
Heiz Markert
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Nichts Besseres kommt nach, lautete immer wieder eine Sentenz der Vorfahren. Ganz unrecht hatten sie darin nicht, wenngleich uns klar war, dass die Gegenwart nicht bruch- und restlos in die Zukunft transferiert und aufbewahrt werden kann. An der Vergangenheit ist schließlich nicht alles Gold.
Rettung aber muss dem Geiste nach auch für Dinge möglich sein. Wer jedoch von Geist redet, kann leicht darob hämisch abgefertigt werden. Leuchttürme des Besseren sind allemal das Bauhaus und das Neue Frankfurt.
Bilder der mythischen Vorgeschichte
Als Junge habe ich nicht nur auch Comics gelesen, ähnlich wie das Kollege Mertens kürzlich für seine Person beschrieben hat, wobei ich mich auch an die Illustrierten Klassiker gerne erinnere. Sie vermittelten die Kerngeschichte auf deftige Weise. Das ergab die Grundlage für spätere Verfeinerungen. Im Bund mit Gleichaltrigen hatte auch die gloriose Vergangenheit der Westernwelt ihre zentrale Funktion für die Grundlegung der Persönlichkeit.
Besonders reizvoll war in jenen Zeiten der kleine Bahnhof der Butzbach-Licher-Bahn, der etwas von einem Westerner-Bahnhof hat. Dieses Gepräge ist noch immer in Kraft. Hier wurden um 2014 Szenen eines Tatorts gedreht. Von hier aus startete der Schienenbus in das Dorf meiner Geburt, bis die Strecke aus Rationalisierungsgründen dran glauben musste. In Dorfnähe wurde in den Ferien auf der nahen „Hölle“ dort umhergestreift. Die Hölle vermittelte einen Restbestand des Vulkanismus. Dieser ist längst in einer riesigen Sandkaut aufgegangen. Aus ihr wurden und werden womöglich noch weitere unabsehbare Mengen an Sand entnommen. Die kleine Höllenfläche hatte einen Wackelfelsen. Damals konnte am Abbruch mit Phantasie wie zu Western-Zeiten geklettert werden. Es war zu jener Zeit allgemein wenig reglementiert. Das "Tal der siebzehn Bäume" dürfte es auch nicht mehr geben. War lange nicht mehr in dieser begrenzten Gegend, die im Wesentlichen endterminiert wurde. Was uns später sehr fuchste.
Der Tellerberg bei Münzenberg repräsentierte einst die große weite Welt
So gaben es die Vorfahren an. Zu Schulzeiten war er ihr Ausflugsziel. Der alte kleine Bahnhof in Bad Nauheim vermittelte, wie angedeutet, auch seinen eigenen Reiz von Ferne, obwohl er klein war (und ist). In ihm habe ich oft auf die Bahn gewartet. Mit dem Schienenbus gings ins Dorf. Ob er noch irgendwo verborgen steht? Die kleine Halle samt Räumlichkeit hat noch immer etwas vom Gepräge eines Western-Bahnhofs. Damit verbindet sich für mich eine Sehnsucht. Ich las in halbwüchsiger Zeit hier beim Warten mal in einem Groschen-Western-Roman. Sonst war James Fenimore Cooper eigentlich die vornehmliche Lektüre für das Genre. Eine während des Wartens am Bahnhof gelesene glückvolle Szene zwischen einem weißen Präriewesterner und einem Indianer kommt mir immer wieder in Erinnerung, weil es da zwischen den sonst vermeintlich so verschiedenen Völkern (Eindringlingen und Indigenen) mal ausnehmend gut klappte. Einen Reiz bot auch der kleine Tunnel unter dem Bad Nauheimer Gleisfeld, der vom großen Bahnhof zur Station der Lokalstrecke begangen werden musste
Urbild eines Ortes der Sehnsucht: Amorbach


Macht die kleine Bahn regional wieder fit
Was meine Wenigkeit betrifft, so bin ich längst darauf gekommen, von Frankfurt in das Dorf meiner Geburt mit dem Fahrrad zu fahren. Den einen Tag hin, den andern zurück. Passt gerade. Die Butzbach-Licher-Bahn war zu ihrer aktiven Zeit übrigens leistungsfähig. Ich musste aus gegebenen Umständen in jugendlicher Zeit mal über 14 Tage unter der Woche von Rockenberg nach Frankfurt zur Lehrstelle in die Hanauer Landstraße reisen. So etwa um halb fünf wurde ich von der Tante geweckt. Ich verwundere mich noch heute, aber ich kam stets pünktlich zum vorgeschriebenen Arbeitsbeginn um Viertelnachsieben in der Hanauer Landstraße an. Es waren nicht wenige, die allwerktagsmorgens aus dem Einzugsbereich der Butzbach-Licher-Eisenbahn Richtung Frankfurt fuhren.
Die Bahn hat ihr System spätestens nach 1994 endgültig runtergewirtschaftet. Mit Bahnchefs wie Dürr, Grube und Mehdorn. Anschlüsse und Geleise wurden abgebaut. Das Inland wurde ihr zur Last. Dahinter steckt der Kapitalismus, den sie ohne Not übernommen hat, wie es dem Zeitgeist entsprach. Und dem Shareholder Value. Der Kapitalismus öffnet die Schleusen für die schlechten Neigungen und hat daher keine Zukunft, sofern die Menschheit überleben will.
Die Butzbach-Licher-Eisenbahnfreunde e. V. haben es sich zur Aufgabe gemacht, „die Geschichte und einige ehemalige Fahrzeuge der Butzbach-Licher Eisenbahn zu erhalten“. Es kann auf der Strecke freizeitmäßig also wieder gefahren werden.
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Heinz Markert