Großer Neujahrsempfang der Stadt Frankfurt am Main in der Paulskirche

 

Eric Fischling und pia

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Tatsächlich war das eine Premiere, zu der OB Peter Feldmann seine lokalen Ansprechpartner und das Hessische Diplomatische Corps erstmals zu einem Neujahrsempfang in die Paulskirche eingeladen hatte. Aber auch diese reichte vom Platz her nicht aus, so daß der Römer erneut mit dem Kaisersaal und seinem Foyer für die Gäste zweiter Ordnung diente.

 

 

Wir dokumentieren in Folgendem erst einmal die Rede des Frankurter Oberbürgermeisters, weil wir erfahren haben, daß diejenigen, die nicht eingeladen werden, weil sie keine Amt und keine Würde bekleiden, durchaus Interesse am Gesagten haben. So wollen wir auch die Ansprache des Festredners, des Uni-Präsidenten, in einem eigenen Artikel würdigen.

 

Peter Feldmann: „Mein besonderer Gruß gilt den Rednern des heutigen Abends: Für das Hessische Consular Corps Frankfurt am Main und die internationale Gemeinschaft begrüße ich Frau Doyenne Aleksandra Djordjevic, Generalkonsulin der Republik Serbien, für die Goethe-Universität ihren Präsidenten Professor Dr. Werner Müller-Esterl. Ich begrüße Gäste aus Politik, Justiz, Wirtschaft und Gewerkschaften, Mitglieder von Europaparlament, Bundestag, Landtag und Landesregierung. Ich begrüße Repräsentantinnen und Repräsentanten von kulturellen Institutionen, Vertreterinnen und Vertreter von Kirchen und Religionsgemeinschaften, Abgesandte von sozialen und karitativen Vereinen und Verbänden. Ich freue mich über Gäste aus allen Teilen der Frankfurter Stadtgesellschaft. Stellvertretend für die Stadtverordnetenversammlung begrüße ich Frau Stadtverordnetenvorsteherin Dr. Bernadette Weyland. Stellvertretend für meine Kolleginnen und Kollegen aus dem Magistrat Herrn Bürgermeister Olaf Cunitz.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie alle herzlich im Namen des gesamten Magistrats zum Neujahrsempfang der Stadt Frankfurt. Ich wünsche Ihnen im neuen Jahr Gesundheit, Tatkraft und Ausdauer, damit Sie an der Erfüllung Ihrer Wünsche arbeiten können und erreichen, was Sie sich für das neue Jahr vorgenommen haben.

Wir alle streben für unser Frankfurt nach dem Wahren, Schönen, Guten – manchmal auf unterschiedlichen Wegen. Sie sind heute eingeladen, weil ihnen, wie mir, Frankfurt am Herzen liegt. Wir wollen heute miteinander anstoßen, feiern und gute Gespräche führen. Alte Freundschaften pflegen und neue schließen, vielleicht auch wieder bis in die Nacht – so wie im letzten Jahr.

In diesem Jahr haben wir zum Neujahrsempfang nicht einen Gastredner, sondern ein Geburtstagskind eingeladen. Mit Prof. Dr. Müller-Esterl sind heute viele Lehrende, Forschende, Mitarbeiter und vor allem Studierende der Goethe-Universität hier, um die Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag zu eröffnen. Es zeigte sich schnell, dass der Kaisersaal bei so vielen Gästen aus allen Nähten platzen würde, deshalb ist die Entscheidung für die Paulskirche gefallen. 1500 Gäste haben sich angekündigt. Das freut mich außerordentlich. Das sprengt sogar das Fassungsvermögen der Paulskirche, deshalb ist auch der Römer bereits geöffnet. Ich begrüße auch die Gäste, die die Ansprachen an den Monitoren verfolgen herzlich. Lassen Sie uns etwas Bier und Wein übrig. Wir sind gleich da!

Unserem Geburtstagskind Goethe-Universität sieht man seine 100 Lenze nicht an. Pünktlich zum runden Geburtstag hat sich die Universität dreifach runderneuert: Unsere Universität hat auf die neuen Studiengänge Bachelor und Master umgestellt. Unsere Universität hat auf dem Riedberg und im Westend neu gebaut. Unsere Universität ist wieder Stiftungsuniversität. Sie kann also durchstarten, in den zweiten Frühling! Doch lässt sich fragen: Was hat das alles mit uns, mit Frankfurt zu tun? Noch vor ein paar Jahren lebten Stadt und Universität friedlich nebeneinander her und hatten sich wenig zu sagen. Die Stadt und ihre Universität hatten sich auseinander gelebt. Aber: Die Goethe-Universität ist als erste Stiftungsuniversität in Deutschland so sehr Kind ihrer Stadt wie keine andere Hochschule. Als Frankfurt schon lange zu einer internationalen Handelsmetropole gewachsen war, entschieden seine Bürger, den Horizont ihrer Stadt zu erweitern. Aus rein privaten Mitteln wurde eine Hochschule eingerichtet, um nach Lösungen für die Probleme der Gegenwart zu suchen. Im „Großen Rat" der Universität waren Stifterfamilien, Unternehmer, Politiker der Stadt vertreten und begleiteten den Weg der Universität. Zu Beginn ihrer Geschichte waren Stadt und Universität eins. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde die Universität baulich und intellektuell wiederaufgebaut. Allerdings nicht als Stiftungs-, sondern als Landesuniversität. Heute ist die Goethe-Universität wieder eine Stiftung. Sie ist nach Hause gekommen. Aber: Sie ist nicht mehr das Kind von damals. Man muss sie nicht an die Hand nehmen. Sie ist erwachsen geworden.

Heute stehen sich mit der Stadt Frankfurt und der Goethe- Universität zwei Erwachsene gegenüber, die sich auf Augenhöhe begegnen und beschlossen haben, gemeinsam in die Zukunft zu gehen. Wer gemeinsame Wege geht, hat oft ähnliche Probleme: Stadt und Universität ringen beide mit dem Land um eine ausreichende Finanzierung ihrer Pflichtaufgaben. Ich stehe als Oberbürgermeister fest an der Seite der Universität, wenn es darum geht, die Stiftung zu stärken, aber auch dabei das Land nicht aus der Verantwortung zu lassen. Weil mir die Stiftungsuniversität am Herzen liegt, habe ich den Vorsitz des Stiftungskuratoriums übernommen. Im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit dem Land, freue ich mich, dass ein Frankfurter neuer Wissenschaftsminister wird. Ich bin mir sicher, dass er sich unserer Universität in besonderem Maße annehmen wird.

Die Universität ist vielfältig wie die Stadt, in der sie zu Hause ist. Frankfurt ist Bankenmetropole, Messestadt, Chemiestandort sowie Literatur- und Wissenschaftsstadt. Die Goethe-Universität zählt mit 45.000 Studierenden zu den größten Hochschulen Deutschlands. Sie strebt in Natur- und Geisteswissenschaften gleichzeitig nach Exzellenz in der Forschung. Stadt und Universität haben eine bewusste Entscheidung für Vielfalt getroffen – eine richtige, kluge Entscheidung. Folgender Satz von Theodor W. Adorno trägt Geist von Stadt und Universität in sich: „Die Wertschätzung von Vielfalt bedeutet, ohne Angst verschieden sein zu können.“


Auch international gehen Stadt und Universität gemeinsame Wege: Im Bereich Städtepartnerschaften haben wir in den letzten beiden Jahren neue Akzente gesetzt: Frankfurter Hochschulen nutzen bestehende Strukturen zwischen der Stadt und ihren Städtepartnern, um wissenschaftlichen Beziehungen zu entwickeln und zu vertiefen. Die Goethe-Universität hat Hochschulpartnerschaften mit unseren Partnerstädten Birmingham, Prag, Krakau, Tel Aviv und Toronto. Die Frankfurter Partnerstädte sind bedeutende Universitäts- und Wissenschaftsstandorte. Diese Gemeinsamkeit in der Hochschullandschaft bedeutet enormes Potenzial für künftige Projekte in Forschung, Lehre und Hochschulmanagement. Ein besonderer Erfolg war die Reise nach Krakau im Jahr 2013. Im Mittelpunkt standen Absprachen zur Intensivierung des Austauschs von Studierenden, aber auch von Gastprofessoren, sowie der Vermittlung von Praktika und die Unterstützung von Fachkräften beim Übergang in das Berufsleben. Freundschaftlich und be
sonders eng sind die Beziehungen ebenfalls zu Tel Aviv und seiner Universität, wie der Besuch 2012 gezeigt hat. Im Februar 2014 zum Beispiel erhält Frankfurt Besuch vom Orchester der Buchmann-Metha School of Music - der führenden israelischen Musikakademie. Ein Zeichen der Vitalität unserer Beziehungen. Dank der Zusammenarbeit mit der Universität können wir in Zukunft internationalen Unternehmen, die sich in Frankfurt ansiedeln wollen, ein konkretes Angebot machen. Die Universität kann diesen Unternehmen Nachwuchs an Fach- und Führungskräften vermitteln. Unsere Nachwuchskräfte sind fachlich top ausgebildet und können Unternehmen helfen in Frankfurt Fuß zu fassen, weil sie zum Beispiel Türkisch oder Polnisch sprechen. Das ist nur in einer internationalen Stadt wie Frankfurt und mit unserer Universität möglich.

Diese Universität ist vielfältig, nicht beliebig. Sie zieht klare Grenzen. Die Goethe-Universität hat sich eine Zivilklausel auferlegt: „Die Goethe-Universität fördert die Entwicklung der Wissenschaft und Künste. Lehre, Forschung und Studium an der Goethe-Universität dienen zivilen und friedlichen Zwecken. Damit ist unsere Universität ein Vorbild für andere Hochschulen in Deutschland.

In einer Zeit, in der Bildung für den Einzelnen an Bedeutung gewinnt, müssen Universitäten Wege suchen, auf Menschen aus allen Bevölkerungsschichten zuzugehen. Unserer Universität gelingt diese Herausforderung mit der „Frankfurter Bürger-Universität“. Im Angesicht der Finanzkrise und den Protesten der Occupy-Bewegung hat die Bürger-Universität gefragt: „Demokratie im Würgegriff der Finanzmärkte?“ Im vergangenen Winter war das Thema: “Bildung ohne Gerechtigkeit? Inzwischen ist das Programm der Bürger-Universität 60 Seiten stark. Es reicht von dem Meilenstein der Dozentur für Poetik – stadtweit plakatiert – bis hin zu öffentlichen Führungen über den Campus im Westend und auf dem Riedberg. Nicht zu vergessen: die Kinder-Universität. Immer mehr Frankfurter wollen Teil wichtiger Debatten sein.

Indem sich die Universität öffnet, heißt sie die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt willkommen. Frankfurt ist seinerseits auch immer bereit, seine Arme auszubreiten. Man muss hier nicht geboren sein, um dazu zu gehören. Frankfurter ist, wer Frankfurter sein will. Wer an die Universität kommt, soll sich in Frankfurt heimisch fühlen, ob für ein Semester oder für immer. Um sich heimisch zu fühlen, braucht es Begegnungen im Alltag. Damit Stadt und Universität weiter zusammenwachsen können, müssen wir Berührungsängste und Barrieren abbauen. In den Köpfen und manchmal auch real. Für die Zukunft frage ich: Braucht es wirklich einen Zaun um den Campus?

Die Universität ist aber nicht nur intellektueller Gesprächspartner, sondern auch Motor der Stadtentwicklung. Durch ihren Umzug hat die Universität drei Stadtteile entscheidend beeinflusst: Der Riedberg ist mehr als Wohngebiet auf der grünen Wiese. Ein junger Stadtteil und der Campus wachsen gemeinsam, sie wachsen zusammen. Das Westend verändert seinen Charakter, es wird wieder studentischer. Bockenheim wird sich mit der Neubebauung des alten Campus neu erfinden. Sinnbild für den Aufbruch wird die Sprengung des Uni-Turms am 2. Februar sein. Es werden viele Zuschauer erwartet. Es war so eine Sache mit dem Turm: Für die einen war er ein hässliches Schreckgespenst mit unberechenbaren Aufzügen, andere wurden vom Geist des Turmes in ihren Bann gezogen. In den Bann der Psychologie, der Soziologie, der Politikwissenschaften, der Pädagogik, die dort zu Hause waren. Es wurde geforscht, studiert, beim Kaffee diskutiert, in den Bibliotheken rauchten die Köpfe. Manchmal fühlten sich die Studierenden in ihrem Turm so zu Hause, dass sie gar nicht mehr gehen wollten. Mit zahlreichen Besetzungen war der Turm auch Mittel des politischen Protestes. Wenn es im Turm zu langweilig war, wurde sogar mal das Präsidium besetzt. Diese Proteste sind Sand im Getriebe der Universität. Aber: Etwas Sand im Getriebe bewahrt auch davor, zu glatt zu werden!

Meine Damen und Herren, ein kritischer Geist mit rebellischen Zügen – das gehört zu Frankfurt. Schließlich wurde im Westend, wo jetzt die Universität zu Hause ist, die erste deutsche Bürgerinitiative gegründet. Ich hoffe, dass dieses Stück Frankfurter Tradition mit umzieht. Lieber Herr Präsident, seien Sie nicht überrascht, wenn der eine oder andere vielleicht ein Stück des gesprengten Turms als Erinnerung mit auf den neuen Campus im Westend nimmt.

Heute blicken wir zurück auf 100 Jahre Goethe-Universität, wir blicken auch nach vorn. Entscheidend ist: Gemeinsam ist Vieles leichter zu bewältigen. Deshalb gibt für uns beide: Nur wer seinen eigenen Weg geht, kann von niemandem überholt werden.“

 

Kommentar: Doch, die Rede war umfassend und konzentriert zugleich. Daß die Universität einen solchen Raum in einer Neujahrsansprache beansprucht, war überfällig. Allerdings vermißten wir bei der Begrüßung des Diplomatischen Corps die Würdigung des gerade verstorbenen KARL HEINZ ARNOLD, der Jahrzehnte als Honorarkonsul Haitis eine hervorragend ehrenamtliche Arbeit leistete, zudem in der Stadt durch viele weitere Ämter und durch die Liebenswürdigkeit seiner Person vernetzt, bekannt und beliebt war. Deshalb glauben wir auch, daß OB Peter Feldmann dies in seiner mündlichen Ansprache ergänzte, von der wir aber nichts wissen, nur weitergeben: „Es gilt das gesprochene Wort“.