Hans Ulrich Gumbrecht kürte den Preisträger des Ludwig-Börne-Preises 2013
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Nicht einen Außenseiter, aber doch einen, der immer wieder gegen den Stachel löckt, hat Preisrichter Hans Ulrich Gumbrecht zum Preisträger des Ludwig-Börne-Preises 2013 bestimmt: Peter Sloterdijk.
Der deutsche Philosoph und Essayist Peter Sloterdijk erhält den diesjährigen Preis. Der Preisrichter Hans Ulrich Gumbrecht begründete seine Wahl damit, dass dieser „die deutsche Öffentlichkeit immer wieder in intensive Zustände intellektueller Wachheit versetzt. Aus einer ungewöhnlichen Sprachkraft hat Sloterdijk konzentrierte Debatten im politischen Leben der Republik wie in ihren Dimensionen alltäglicher Existenz ausgelöst. So schreibt sein Werk einen Gestus fort, zu dessen Begründern Ludwig Börne gehörte.“
Der Börne-Preis erinnert an den Frankfurter Juden Ludwig Börne, der sich in seinen Essays und Reportagen für die Ideale der Revolution von 1848 einsetzte. Der Schriftsteller und Journalist Ludwig Börne galt wegen seiner scharfzüngigen Prosa als Wegbereiter des politischen Feuilletons. Der Preis wird im Rahmen einer Feierstunde am 16. Juni in der Frankfurter Paulskirche verliehen, ist mit 20.000 Euro dotiert und gilt als der renommierteste Preis für Essays und Reportagen im deutschen Sprachraum. Zu den Preisträgern zählten u. a. im letzten Jahr Götz Aly und davor Joachim Gauck, Marcel Reich-Ranicki, Joachim Kaiser, Joachim Fest, Josef Joffe, Rudolf Augstein, Hans Magnus Enzensberger, Frank Schirrmacher, Joachim Gauck und Alice Schwarzer.
Das Besondere an diesem seit 1993 eingerichteten Preis ist vor allem, wie er zustandekommt. Der so oft beklagten Praxis, es würden bei Mehrheitsentscheidungen von Jurys immer die durchkommen, auf die sich dann alle einigten, nachdem die Spitzen gegenseitig weggestimmt worden seien, dann also immer ein gewisses Mittelmaß, eine allgemeinvertretene Meinung ausgezeichnet werde, ist darum mit Absicht ein pointiertes Gegenmodell entgegengestellt worden: die Auswahl durch einen einzigen Preisträger. Dieser nun wiederum wird von Ludwig-Börne-Gesellschaft ausgesucht.
Am 11. Februar hatte die Ludwig-Börne-Stiftung, die mit ihrem Preis hervorragende Leistungen im Bereich Essay, Kritik und Reportage ehrt, Hans Ulrich Gumbrecht, Literaturwissenschaftler und Stanfordprofessor zum Preisrichter gewählt, der also in alleiniger Verantwortung über den Preisträger bzw. die Preisträgerin entschieden hat.
Die eigentliche Wahl läge also in der Person des Preisrichters, könnte man meinen, denn mit diesem sei die Gewähr, daß eine entsprechende Person ausgezeichnet werde. Das ist nicht immer so und mal beklagt es der eine, mal der andere. Wir auch, weshalb wir öfter der Preisvergabe fernblieben. Eine besondere Stellung nimmt dabei die FAZ ein. Denn in dem Jahr, in dem der nun leider verstorbene Humanist und Aufklärer Jorge Semprun als Preistrichter von der Stiftung ausgewählt worden war und Daniela Dahn vorgeschlagen hatte, spielte die FAZ voll ihre mediale Macht gegen die Preisträgerin aus.
Daniela Dahn, eine in der DDR wegen ihrer mutigen Artikel inhaftierte Journalistin, die auch lesenswerte politische Bücher herausgibt, wird in der Westpresse fast totgeschwiegen. Es war eigentlich schon eine Ohrfeige für die intellektuelle Schickeria, daß es ein nichtdeutscher Moralist und Intellektueller war, der durch die Preisvergabe an Daniela Dahn diese in das Licht der deutschen Öffentlichkeit brachte. Die eigentliche Ohrfeige für Preisrichter und Preisträgerin folgte im Kommentar der FAZ zur Feierstunde 2004 in der Paulskirche.
Dort hatte Daniela Dahn in einer mit Zahlen belegten Rede, die heutigen Besitzverhältnisse an Grund und Boden der ehemaligen DDR aufgezeigt und angeprangert. Überwiegend sind diese nämlich in westdeutscher Hand. Das war eine Rede, die vielen Zuhörern eine neue Sicht auf eine schwierige politische Gemengelage gab. Am nächsten Tag ergoß sich in einer Glosse eine unglaubliche Häme über Daniela Dahn, die als dummes Doofchen, die mal vor der großen Welt sprechen darf, hingestellt wurde, ohne daß an den von ihr vorgebrachten Zahlen Korrekturen erfolgten, wurde sie samt und sonders als ostdeutsches Wichtelfrauchen in 'Grund und Boden' geschrieben.
Als dann Jahre später Necla Kelek als Jurorin ausgewählt wurde, konnte man froh sein, daß endlich wieder einmal eine Frau dran war, zudem eine, die durch kluge soziologische Analysen aufgefallen war. Sie wählte 2009 mit dem FAZ Herausgeber Frank Schirrmacher nicht nur eine fest im Sattel sitzende Person aus, sondern auch den Herrn über ihr Schreiben, weil sie in der FAZ viel veröffentlicht hatte. Das störte uns, wie es auch stört, daß immer wieder Personen ausgewählt werden, die im Gefüge der Macht der Bundesrepublik Deutschland ganz oben postiert sind. Das scheint uns nicht mit dem Streben des politischen Publizisten Ludwig Börne vereinbar zu sein.
Was nun den an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe als Rektor Amtierenden angeht, der an vielen internationalen Akademien und Universitäten zu Hause ist, so ist auch dieser nicht der unterprivilegierte, von der Öffentlichkeit scharf attackierte Schreiber, der sein Leben für die Freiheit gibt. Aber Peter Sloterdijk ist jemand, der eigene Ideen auf pointierte Weise zur Geschichte und zu Debatten der Gegenwart gibt und so sicherlich ein Preisträger im Sinne von Ludwig-Börne. Wir sind auf seine Rede am 16. Juni gespannt und wollen berichten.
Bild: Wir haben deshalb mit Absicht wieder einmal das Porträt von Ludwig Börne abgedruckt, das Daniel Moritz Oppenheim, dieser profunde Maler aus Hanau, der in Frankfurt lebte, schuf, der auch das schönste Bild von Heinrich Heine malte,