet. Die Politik scheint vor lauter Bauen, Bauen, Bauen wie von Sinnen. Wozu das alles aber, wenn für die Gesellschaft der unprätentiösen Mehrheit, die Bauen nicht als Ideologie versteht, wenig Zuträgliches herauskommt?
Beton mit Gold geadelt
Das Wozu betrifft das Betongoldprojekt namens ‚Innovationsquartier‘. Der Euphemismus werde Name, so dachte man im Amt. Die Politik gab zum soundsovielten Male ominösen Investoren nach. Investoren sind die neue Götzenart, Heilsbringern gleich, während Politik sich selbst abschafft. Statisten auf der politischen Bühne haben der Abwicklung der Frankfurter Stadtgesellschaft, die nicht finanzgetrieben verrücktspielt, längst das Feld eröffnet. Gegen Menschen eingestellt wird dem Kapital gedient, die politische Klasse dient sich diesem mehrheitlich an und hat Stellen abgebaut.
Warum plant die Stadt nicht selbstermächtigt für den Bedarf der weit überwiegenden Mehrheit geförderte Wohnungen im Geist eines Ernst May, der gerade mal noch für ein fragwürdiges Projekt als Gewährsmann herhalten soll? Der Begriff ‚Innovationsquartier‘ ist eine verräterische Bezeichnung, sie erregt Verdacht, weil das Gegenteil im Plan steht. Wie aber Wienerische und gesamtösterreichische Verhältnisse zeigen, rechnet sich ein geförderter Bedarf investigatorisch ebenso, nur nicht in jener zeitlichen Kürze, nach der ein überhitzter Markt giert. Die städtische ABG befindet sich im Griff ihres renommiersüchtigen Chefs Frank Junker, der sich vorzugsweise der Bedienung des Luxussegments der auswärtigen Betongoldklientel verschrieben hat. Die machtvolle Gier nach Besitz und Prestige hat Frankfurt fest im Griff. Auch OB Peter Feldmann scheint machtlos.
In Wien beträgt der Anteil geförderter Wohnungen an Investitionsprojekten nicht bloß 40 Prozent, sondern 70 Prozent. Die 365-Euro-ÖPNV-Jahreskarte gib es dort längst schon. Das ist gelebte Übereinkunft. Deutsch aber heißt: Zwietracht, Spaltung. Diese opfert lieber dem protzigen Bedarf einer Minderheit, wie er unsäglich u.a. am Maintor aufgestapelt wurde. Diesem Bauen der Inhumanität ist immer schon der gestiegene Marktwert sicher, bevor ein Einzug überhaupt stattgefunden hat. Wobei wir also bei der allherrschenden Gier angelangt wären.
Die Erfahrung der Alten Natur ist gefährdet
Aber Widerstand ist organisiert. Er trägt die Kunde in die Stadt, dass ihre Grüne Lunge in Gefahr ist. Es geht immerhin um 16,6 ha Biotop. Ein Schatz ginge verloren. Was von der Gier angezählt ist, wurde am letzten Freitagabend in der Fachhochschule Frankfurt mit der Premiere des halbstündigen Films ‚Bau(m)land‘ überbracht. Der Ruf ergeht: lasst bloß die alten Brombeersorten stehen, die seltenen Apfelsorten, lasst uns den Quittengelee all die kommenden Jahre noch herstellen dürfen, denn auch die Kinder haben sich schon in die Tradition begeben, knüpfen an das Überlieferte an.
Was würden wir machen, wenn wieder schwere Zeiten, die im Anzug sind, kommen und wir nicht mehr einen Garten hätten, der die Generation der Väter und Großväter – dem weisen Sohnemann noch in guter Erinnerung - nach dem Krieg vorm Verhungern bewahrte. Großvater, das Sparbrötchen, zimmerte in den ersten Jahren der neuen Republik das Gartenhäuschen aus alten Türen, die die Bomben verstreut hatten. Das Erzählen vor der Kamera wird durch opulente Bilder von Gärten und ihren Funktionsweisen gewürzt. Erst die Leinwand verschafft einen Eindruck davon, was verloren ginge, wenn der Kahlschlag käme.
Gärten geben viel zurück
Gärten antworten auf die Arbeit mit ihnen, das nährt die Seele, Sohn und Tochter sind dabei zu übernehmen, tummeln sich gern auf ihre Art und die Erwachsenen tanzen gelegentlich auch wieder exaltiert wie ehedem. Der Garten ist das ganz andere Wohnzimmer, die Rosen sind hier anders als wie die aus'm Geschäft. Die Kinder kommen regelmäßig mit ihren Freundinnen und Freunden, finden sich auch mal zum Zelten ein, welch' Kind erlebt das heute noch? Viele Kinder haben vorher noch in kein Lagerfeuer gesehen. Im Biogarten wird nur Mist benutzt, Chemosythese bleibt ausgesperrt, wie es auch Gartensatzungen bestimmen.
Der Schock: Eines Tags aber war plötzlich das Wasser abgestellt, unangekündigt; man hörte, es gebe Pläne der Stadt – das war vor ein paar Jahren schon. Der OB sollte kommen. Es wurde organisiert, im Mai 2015 kam es zum ersten Treffen der BI Grüne Lunge. Ein riesiges Bebauungsprojekt wurde ans Firmament gemalt. Es soll ein neu-schickes Viertel mit 1500 Wohnungen entstehen, das Gebiet der artenreichen, bunten Natur soll weichen.
Der packende Film wurde von den Filmemacherinnen Sabine Hoffmann und Jana Schlegel gedreht. Sie lassen aktive Gärtnerinnen und Gärtner ihre Lebensgeschichte, die sich aus dem Umgang mit ihren Gärten entwickelte, erzählen, überbringen dem Publikum von der Betroffenheit - ob des drohenden Verlusts - eine Ahnung. Sie lassen nur das Gartenvölkchen sprechen, denn die Offiziellen, mit denen sich die überfallartig Angegangenen konfrontieren mussten, begegneten ihnen nie auf Augenhöhe.
Das Amt verbiegt
Mit dem früheren Planungsdezernenten Olaf Cunitz kam nie ein Dialog zustande, nur Monolog begab sich von Seiten des Amtsmanns. Die Betroffenen sagten aus, dass sie in die Situation gerieten, dass sie dasaßen wie ‚das Kind beim Dreck‘. Der Nachfolger im Amt, Mike Josef, sei zuerst zugänglich gewesen, aber letztlich habe er sich so beinhart gezeigt wie sein Vorgänger. Es heißt, dieser rede viel, antworte aber nicht. Die Initiativen werden an der Nase herumgeführt, „Bauklötzchen ein wenig gedreht“ und die Zukunft schöngeredet.
So spricht auch der Monumentalismus Bände, der mit dem geplanten Konstrukt kommt; mit Innenhöfen, die eine sattsam bekannte quadrierte Herrschaftsarchitektur imitieren. Die Gated Area wird zum angemaßten Recht kommen. Wie ist sie nur beliebt, um sich von Artgenossen abzugrenzen. Das läuft gar unter ‚Ernst May-Viertel‘, beansprucht dessen Schirmherrschaft auch noch!
Den Kleingärtnern wird vorgeworfen, sie seien egoistisch, dabei sind sie die Bewahrerinnen und Bewahrer des gewachsenen Potentials natürlicher Lebensverhältnisse in Frankfurt. Das Zubetonieren des Naturerbes und die Auflösung der gesellschaftlichen Netzwerke werden fortschreiten. Marx hat die Tätigkeit des losgelassenen, Amok laufenden Kapitals trefflich beschrieben und in begnadete Metaphern gegossen. Wir haben, wie man auch hört, nur noch ganz wenige Jahre, wenn die 1,5 Grad-Grenze nicht gerissen werden soll.
Die Gartengesellschaft der Grünen Lunge ist dafür zu haben, die jetzt schon gut einsehbaren und teils begehbaren Naturschmuckstücke für die Umgebung noch mehr zu öffnen, was auch den Verordnungen der eingetragenen Kleingärtnervereine entspräche. Besonders will man diese erweiterte Möglichkeit als Angebot an die Kindereinrichtungen der Stadt verstehen.
Fotos:
Bürgerinitiative für den Erhalt der Grünen Lunge am Günthersburgpark (BIEGL Günthersburgpark) e.V.