Claudia Schubert
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Ein solches Wechselbad der Gefühle in so kurzer Zeit gab‘s in der bewegten Geschichte der Eintracht auch lange nicht. Und was des einen Freud, ist des anderen Leid. Solche Allerweltsweisheiten kommen in den Sinn, wenn die Hoffenheimer seit der 60. Minute mit 2:1 führen, dann in der 89. Minute endlich der Ausgleich kommt, aber in der letzten Minute der Nachspielzeit wie im Rausch das nächste Tor fällt, wieder für die Eintracht: zum 3.2. Arme Hoffenheimer! Wenigstens das sollten die glückserfüllten Frankfurter mitfühlen.
Dennoch wäre es falsch, davon zu sprechen, daß dieser Sieg unverdient ist. Den Sieg hätten hier beide Mannschaften verdient, denn sie lieferten den 49 500 Zuschauern über beide Halbzeiten einen mitreißenden Fußballkampf auf hohem Niveau. Die erste Halbzeit ging ganz klar an die Eintracht. Von Beginn an stürmte sie drauflos und es gab auf beiden Seiten sehr viele Torchancen. Das häuft sich inzwischen, die Lattenschüsse, die demnächst eine eigene Wertung verdienten, zum Beispiel: nach jeden 10. Lattenschuss wird ein Tor zuerkannt. Ähnlich sieht es mit den Schüssen auf den Tormann aus. Das ist nur psychologisch zu erklären, weshalb so viele Spieler – auf beiden Seiten – dem Torwart immer direkt in die Arme schießen, wo doch rechts oder links von ihm die Torchance liegt. In der 37. Minute gab‘s paradigmatisch so eine Situation, die zeigte, wie brav der Spieler sich verhielt, nicht abgezockt genug.
Als das erste Tor dann für die Eintracht fiel, war es zwar vom Spielverlauf her überfällig, aber gleichzeitig auch irgendwie zufällig. Denn als Filip Kostic seinen scharfen Freistoß ausführte, stand Ante Rebic in der Schußlinie und sein Kopf unterstützte die Richtung ins Tor zum überfälligen 1: 0.
Zum Witz im Spiel wurde dann, daß alle drei Eintrachttore mit dem Kopf erzielt wurden. Aber zuerst sah nach diesem ersten Tor alles nach einem zweiten für die Eintracht aus. Sie war in Höchstform und rannte alles nieder, ließ sich durch keinen Hoffenheimer aufhalten. Die Mannschaft spielte wirklich als aufeinander eingespieltes Team, die nur eines vermissen ließ: präzisere Torschüsse. Was da wieder alles am und über das Tor vorbeidonnerte!
Und als in der 43. Minute, also kurz vor dem Halbzeitpfiff, Joelinton mit feinem Schuß den Ausgleich zum 1:1 erzielte, erschien einem das wie ein zufälliges und auch unverdientes Tor, wo doch das 2: 0 in der Luft gelegen hatte. Aber längst hatten die Hoffenheimer ihr eigenes Spiel machen können. Sie sind hervorragende Techniker, die ebenfalls als Mannschaftsleistung ein gut durchdachtes phantasievolles Spiel drauf haben. Das zeigte sich dann nach der Pause, wo es die Kraichgauer waren, die nun aufdrehten und nicht zufällig zum 1: 2 einschossen. Das war Ishak Belfodil in der 60. Minute.
Wie gibt‘s denn so was. Aus einem Eintrachtspiel war eines der Hoffenheimer geworden. Doch dann kam die 65. Minute. Der Hoffenheimer Kasim Adams grätschte mehr als zu hart und sah die gelb-rote Karte. Das stachelte die Frankfurter Mannschaft nun doch so an, daß sie das Heft des Handelns übernahmen. Doch, es lief wieder gut, nur gab‘s kein Tor. Die Gesichter waren lang, als nun gegen Ende klar wurde, daß die Eintracht die erste Niederlage seit einigen Monaten kassieren wird. Eintrachttrainer Adi Hütter hatte von Beginn an die sogenannte Büffelherde reduziert, denn Luca Jovic saß auf der Ersatzbank und kam dann für Ante Rebic zur zweiten Halbzeit. Der bisher kaum auf dem Platz stehende, weil ständig und lange verletzte Goncalo Paciencia aus Portugal wurde in der 80. Minute für Sebastian Rode eingewechselt. Sebastien Haller spielte durchgehend und konnte endlich in der 89. Minute per Kopf den ersehnten, aber nicht mehr für möglich gehaltenen Ball ins Tor versenken, zum 2:2.
Und was dann abging, geht in die hiesige Fußballgeschichte ein. Obwohl es auch gefährliche Konter gab, blieben die Frankfurter so dominierend und mit einem hinreißenden Tordrang versehen, daß man jederzeit mit dem nächsten Tor rechnete, das aber nicht fiel. Wie auch. Ein Unentschieden war ja auch schon was. Und dann in der allerletzten Minute der Nachspielzeit war es ausgerechnet der so lange verletzte und gerade eine Viertelstunde eingewechselte Goncalo Paciencia, der richtig stand und blitzschnell und erfolgreich das dritte Kopfbachtor fiel und damit der Sieg für die Eintracht.
Wie besoffen fühlten sich auch die, die keinen Tropfen Alkohol getrunken hatten. Ein Wechselbad der Gefühle bringt solche Wirkungen. Daß Fußball Emotionen auslöst, weiß jeder. Oft auch gefährliche. Aber jetzt erfüllte die überwiegende Mehrheit im Stadion ein Glücksgefühl, das sich eben dann vor allem einstellt, wenn die Schlacht schon verloren schien, dann Gottseidank der Ausgleich fällt und dann im letzten Moment sogar noch der Sieg. Das sind unvergleichliche Gefühle. Auch deshalb lag den meisten ein Mitgefühl für die Hoffenheimer Spieler, ihre mitgereisten Fans und auch für ihren verzweifelt enttäuschten Trainer Julian Nagelsmann nahe.
P.S.
Ein Wort zur Reaktion der Eintracht Fans auf die Polizeiaktion vom vorherigen Spiel. Eindrucksvoll nutzen die Massen das Folgespiel zum Prostest gegen den Hessischen Innenminister und richteten auf den Tribünen 54 Banner gegen Peter Beuth (CDU), wie im Bild zu sehen.Übrigens auch im VIP-Bereich. In Beuth wird im Nachhinein - und das nicht zu unrecht - der Schuldige gefunden, der völlig übertrieben und gesellschaftspolitisch unsensibel den Eklat der Durchsuchung der Fanräume durch die Polizei am vorletzten Donnerstag veranlaßt hatte. Ohne die vermutete Pyrotechnik zu finden, übrigens. Aber der Aufbau der Fankurve mit der für diesen Abend besonders gearteten Choreographie war damit im Eimer und alle vorbereiteten Transparente wurden in das Stadionrund geworfen und vor dem Stadion als großer bunter Abfallhaufen gehortet. Eine unwürdige Angelegenheit, zumal im Verlauf ein Fan schwer verletzt wurde.
Gleichzeitig ist inzwischen die viel stärkere Waffe der Fans der bissige Humor, mit dem sie Beuth überziehen. Das bleibt hängen!! Und spricht sich herum, wie in Gladbach beim Spiel gegen die Bayern am letzten Freitag zu sehen war, wo es hieß: "Gladbach-Verbot für Beuth". So wird der CDU-Mann noch bundesweit bekannt, was dem Hessischen Ministerpräsidenten Bouffier sicher nicht recht ist.
Die sprachkreativen Sprüche in Frankfurt lauteten so:
DER BEUTHEL IST EIN SACK OHNE INHALT.
LÜGENBEUTHEL
STADIONVERBOT FÜR LÜGENBEUTHEL
BEUTHLIN - DU HOBBIT
DEINE GEWALT IST NUR EIN STUMMER SCHREI NACH LIEBE, was aus einem Lied der Punkband DIE ÄRZTE stammt.
u.a.
Die akkustischen Schmähgesänge waren noch kräftiger. Sie dauerten das Spiel über an, ließen dann nach, kamen nach dem Sieg erneut auf. Das bleibt ein Themal. Wir berichten.
Fotos:
Im Titelbild macht Ante Rebic eine Schwalbe ganz anderer Art, nämlich nicht im übertragenen Sinn! Eine kleine tänzerische Einlage
Die Freude ist greifbar und der Torschütze zum entscheidenden 3. Tor hier in der Mitte. Glücklich.
© Eintracht Frankfurt
Protest gegen Beuth
© JS
Info:
Eintracht Frankfurt erwartet bereits am Donenrstag im UEFA Spiel zu Hause Inter Mailand
Das nächste Bundesligaspiel ist am 11.März im Montagsspiel auswärts gegen Düsseldorf.
Hoffenheim empfängt am Sonntag, 10., den 1. FC Nürnberg
Protest gegen Beuth
© JS
Info:
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