Redaktion
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Evelyn Brockhoff, langjährige Direktorin des Instituts für Stadtgeschichte, wurde am Donnerstag, dem 8. Juli 2021 im Kaisersaal feierlich in den Ruhestand verabschiedet. Sicher gibt es immer wieder Verabschiedungen von Personen, die für das intellektuelle und emotionale Gedeien einer Stadt besonders wichtig waren, über die WELTEXPRESSO dennoch nicht berichtet, wie gerade die Verabschiedung des Leiters des Frankfurter Gesundheitsamtes. Aber bei Evelyn Brockhoff müssen wir einfach Dank abstatten, mit wieviel Sachkenntnis und persönlichem Engagement sie das Institut für Stadtgeschichte zu einem lebendigen Ort in Frankfurt gemacht hat. Natürlich sind diese interessanten Veranstaltungen auch immer Sache des Teams, das aber wiederum sie zusammengestellt hat.
Oberbürgermeister Peter Feldmann würdigte die 25-jährige Tätigkeit: „Heute schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Das eine gönnt Ihnen den Ruhestand und wünscht Ihnen alles Gute für diese neue Lebensphase. Das andere ist froh, dass uns Ihre Expertise weiter zur Verfügung steht. Erst vor ein paar Tagen haben Sie die Einladung von Kulturstaatsministerin Monika Grütters angenommen, in der Expertenkommission zur Zukunft der Paulskirche mitzuwirken. Zu sagen, dass Sie die Geschichte dieses Gebäudes wie Ihre Westentasche kennen, ist eine Untertreibung.“
Evelyn Brockhoff wurde 1955 als Evelyn Hils in Frankfurt geboren. Nach dem Abitur an der Frankfurter Freiherr-vom-Stein-Schule studierte Brockhoff Kunstgeschichte, Archäologie und Kulturanthropologie an der Goethe-Universität. Dort promovierte sie 1987 über den klassizistischen Frankfurter Stadtbaumeister Johann Friedrich Christian Hess, der unter anderem der Paulskirche der Vorkriegszeit ihr Gesicht gegeben hatte. Diese Arbeit begründete ihre enge Verbindung mit der Paulskirche während ihres gesamten Berufslebens.
Evelyn Brockhoff wurde 1955 als Evelyn Hils in Frankfurt geboren. Nach dem Abitur an der Frankfurter Freiherr-vom-Stein-Schule studierte Brockhoff Kunstgeschichte, Archäologie und Kulturanthropologie an der Goethe-Universität. Dort promovierte sie 1987 über den klassizistischen Frankfurter Stadtbaumeister Johann Friedrich Christian Hess, der unter anderem der Paulskirche der Vorkriegszeit ihr Gesicht gegeben hatte. Diese Arbeit begründete ihre enge Verbindung mit der Paulskirche während ihres gesamten Berufslebens.
Seit 1985 arbeitete Evelyn Brockhoff für die Stadt Frankfurt am Main. „Die Karriere von Evelyn Brockhoff im Dienste der Stadt Frankfurt deckt sich mit einer Ära, die zu den glücklicheren in der Stadtgeschichte gehört“, so FAZ-Journalist Dr. Matthias Alexander in seinem Festvortrag. „Frankfurt hat sein architektonisches Erbe schätzen gelernt, und Frankfurt ist sich seiner selbst bewusster geworden; zu beidem hat Frau Brockhoff maßgeblich beigetragen.“ Sie konzipierte und realisierte in den ersten beiden Jahren mehrere historische Ausstellungen und betreute im Zusammenhang mit der Gesamtsanierung der Paulskirche die Gestaltungswettbewerbe für das Wandbild in der Wandelhalle, die Glasfenster, die Glocken und die Fahnen.
Von 1986 bis 1989 war sie Grundsatzreferentin des Frankfurter Oberbürgermeisters und danach bis 1996 als Kustodin, Archivleiterin und stellvertretende Direktorin des Deutschen Architekturmuseums Frankfurt tätig. Vor fast genau 25 Jahren, am 1. Juli 1996, kam sie als stellvertretende Leiterin zum Institut für Stadtgeschichte, das sie seit 2004 leitete. „Evelyn Brockhoff war die erste Frau an der Spitze des kommunalen Archivs der Stadt Frankfurt“, hob die Dezernentin für Kultur und Wissenschaft Dr. Ina Hartwig in ihrer Rede hervor. „Dass ein Archiv kein Tresor ist, sondern ein Wissensspeicher, der jedem offensteht, dafür hat Evelyn Brockhoff immer geworben und in diesem Sinn hat sie das Institut für Stadtgeschichte weiterentwickelt. Unermüdlich hat sie daraufhin gewirkt, Geschichte verständlicher zu machen und ein Geschichtsbewusstsein zu fördern. Bedeutende Bestände und Nachlässe konnte Evelyn Brockhoff sichern und hat damit nicht nur die ‚Schatzkammer‘ des Hauses erweitert, sondern wichtige Impulse für die Erinnerungskultur dieser Stadt gegeben.
Die aufwendige Sanierung des Karmeliterklosters mit seinen wunderschönen Wandmalereien von Jörg Ratgeb von 2006 bis 2010 gehört zu den großen Leistungen ihrer Amtszeit. Evelyn Brockhoff ist eng mit Frankfurt am Main, der Geschichte und Kultur dieser Stadt verbunden – und hat sie, vor allem als Leiterin des Instituts für Stadtgeschichte, mitgeprägt. Als Frankfurter Kulturdezernentin aber auch ganz persönlich möchte ich Evelyn Brockhoff danken: für ihren unermüdlichen Einsatz für Frankfurts Geschichte, die Sie immer als Zukunftsaufgabe verstanden hat!“
VOM STADTARCHIV ZUM ZENTRUM FÜR GESCHICHTE
Das bis 1992 Stadtarchiv genannte Archiv verwahrt seit 1436 die historischen Dokumente Frankfurts. Es ist eines der größten Kommunalarchive in Deutschland und die älteste kulturelle Einrichtung der Stadt. Seit 1959 hat es seinen Sitz im mittelalterlichen Karmeliterkloster. Mit großem Engagement und viel Überzeugungskraft widmete sich Brockhoff der Aufgabe, das Archiv in ein öffentlich wirksames Haus, ein Zentrum für Geschichte, zu verwandeln. Ihr Ziel war es, sowohl die Bestände des Instituts für Stadtgeschichte als auch die Räume des Karmeliterklosters einer breiteren Öffentlichkeit bekannt und zugänglich zu machen. Das Stadtarchiv verfügte bei ihrem Amtsantritt nur über Büroräume im Karmeliterkloster. Das Dormitorium im Obergeschoss, das Refektorium im Erdgeschoss und der Kreuzgang mit den weltberühmten Wandgemälden Jörg Ratgebs (um 1480-1526) konnten nicht genutzt werden und führten ein Schattendasein im öffentlichen Bewusstsein der Stadt. „Ich habe das Karmeliterkloster von Beginn an als kunsthistorisches Juwel empfunden und all meine Kraft in dessen Aufwertung gesteckt“, erinnert sich Evelyn Brockhoff.
Es gelang ihr zusammen mit dem stellvertretenden Direktor des Archäologischen Museums Prof. Egon Wamers, städtische Entscheider von dem erarbeiteten Konzept eines gemeinsamen „Zentrums für Geschichte“ zu überzeugen: 1998 beschlossen die Stadtverordneten und der Magistrat die Nutzung des gesamten Karmeliterklosters durch das Institut für Stadtgeschichte und das Archäologische Museum. Das Dormitorium im ersten Obergeschoss wurde in einen Lesesaalbereich und einen Ausstellungs- und Vortragssaal umgebaut. Ein umfangreiches und interessantes Programm aus Ausstellungen und Vorträgen, Führungen und Konzerten vervielfachte die Besucherzahlen innerhalb weniger Jahre. 2004 verkaufte die Stadt der Europäischen Zentralbank die Großmartkhalle, wo das Institut für Stadtgeschichte seit 1964 einen Großteil seiner Archivalien ausgelagert hatte.
Brockhoff gelang es wiederum, Stadtverordnete und Magistrat vom Bau eines eigenen Magazingebäudes an der Borsigallee zu überzeugen. Mit diesem 2006 eingeweihten, hochmodernen Archivbau verfügt das Institut für Stadtgeschichte seither erstmals über optimal klimatisierte Räume, große Restaurierungswerkstätten und genügend Platz für weitere Archivalienzugänge. Damit fand die provisorische Unterbringung der Bestände seit der Nachkriegszeit ein Ende und die Archivalien des Instituts für Stadtgeschichte ein zukunftsfähiges neues Zuhause. Die gestiegene Bedeutung des Instituts für Stadtgeschichte in der Stadt ebnete den Weg für eine umfassende Sanierung und Modernisierung des Karmeliterklosters in den Jahren 2006 bis 2010. Es entstanden nach Brockhoffs Vorstellungen repräsentative Räumlichkeiten für Ausstellungen und Veranstaltungen, die auch von Dritten für Events angemietet werden können.
Die Wandbilder von Jörg Ratgeb im Refektorium und im Kreuzgang wurden im Zuge der Sanierungen aufwendig restauriert. In Ausstellungen, Vorträgen, Symposien, Erzählcafés und digitalen Präsentationen werden die Archivalien im Institut für Stadtgeschichte zum Sprechen gebracht und die Stadtgeschichte in die Stadtöffentlichkeit getragen; Führungen durch das Kloster und zu den Ratgebwandbildern sowie Konzerte unterstreichen die besondere Bedeutung und einmalige Atmosphäre dieses kunsthistorischen Kleinods. 2014 wurde Evelyn Brockhoff der Hessische Verdienstorden verliehen und damit gewürdigt, dass sie das Institut für Stadtgeschichte zu einem modernen Informations- und Dienstleistungszentrum ausgebaut und entscheidende Akzente für die Erinnerungskultur Frankfurts gesetzt hat.
AUSBAU DER SAMMLUNGEN DES INSTITUTS FÜR STADTGESCHICHTE
Evelyn Brockhoff sicherte in ihrer Amtszeit dem Institut für Stadtgeschichte neben den Unterlagen städtischer Ämter und Betriebe auch wichtige Bestände der Stadtgesellschaft. „Eine moderne Geschichtsschreibung darf sich nicht nur auf amtliche Akten stützen“, begründet Brockhoff ihr Augenmerk auf den Ausbau der Sammlungsabteilung im Institut für Stadtgeschichte.
Zu den wichtigen Neuzugängen der zurückliegenden 25 Jahre zählen u.a. die Archive des Bankhauses Bethmann, des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels mit dem Friedenspreisarchiv, des Frankfurter Volkstheaters Liesel Christ, des TAT, der Frankfurter Museumsgesellschaft oder des Frankfurter Turnvereins 1860. Das Phillipp-Holzmann-Archiv, die Unterlagen der Saalbau GmbH, der Aktiengesellschaft für kleine Wohnungen sowie von Dröll und Scheuermann ergänzen die kriegsbedingt sehr schlechte Überlieferung an Bauakten und -plänen. Die Bestände Dr. Senckenbergische Stiftung und Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung werden derzeit im Rahmen eines DFG-Projektes digitalisiert. Außerdem konnte Brockhoff unter anderem die kompletten Ausgaben des Frankfurter Generalanzeigers (1876-1943) übernehmen.
Auch private Nach- und Vorlässe wie die der ehemaligen Oberbürgermeister Rudi Arndt, Walter Kolb, Wolfram Brück und Petra Roth und der Magistrats- und Stadtverordnetenmitglieder Hilmar Hoffmann, Ernst Gerhardt und Frolinde Balser wurden von Brockhoff für das Institut für Stadtgeschichte gesichert. Dies gilt auch für die Sammlung Lerch, die unter anderem Dokumente zu allen Bombardierungen auf Frankfurt beinhaltet. Der private Nachlass des Nobelpreisträgers Otto Hahn konnte ebenso wie der des Jazzmusikers Albert Mangelsdorff und des Musikers und Konzertveranstalters Horst Lippmann gewonnen werden. Für einen lange von ihr gehegten Wunsch, ein Frankfurter Jazzarchiv aufzubauen, konnte somit der Grundstock gelegt werden.
Das Bildarchiv des Instituts für Stadtgeschichte wuchs in den vergangenen 25 Jahren zu einem der größten Bildarchive Hessens mit über zwei Millionen Bildern. Bedeutende Fotosammlungen wie die der Frankfurter Rundschau oder der Fotografen Klaus Meyer-Ude und Mickey Bohnacker kamen zu den bestehenden Stadtansichten hinzu.
Die Erschließung der schriftlichen und bildlichen Materialien im Institut für Stadtgeschichte wurde von Evelyn Brockhoff mit Nachdruck vorangetrieben, sodass sie nun zum großen Teil digital recherchiert werden können. Gleichzeitig stellte sie früh die Weichen für die digitale Langzeitarchivierung jener Unterlagen, die digital entstehen. Im Februar 2015 hat das Institut für Stadtgeschichte als erste Kommune in Hessen ein Digitales Langzeitarchiv eingerichtet. Auch viele noch analoge Dokumente werden weiterhin digitalisiert, um die Recherche und Benutzung zu vereinfachen und das Archivgut zu schützen.
AUSSTELLUNGEN UND PUBLIKATIONEN
Evelyn Brockhoff kuratierte und verantwortete mit ihrem Team seit 1985 insgesamt 140 Ausstellungen zur Stadtgeschichte, von denen einige wichtige genannt werden sollen: 1985 „Klassizistische Architektur in Frankfurt am Main. Jubiläumsausstellung zum 200. Geburtstag des Frankfurter Stadtbaumeisters Johann Friedrich Christian Hess (1785-1845)“ (Historisches Museum), 1990 bis heute „Von der Urhütte zum Wolkenkratzer“ (Dauerausstellung im Deutschen Architektur-Museum), 1998 bis heute „Die Paulskirche. Symbol demokratischer Freiheit und nationaler Einheit“ (Dauerausstellung in der Paulskirche), gefolgt von mehreren weiteren Ausstellungen in der Paulskirche; 2003 und neu aufgelegt 2011 im Institut für Stadtgeschichte „Jörg Ratgeb (um 1480-1526). Die Programme seiner Wandbilder im Karmeliterkloster Frankfurt am Main“; 2004 bis 2005 „Der Frankfurt Sound. Eine Zeitreise in Jazz“.
Zur 650-Jahr-Feier der Goldenen Bulle, von der das Institut für Stadtgeschichte das Frankfurter Exemplar verwahrt, organisierte Evelyn Brockhoff 2006 die vielbeachtete Ausstellung „Die Kaisermacher“ in Kooperation mit dem Historischen Museum, dem Dommuseum und dem Jüdischen Museum. 2013 wurde die Goldene Bulle schließlich in das UNESCO-Weltdokumentenerbe aufgenommen. 2011 präsentierte Brockhoff in einer Ausstellung „Das Gedächtnis Frankfurts. 575 Jahre Institut für Stadtgeschichte“; 2015 „Max Beckmann kommt nach Frankfurt. Druckgraphik 1915-1925“; 2019 wurde unter dem Titel „Clara Schumann - Eine moderne Frau im Frankfurt des 19. Jahrhunderts“ der Komponistin im Institut für Stadtgeschichte eine auch überregional vielbeachte Ausstellung gewidmet.
Vor allem den Frankfurter Künstlerinnen und Künstlern bot Brockhoff in den sogenannten Foyerausstellungen regelmäßig eine Bühne.
Ihre Publikationen und Herausgeberschaften umfassen mehr als 100 Titel zur Kunst- und Architekturgeschichte der Stadt, von denen nur einige genannt sein können. Als Herausgeberin verantwortete und verantwortet sie die Publikationsreihen „Schriftenreihe zur Plan- und Modellsammlung des Deutschen Architektur-Museums“, „Studien zur Frankfurter Geschichte“, „Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst“ und die „Kleinen Schriften des Instituts für Stadtgeschichte“. Ihre Dissertation wurde 1988 veröffentlicht unter dem Titel „Johann Friedrich Christian Hess. Stadtbaumeister des Klassizismus in Frankfurt am Main von 1816-1845“. Zu den Ausstellungen gab sie begleitende Kataloge heraus, darunter 1998 (überarbeitete Fassung 2004) gemeinsam mit Sabine Hock „Die Paulskirche. Symbol demokratischer Freiheit und nationaler Einheit, Frankfurt am Main“. 1999 (und neu aufgelegt 2014) gab sie den Band „Das Karmeliterkloster in Frankfurt am Main. Geschichte und Kunstdenkmäler“ heraus, 2006 gemeinsam mit Michael Matthäus den Ausstellungskatalog „Die Kaisermacher. Frankfurt am Main und die Goldene Bulle 1356-1806“, 2013 erschien zur 575-Jahrfeier „Das Institut für Stadtgeschichte. Seit 1436 das Gedächtnis Frankfurts“, 2015 veröffentlichte Brockhoff gemeinsam mit Klaus Gallwitz den Ausstellungskatalog „Max Beckmann kommt nach Frankfurt. Druckgraphik 1915-1925“.
Im Jahr 2016 gab sie den Band „Von der Steinzeit bis in die Gegenwart. 8.000 Jahre städtebauliche Entwicklung in Frankfurt am Main“ heraus; 2018 fasste sie „Die Entwicklung der Altstadt bis 1944“ in einem Aufsatz zusammen (in: Matthias Alexander (Hrsg.): Die Neue Altstadt, Band 1: Frankfurt am Main 2018). Zuletzt erschien von ihr 2020 der Sammelband „Die Frankfurter Paulskirche. Ort der deutschen Demokratie“.
Der Abschied vom Institut für Stadtgeschichte fällt Evelyn Brockhoff nicht leicht: „Ich bin jeden einzelnen Tag gerne in das wunderschöne Karmeliterkloster gekommen und ich danke allen Verantwortlichen dieser Stadt, meinem Team und den vielen Kooperationspartnern, dass ich meinem Herzenswusch, die bedeutenden historischen Quellen unserer Stadt einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen, nachkommen durfte.“ Sie wird weiterhin in zahlreichen städtischen Vereinen und Gremien aktiven Anteil am kulturellen und wissenschaftlichen Leben der Stadt nehmen.
Foto:
©Uwe Dettmar
Info:
Quelle: Stadt Frankfurt am Main
Von 1986 bis 1989 war sie Grundsatzreferentin des Frankfurter Oberbürgermeisters und danach bis 1996 als Kustodin, Archivleiterin und stellvertretende Direktorin des Deutschen Architekturmuseums Frankfurt tätig. Vor fast genau 25 Jahren, am 1. Juli 1996, kam sie als stellvertretende Leiterin zum Institut für Stadtgeschichte, das sie seit 2004 leitete. „Evelyn Brockhoff war die erste Frau an der Spitze des kommunalen Archivs der Stadt Frankfurt“, hob die Dezernentin für Kultur und Wissenschaft Dr. Ina Hartwig in ihrer Rede hervor. „Dass ein Archiv kein Tresor ist, sondern ein Wissensspeicher, der jedem offensteht, dafür hat Evelyn Brockhoff immer geworben und in diesem Sinn hat sie das Institut für Stadtgeschichte weiterentwickelt. Unermüdlich hat sie daraufhin gewirkt, Geschichte verständlicher zu machen und ein Geschichtsbewusstsein zu fördern. Bedeutende Bestände und Nachlässe konnte Evelyn Brockhoff sichern und hat damit nicht nur die ‚Schatzkammer‘ des Hauses erweitert, sondern wichtige Impulse für die Erinnerungskultur dieser Stadt gegeben.
Die aufwendige Sanierung des Karmeliterklosters mit seinen wunderschönen Wandmalereien von Jörg Ratgeb von 2006 bis 2010 gehört zu den großen Leistungen ihrer Amtszeit. Evelyn Brockhoff ist eng mit Frankfurt am Main, der Geschichte und Kultur dieser Stadt verbunden – und hat sie, vor allem als Leiterin des Instituts für Stadtgeschichte, mitgeprägt. Als Frankfurter Kulturdezernentin aber auch ganz persönlich möchte ich Evelyn Brockhoff danken: für ihren unermüdlichen Einsatz für Frankfurts Geschichte, die Sie immer als Zukunftsaufgabe verstanden hat!“
VOM STADTARCHIV ZUM ZENTRUM FÜR GESCHICHTE
Das bis 1992 Stadtarchiv genannte Archiv verwahrt seit 1436 die historischen Dokumente Frankfurts. Es ist eines der größten Kommunalarchive in Deutschland und die älteste kulturelle Einrichtung der Stadt. Seit 1959 hat es seinen Sitz im mittelalterlichen Karmeliterkloster. Mit großem Engagement und viel Überzeugungskraft widmete sich Brockhoff der Aufgabe, das Archiv in ein öffentlich wirksames Haus, ein Zentrum für Geschichte, zu verwandeln. Ihr Ziel war es, sowohl die Bestände des Instituts für Stadtgeschichte als auch die Räume des Karmeliterklosters einer breiteren Öffentlichkeit bekannt und zugänglich zu machen. Das Stadtarchiv verfügte bei ihrem Amtsantritt nur über Büroräume im Karmeliterkloster. Das Dormitorium im Obergeschoss, das Refektorium im Erdgeschoss und der Kreuzgang mit den weltberühmten Wandgemälden Jörg Ratgebs (um 1480-1526) konnten nicht genutzt werden und führten ein Schattendasein im öffentlichen Bewusstsein der Stadt. „Ich habe das Karmeliterkloster von Beginn an als kunsthistorisches Juwel empfunden und all meine Kraft in dessen Aufwertung gesteckt“, erinnert sich Evelyn Brockhoff.
Es gelang ihr zusammen mit dem stellvertretenden Direktor des Archäologischen Museums Prof. Egon Wamers, städtische Entscheider von dem erarbeiteten Konzept eines gemeinsamen „Zentrums für Geschichte“ zu überzeugen: 1998 beschlossen die Stadtverordneten und der Magistrat die Nutzung des gesamten Karmeliterklosters durch das Institut für Stadtgeschichte und das Archäologische Museum. Das Dormitorium im ersten Obergeschoss wurde in einen Lesesaalbereich und einen Ausstellungs- und Vortragssaal umgebaut. Ein umfangreiches und interessantes Programm aus Ausstellungen und Vorträgen, Führungen und Konzerten vervielfachte die Besucherzahlen innerhalb weniger Jahre. 2004 verkaufte die Stadt der Europäischen Zentralbank die Großmartkhalle, wo das Institut für Stadtgeschichte seit 1964 einen Großteil seiner Archivalien ausgelagert hatte.
Brockhoff gelang es wiederum, Stadtverordnete und Magistrat vom Bau eines eigenen Magazingebäudes an der Borsigallee zu überzeugen. Mit diesem 2006 eingeweihten, hochmodernen Archivbau verfügt das Institut für Stadtgeschichte seither erstmals über optimal klimatisierte Räume, große Restaurierungswerkstätten und genügend Platz für weitere Archivalienzugänge. Damit fand die provisorische Unterbringung der Bestände seit der Nachkriegszeit ein Ende und die Archivalien des Instituts für Stadtgeschichte ein zukunftsfähiges neues Zuhause. Die gestiegene Bedeutung des Instituts für Stadtgeschichte in der Stadt ebnete den Weg für eine umfassende Sanierung und Modernisierung des Karmeliterklosters in den Jahren 2006 bis 2010. Es entstanden nach Brockhoffs Vorstellungen repräsentative Räumlichkeiten für Ausstellungen und Veranstaltungen, die auch von Dritten für Events angemietet werden können.
Die Wandbilder von Jörg Ratgeb im Refektorium und im Kreuzgang wurden im Zuge der Sanierungen aufwendig restauriert. In Ausstellungen, Vorträgen, Symposien, Erzählcafés und digitalen Präsentationen werden die Archivalien im Institut für Stadtgeschichte zum Sprechen gebracht und die Stadtgeschichte in die Stadtöffentlichkeit getragen; Führungen durch das Kloster und zu den Ratgebwandbildern sowie Konzerte unterstreichen die besondere Bedeutung und einmalige Atmosphäre dieses kunsthistorischen Kleinods. 2014 wurde Evelyn Brockhoff der Hessische Verdienstorden verliehen und damit gewürdigt, dass sie das Institut für Stadtgeschichte zu einem modernen Informations- und Dienstleistungszentrum ausgebaut und entscheidende Akzente für die Erinnerungskultur Frankfurts gesetzt hat.
AUSBAU DER SAMMLUNGEN DES INSTITUTS FÜR STADTGESCHICHTE
Evelyn Brockhoff sicherte in ihrer Amtszeit dem Institut für Stadtgeschichte neben den Unterlagen städtischer Ämter und Betriebe auch wichtige Bestände der Stadtgesellschaft. „Eine moderne Geschichtsschreibung darf sich nicht nur auf amtliche Akten stützen“, begründet Brockhoff ihr Augenmerk auf den Ausbau der Sammlungsabteilung im Institut für Stadtgeschichte.
Zu den wichtigen Neuzugängen der zurückliegenden 25 Jahre zählen u.a. die Archive des Bankhauses Bethmann, des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels mit dem Friedenspreisarchiv, des Frankfurter Volkstheaters Liesel Christ, des TAT, der Frankfurter Museumsgesellschaft oder des Frankfurter Turnvereins 1860. Das Phillipp-Holzmann-Archiv, die Unterlagen der Saalbau GmbH, der Aktiengesellschaft für kleine Wohnungen sowie von Dröll und Scheuermann ergänzen die kriegsbedingt sehr schlechte Überlieferung an Bauakten und -plänen. Die Bestände Dr. Senckenbergische Stiftung und Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung werden derzeit im Rahmen eines DFG-Projektes digitalisiert. Außerdem konnte Brockhoff unter anderem die kompletten Ausgaben des Frankfurter Generalanzeigers (1876-1943) übernehmen.
Auch private Nach- und Vorlässe wie die der ehemaligen Oberbürgermeister Rudi Arndt, Walter Kolb, Wolfram Brück und Petra Roth und der Magistrats- und Stadtverordnetenmitglieder Hilmar Hoffmann, Ernst Gerhardt und Frolinde Balser wurden von Brockhoff für das Institut für Stadtgeschichte gesichert. Dies gilt auch für die Sammlung Lerch, die unter anderem Dokumente zu allen Bombardierungen auf Frankfurt beinhaltet. Der private Nachlass des Nobelpreisträgers Otto Hahn konnte ebenso wie der des Jazzmusikers Albert Mangelsdorff und des Musikers und Konzertveranstalters Horst Lippmann gewonnen werden. Für einen lange von ihr gehegten Wunsch, ein Frankfurter Jazzarchiv aufzubauen, konnte somit der Grundstock gelegt werden.
Das Bildarchiv des Instituts für Stadtgeschichte wuchs in den vergangenen 25 Jahren zu einem der größten Bildarchive Hessens mit über zwei Millionen Bildern. Bedeutende Fotosammlungen wie die der Frankfurter Rundschau oder der Fotografen Klaus Meyer-Ude und Mickey Bohnacker kamen zu den bestehenden Stadtansichten hinzu.
Die Erschließung der schriftlichen und bildlichen Materialien im Institut für Stadtgeschichte wurde von Evelyn Brockhoff mit Nachdruck vorangetrieben, sodass sie nun zum großen Teil digital recherchiert werden können. Gleichzeitig stellte sie früh die Weichen für die digitale Langzeitarchivierung jener Unterlagen, die digital entstehen. Im Februar 2015 hat das Institut für Stadtgeschichte als erste Kommune in Hessen ein Digitales Langzeitarchiv eingerichtet. Auch viele noch analoge Dokumente werden weiterhin digitalisiert, um die Recherche und Benutzung zu vereinfachen und das Archivgut zu schützen.
AUSSTELLUNGEN UND PUBLIKATIONEN
Evelyn Brockhoff kuratierte und verantwortete mit ihrem Team seit 1985 insgesamt 140 Ausstellungen zur Stadtgeschichte, von denen einige wichtige genannt werden sollen: 1985 „Klassizistische Architektur in Frankfurt am Main. Jubiläumsausstellung zum 200. Geburtstag des Frankfurter Stadtbaumeisters Johann Friedrich Christian Hess (1785-1845)“ (Historisches Museum), 1990 bis heute „Von der Urhütte zum Wolkenkratzer“ (Dauerausstellung im Deutschen Architektur-Museum), 1998 bis heute „Die Paulskirche. Symbol demokratischer Freiheit und nationaler Einheit“ (Dauerausstellung in der Paulskirche), gefolgt von mehreren weiteren Ausstellungen in der Paulskirche; 2003 und neu aufgelegt 2011 im Institut für Stadtgeschichte „Jörg Ratgeb (um 1480-1526). Die Programme seiner Wandbilder im Karmeliterkloster Frankfurt am Main“; 2004 bis 2005 „Der Frankfurt Sound. Eine Zeitreise in Jazz“.
Zur 650-Jahr-Feier der Goldenen Bulle, von der das Institut für Stadtgeschichte das Frankfurter Exemplar verwahrt, organisierte Evelyn Brockhoff 2006 die vielbeachtete Ausstellung „Die Kaisermacher“ in Kooperation mit dem Historischen Museum, dem Dommuseum und dem Jüdischen Museum. 2013 wurde die Goldene Bulle schließlich in das UNESCO-Weltdokumentenerbe aufgenommen. 2011 präsentierte Brockhoff in einer Ausstellung „Das Gedächtnis Frankfurts. 575 Jahre Institut für Stadtgeschichte“; 2015 „Max Beckmann kommt nach Frankfurt. Druckgraphik 1915-1925“; 2019 wurde unter dem Titel „Clara Schumann - Eine moderne Frau im Frankfurt des 19. Jahrhunderts“ der Komponistin im Institut für Stadtgeschichte eine auch überregional vielbeachte Ausstellung gewidmet.
Vor allem den Frankfurter Künstlerinnen und Künstlern bot Brockhoff in den sogenannten Foyerausstellungen regelmäßig eine Bühne.
Ihre Publikationen und Herausgeberschaften umfassen mehr als 100 Titel zur Kunst- und Architekturgeschichte der Stadt, von denen nur einige genannt sein können. Als Herausgeberin verantwortete und verantwortet sie die Publikationsreihen „Schriftenreihe zur Plan- und Modellsammlung des Deutschen Architektur-Museums“, „Studien zur Frankfurter Geschichte“, „Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst“ und die „Kleinen Schriften des Instituts für Stadtgeschichte“. Ihre Dissertation wurde 1988 veröffentlicht unter dem Titel „Johann Friedrich Christian Hess. Stadtbaumeister des Klassizismus in Frankfurt am Main von 1816-1845“. Zu den Ausstellungen gab sie begleitende Kataloge heraus, darunter 1998 (überarbeitete Fassung 2004) gemeinsam mit Sabine Hock „Die Paulskirche. Symbol demokratischer Freiheit und nationaler Einheit, Frankfurt am Main“. 1999 (und neu aufgelegt 2014) gab sie den Band „Das Karmeliterkloster in Frankfurt am Main. Geschichte und Kunstdenkmäler“ heraus, 2006 gemeinsam mit Michael Matthäus den Ausstellungskatalog „Die Kaisermacher. Frankfurt am Main und die Goldene Bulle 1356-1806“, 2013 erschien zur 575-Jahrfeier „Das Institut für Stadtgeschichte. Seit 1436 das Gedächtnis Frankfurts“, 2015 veröffentlichte Brockhoff gemeinsam mit Klaus Gallwitz den Ausstellungskatalog „Max Beckmann kommt nach Frankfurt. Druckgraphik 1915-1925“.
Im Jahr 2016 gab sie den Band „Von der Steinzeit bis in die Gegenwart. 8.000 Jahre städtebauliche Entwicklung in Frankfurt am Main“ heraus; 2018 fasste sie „Die Entwicklung der Altstadt bis 1944“ in einem Aufsatz zusammen (in: Matthias Alexander (Hrsg.): Die Neue Altstadt, Band 1: Frankfurt am Main 2018). Zuletzt erschien von ihr 2020 der Sammelband „Die Frankfurter Paulskirche. Ort der deutschen Demokratie“.
Der Abschied vom Institut für Stadtgeschichte fällt Evelyn Brockhoff nicht leicht: „Ich bin jeden einzelnen Tag gerne in das wunderschöne Karmeliterkloster gekommen und ich danke allen Verantwortlichen dieser Stadt, meinem Team und den vielen Kooperationspartnern, dass ich meinem Herzenswusch, die bedeutenden historischen Quellen unserer Stadt einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen, nachkommen durfte.“ Sie wird weiterhin in zahlreichen städtischen Vereinen und Gremien aktiven Anteil am kulturellen und wissenschaftlichen Leben der Stadt nehmen.
Foto:
©Uwe Dettmar
Info:
Quelle: Stadt Frankfurt am Main