Profi-Frauenfußball in der Mainmetropole kann so wieder Spitzenklasse werden
Claudia Schubert
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Eintracht Frankfurt und der 1. Frankfurter Fußballclub (FFC Frankfurt) - planen ab der Saison 2020/21 - unter der Flagge der Eintracht in der Frauen-Bundesliga anzutreten. Das ist vernünftig und hat folgenden Hintergrund. Echte, nämlich reine Frauenfußballvereine, haben heute nicht mehr die finanzielle Kraft Spitzenspielerinnen an sich zu binden, selbst dann, wenn sie bei ihnen ausgebildet wurden. Denn längst haben potente, früher reine Männerfußballvereine wie Bayern München oder Wolfsburg den Zug der Zeit erkannt und eigene Frauenfußballmannschaften gebildetet, die inzwischen qualitativ angesichts dessen, daß sie die Spitzenfußballerinnen durch lukrative Angebote binden können, auch die Meisterschaften gewinnen.
Allerdings haben sich die reichen Männerfußballvereine sozusagen ins gemachte Nest gesetzt. Und dieses Nest haben solche wie Siegfried Dietrich mit seinem 1. FFC gebaut. Seit über 20 Jahren ist erst Nachwuchsarbeit betrieben worden und dann eine Mannschaft entstanden, die über viele Jahre die bedeutendste Frauenmannschaft Europas war, die jährlichen Meisterschaften und die internationalen auch. Das haben wir beim 20jährigen Jubiläum des 1. FFC, der direkt aus der SG Praunheim entstand, die seit Beginn der Frauenfußballbundesliga 1990 jedes Jahr dabei war, ausführlich gewürdigt. Tatsächlich gibt es bis heute keinen Frauenfußballverein in Deutschland, der erfolgreicher war. Und das gilt nicht nur für die Siege. Denn für immer wird der 1.FFC als Pionier den Frauenfußball erst groß und bedeutsam gemacht haben. Doch in den letzten Jahren zeichnete sich ab, daß ein reiner Frauenfußballverein auf Spitzenniveau nicht mehr exitieren kann .
Bereits vor anderthalb Jahren war FFC-Manager Siegfried Dietrich im Auftrag des Vorstands an die Eintracht herangetreten, um die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit auszuloten. Aufgrund der gestiegenen wirtschaftlichen und infrastrukturellen Anforderungen im Zuge der Professionalisierung der Frauen-Bundesliga ist eine Neustrukturierung des Frauenfußball-Traditionsstandorts Frankfurt aus Sicht des FFC notwendig. In den vergangenen Monaten haben die Gremien der Eintracht Frankfurt Fußball AG den Zusammenschluss intensiv geprüft und nunmehr in der zurückliegenden Sitzung von Vorstand und Aufsichtsrat den Entschluss gefasst, einen Zusammenschluss mit Wirkung zum Saisonbeginn 2020/21 herbeizuführen.
Bei Fredi Bobic würde eine Vereinigung nicht allein aufgrund der glorreichen Vergangenheit des FFC auf große Gegenliebe stoßen. Der Sportvorstand der Eintracht Frankfurt Fußball AG hat dieses Thema in der Vergangenheit verstärkt vorangetrieben und betont entsprechend: „Als eines der ersten Mitglieder des FFC freut mich diese Entscheidung ungemein. Es ist nicht zuletzt auch ein tolles Zeichen für den Frauenfußballstandort Frankfurt, den wir als Eintracht auf diese Weise gezielt weiterentwickeln möchten. Das rege Zuschauerinteresse und die sehr guten TV-Einschaltquoten für die aktuell laufende Weltmeisterschaft unterstreichen die gestiegene Bedeutung des Frauenfußballs in den vergangenen Jahren.“ Neben Bobic, der 1998 das elfte eingetragene Mitglied wurde, gehört auch der Aufsichtsratsvorsitzende Wolfgang Steubing seit 2007 dem FFC an.
Axel Hellmann, Vorstandsmitglied von Eintracht Frankfurt, begrüßt das Vorhaben ausdrücklich: „Der 1. FFC Frankfurt ist ein großer Name im deutschen und europäischen Frauenfußball und dieser hat sich in den letzten Jahren sehr stark professionalisiert. Ich habe mich vor mehr als zehn Jahren für die Gründung eines Frauenfußballbereichs bei Eintracht Frankfurt e.V. eingesetzt und bin froh, dass wir nun einen weiteren großen Schritt in diesem Bereich machen können. Wir haben als größter und wirtschaftlich starker Klub der Region auch eine Verantwortung für den Sportstandort Frankfurt und wollen den Frauenfußball auf Topniveau erhalten. Insbesondere in der Internationalisierung der Eintracht wird uns dieser Schritt weiterhelfen und auch unsere Partner begrüßen das Vorhaben ausdrücklich.“
Siegfried „Siggi“ Dietrich, Manager und Vermarkter des 1. FFC Frankfurt sowie seit 2016 auch lebenslanges Mitglied von Eintracht Frankfurt e.V. sagt: „Der 1. FFC Frankfurt ist außerordentlich glücklich, dass sich die Verantwortlichen von Eintracht Frankfurt mit ihren Gremien dafür entschieden haben, einen gemeinsamen Weg unter einem Dach realisieren zu wollen. Mit dem angedachten Zusammenschluss liegen beide Vereine nicht nur im Trend der Zeit, sondern sie nutzen konsequent den Standort FrankfurtRheinMain, an dem der deutsche und europäische Frauenfußball in den letzten 20 Jahren Geschichte geschrieben hat. Ich bin begeistert, mit welchem Engagement Fredi Bobic und Axel Hellmann die gesamte Eintracht-Familie in unser Thema eingebunden haben und ich spüre nach vielen Vorgesprächen, dass wir als großes Team unser gemeinsames Projekt in eine erfolgreiche Zukunft führen werden. Neben der Wettbewerbsfähigkeit unseres Profiteams, spielt natürlich auch die Weiterentwicklung der Talente der U-Mannschaften von Eintracht und FFC eine große Rolle. Für uns gilt es jetzt, unsere Mitglieder und Fans sowie die engagierten Sponsoren auf dem neuen Weg mitzunehmen. Sobald alle Voraussetzungen für das geplante Miteinander feststehen, werden wir das Perspektiv-Konzept in der FFC-Mitgliederversammlung vorstellen.“
Verläuft die Eingliederung planmäßig, könnte Eintracht Frankfurt mit der Lizenz des 1. FFC Frankfurt ab der Saison 2020/21 in der Frauenfußball-Bundesliga antreten. Der gesamte Profi-Bereich wäre dann dem Lizenzspielerbereich unter der Gesamtverantwortung von Sportvorstand Fredi Bobic zugeordnet. Für die genaue Eingliederung der weiteren Frauen- und Nachwuchsmannschaften des FFC wird gemeinsam mit den verantwortlichen Personen von Eintracht Frankfurt e.V. und dem 1. FFC Frankfurt ein Konzept erarbeitet. Die operative sportliche Verantwortung soll nach einer Übergangsphase mittelfristig ein eigener, für den Frauenfußball zuständiger Sportdirektor übernehmen. Bis dahin übernimmt weiter Siggi Dietrich als Generalbevollmächtigter für den Frauenfußball der Eintracht Frankfurt Fußball AG auch für die sportlichen Belange im Profi-Frauenfußball die operative Verantwortung.
Der 1. FFC spielt wie die Eintracht in der höchsten deutschen Spielklasse und ist mit sieben Meisterschaften, neun Pokal- und vier Champions League-Siegen der erfolgreichste Frauenfußballklub Deutschlands. In der ewigen Tabelle grüßt der FFC mit 1.059 Punkten von Platz eins. Der Tabellenfünfte der abgelaufenen Saison war 1998 aus der SG Praunheim hervorgegangen und hat sich mit der Unterstützung von vielen Top-Partnern fast zwei Jahrzehnte als einer der Vorreiter in Deutschland und Europa einen Namen gemacht. In den nächsten Monaten gilt es, die rechtlichen, strukturellen und nicht zuletzt auch die sportlichen Voraussetzungen zu schaffen, um das gemeinsame Vorhaben in das finale Fahrwasser zu bringen.
Fotos:
Eine typische Situation, die eine kommt, die andere geht. Es geht Marith Müller-Prießen, bisher Kapitänin des 1. FFC (rechts).
Es kommt die brasilianische WM-Teilnehmerin Letícia Santos de Oliveira (links)
beide Fotos © Carlotta Erler