Die Vortragsreihe der Polytechnischen Gesellschaft „Religion, Staat, Aufklärung“ stellt eher Fragen als Antworten anzudeuten
Heinz Markert
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Ein groß angelegter Religionsdialog ist wahrlich vonnöten. Weniger aber, weil Religion Probleme ex cathedra herab zu lösen oder zu schlichten imstande wäre.
Sie könnte im Gegenzug auch als eine der Hauptquellen von Unheil in der gegenwärtigen Welt, die zwischen schwieriger Moderne und altmenschlich-verkrusteter Tradition aufgespalten ist, ausgemacht werden. Die Crux ist: Religionen treten an, um ein Wahrheitsmonopol durchzusetzen.
Eine Vortragsreihe der Debatten ist absehbar
Die angekündigte Vortragsreihe hat einen gewissen Vorlauf. Am 19.04.2017 fand in den Räumen des Historischen Museums Frankfurt ein Stadtgespräch statt, das sich um ‚Monotheismus und Gewalt „im Namen Gottes“‘ drehte. Wir berichteten hierüber auf Weltexpresso.de, unschwer zu finden unter dem Suchbegriff: Khorchide.
Es war vom Universitäts-Exzellenzcluster „Die Herausbildung normativer Ordnungen“ angestoßen worden. An diesem Gespräch nahm auch der Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide teil, der nun auch für den zweiten Vortragsabend der Polytechnischen Gesellschaft (‚Zukunft entdecken‘) zum Thema ‚Auf dem Weg zu einem deutschen Islam‘, Teil 2, als Redner angekündigt ist. Dieser Vortrag ist einer von 10 Vorträgen, die unter den Schirmmächten von Religion, Staat und Aufklärung angesiedelt sind. Auf der Beziehung von Religion und Staat und dem Verhältnis dieser im Verhältnis zur Aufklärung Europas – und umgekehrt – sollte ein Hauptaugenmerk liegen.
Die Polytechnische Gesellschaft ist von alters her dem Agens der Aufklärung verpflichtet. Sie wurde 1816 gegründet, sieben Tochterinstitute sind eng mit ihr verbunden, damit die Wahrnehmung sozialer Verantwortung, die Pflege pädagogischer Projekte zur Förderung der Chance auf Bildung (‚Deutschsommer‘), Stiftungen zum Wohle Blinder und Sehbehinderter und die aktive Begleitung und Förderung junger Musiker; das sind für die Polytechnische herausgehobene Anliegen. Sie zieht Lehren aus dem Motto: Unmündigkeit ist ‚keine selbstverschuldete‘ (Klaus Ring), hebt sich damit von Immanuel Kant ab, der mehr eine Selbstermächtigung der Einzelpersönlichkeit zur Aufklärung propagierte. Im Aktionszentrum aller Bestrebungen und Bemühungen steht die ‚Stiftung Polytechnische Gesellschaft‘.
Die Vortragsreihe betrachtet die gegenwärtige Weltlage als große Herausforderung
Diese ist durch Umstände und Folgen der Globalisierung veranlasst. Professor Dr. Volker Mosbrugger wusste zu erklären: Trotzdem es der gesamten Menschheit so gut gehe wie nie zuvor, wachse eine Verunsicherung. Ökonomische, kulturelle und religiöse Konflikte treten vielfach auf.
Die Ankündigung zu den Vorträgen spricht ein sorgenvolles Publikum an, wenn es heißt: „Die rasanten Fortschritte bei Big Data, künstlicher Intelligenz, Robotik, Gentechnik und in zahlreichen weiteren Bereichen überfordern uns, rütteln an unserem Verständnis der Conditio humana, an unseren ethischen Vorstellungen und stellen letztlich auch Grundfesten der Demokratie infrage. Und schließlich haben wir unseren Planeten Erde so ausgebeutet, dass unsere eigene Zukunft gefährdet ist“.
Ein aufgekommener Populismus versucht das Gefühl der Verunsicherung abzugrasen und gaukelt den Verunsicherten nicht nur konstruierte Gründe für ihr Ungemach vor, sondern suggeriert ihnen auch äußerst einfache, im Endeffekt gewalttätige Lösungen für unser aller tatsächlicher oder vermeintlicher Unbill, die populistische Frontmänner zu exekutieren eine völkische wie nationale Sendung hätten.
Die Polytechnische Gesellschaft steht hingegen für Aufklärung über finstere Machenschaften und Neigungen, für „Bildung, Menschlichkeit, Verantwortung und Zusammenhalt“. Damit lehnt sie eine gespaltene Menschheit ab und steht für die eine, zusammengehörige Menschheit, die durch Herrn Gauland ausdrücklich Ablehnung erfährt.
Das Bildungsideal der 1950er Jahre reiche heute nicht mehr aus; „die gesellschaftlich relevanten Themen der Wissenschaft, auch der Technikwissenschaft gehören heute ebenso zur Bildung wie die Schönen Künste“; das heißt nichts anderes als: eine kulturelle Bildung im Geist der Humanität und Achtung des Naturschatzes tut not.
Die Präsidentschaft Prof. Dr. Volker Mosbrugger
Der Präsident der Polytechnischen Gesellschaft wurde nach Studium, Promotion und Habilitation 1990 an den Lehrstuhl für Allgemeine Paläontologie der Universität Tübingen berufen. 2005 wechselte er nach Frankfurt und übernahm die Direktion der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, vier Jahre später wurde er zum Generaldirektor der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung ernannt. Seit 2005 hält er auch parallel eine Professur für Paläontologie und Historische Geologie an der Goethe-Universität.
Nunmehr ebenso wirkungsvoll ist sein ehrenamtliches Engagement für die Polytechnische Gesellschaft. 2010 wurde er in deren Stiftungsrat berufen. Im November 2018 wurde er zum Präsidenten der Polytechnischen Gesellschaft gewählt und übernahm damit zahlreiche Ämter in den Tochterinstituten.
10 Themenabende
Die angekündigte Vortragsreihe ‚Zukunft entdecken‘, die sich den Aspekten des religiösen Interesses und der religiösen Praxis (wie auch der Wissenschaft und Lehre der Religion) in einer komplex gewordenen Welt stellt, bietet die Gelegenheit, die denkbare Zukunft einer Illusion noch einmal abzuwägen und abzuschätzen. Zurzeit scheint die Religion die Menschheit eher zu spalten als zusammenzuführen. Die Abende geben bestimmt reichlich Anlässe, das staatsbürgerliche und am großen Zug der Aufklärung orientierte Rüstzeug in mäandernden Zeiten zu erweitern und zu stärken. Ein Vortrag lautet übrigens: ‚Darf man über Religion spotten?‘ Immerhin verleitet die Religion Menschen dazu, sich in Aussagen über Dinge, die sie gänzlich und für alle Zeit überragen, zu versteigen.
Foto: Polytechniker-Haus (Polytechnische Gesellschaft Frankfurt am Main)
Info:
Vortragsreihe ‚Religion Staat Aufklärung‘. Februar bis Mai 2019, 10 Vorträge in unterschiedlichen Vortragssälen. Die Übersicht zur Themenreihe:
https://www.polytechnische.de/fileadmin/fileadmin/PTG/Presse/PM_2019I.pdf