Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Wie sehr doch Presseerklärungen - vergleiche vorherigen Artikel - vom eigentlichen Geschehen ablenken, bzw. eine andere Wirklichkeit herstellen. Die Worte dieser Erklärung klingen doch einleuchtend. Und sie sind auch nicht falsch, sind so gefallen. Aber sie geben nicht das wieder, was zweieinhalb Stunden öffentliche Plauderei ausmachte, wovon eine halbe Stunden auf's auffordernde Klatschen entfiel. Das war kein Frühlingsempfang der Frankfurter Bürgermeisterin, sondern das war der private Salon von Bürgermeisterin Eskandari-Grünberg, die so viele vom Rednerpult aus persönlich begrüßte, daß nach ständigem Klatschen nach den einzelnen Namen, sie selber vorschlug, die nächsten gefühlt 50 Namen erst anzuhören und dann zu klatschen, wobei auffiel, wer eingeladen war: in der Hauptsache Stadtfunktionäre, also diejenigen, die auf Grund ihrer dienstlichen Funktionen anwesend waren, wie auch die Vertreter der viefältigen Institutionen und Vereine der Stadt.
Ich selber bin hingegangen, weil ich die aus dem Iran stammende und schon lange in Frankfurt bei den Grünen aktive Bürgermeisterin in ihrem amtlichen Tun erleben wollte. Sehr wohlwollend war ich, denn ich finde es gut, daß in der Stadtregierung die Häflte mit weiblichen Qualifizierten besetzt ist und daß auch die Stadtverordnetenvorsteherin eine Frau ist. Das beide zudem einen Migrationshintergrund haben, stört mich nicht, ist für mich aber auch kein Anlaß, andauernd in Jubelschreie auszubrechen. Und genau dazu fühlte ich mich in diesen zweieinhalb Stunden zunehmend funktionalisiert. Der Saal wurde ständig zum Klatschen aufgefordert. Die Bürgermeisterin fand so viele Personen und so viele Anlässe, für die zu danken ist, daß man gar nicht anders konnte, als als Claqueur zu dienen. Es waren aber immer dieselben Anlässe, die meist eine Selbstbespiegelung darstellten: der ununterbrochene Dank an diejenigen, die sich um Flüchtlinge aus der Ukraine kümmern. Wichtiger aber sind doch die Flüchtlinge, weshalb die Rede des ukrainischen Generalkonsuls Vadym Kostiuk, eigentlich das Zentrum des Abends hätte sein müssen.
Aber danach ging das Reden ja erst richtig los und hörte nicht mehr auf. Wenn man einmal darauf hinweist, daß gute Bedingungen für Flüchtlinge nicht nur für die aus der Ukraine gelten sollten, sondern für alle Flüchtlinge, und die Aussage beklatschen läßt, wäre das ja in Ordnung. Wenn man dies aber in zweieinhalb Stunden so oft wiederholt, jedesmal mit Klatschen belohnt, dann verliert sich der Anlaß, daß es ja um die Ukraineflüchtlinge ging. Als peinlich empfand ich das. Den Abend empfand ich immer stärker als unangemessene Selbstbeweihräucherung, mit Lächeln vorgetragen, wo es doch um ernste Sachen ging. Man kann nicht lächeln, wenn es um Tote geht.
Unangemessen auch der Auftritt von Enissa Amani, die die Bürgermeisterin als ihre Freundin vorstellte, die ebenfalls aus dem Iran stammt, aber schon als Baby nach Frankfurt kam. An ihr war das Beste, daß sie wegen Beleidigung des AfD-Landtagsabgeordneten Andreas Winhart als "Idiot, Bastard und Rassisten" zu einer Geldstrafe von 1800 Euro verurteilt wurde (echt lächerlich, wenn man weiß, mit welchen Attributen AfD-Abgeordnete ihre Gegner bedenken), sich aber weigert, das Geld zu zahlen und stattdessen eine 40tägige Ersatzfreiheitsstrafe antreten will. Aber ihr Auftritt paßte einfach nicht zum Anlaß, und ihre ständige Anrufunge ihres Vaters, den sie im Publikum grüßte, mag zwar ein running gag ihres sonstigen Programms sein, war aber hier, wo ja keine Kabarettveranstaltung war, einfach albern und ich mußte mich sehr sehr zurückhalten, um nicht laut zu rufen: "Haben Sie denn keine Mutter", da sie sich ja zuvor ausdrücklich als Feministin bezeichnet hatte. Wie fehlgeplant dieser Auftritt mit Kleinmädchenstimme war, sieht man auch daran, daß ihr ausdrückliches Abmeiern der zuvor von Eskandari-Grünberg öffentlich begrüßten zwei CDU-Funktionäre (mit Klatschen!) - völlig in Ordnung also als Kabarettistin und von so manchem gerne gehört - anschließend von der Bürgermeisterin zensiert wurde, zurückgenommen und ins Gegenteil verkehrt, denn sie, Eskandari-Grünberg, habe damals ja mit der CDU koaliert. Peinlich war das. Erst einen Gast einladen und dann political correctness für eine Kabarettistin. Welch verkehrte Welt.
Dann fiel noch etwas auf. Es wurde viel über Flüchtlinge gesprochen, aber nicht über russische Migranten oder über die sogenannten Rußlanddeutschen, die überwiegend ablehnend auf den Angriffskrieg durch Putin reagieren. Aber sie werden derzeit teilweise für das bestraft, wofür sie nichts können, für Putins Krieg. Ich selbst kenne auch hiesige Russen, die ihren Kindern verbieten, in der Öffentlichkeit Russisch zu sprechen, weil sie angespuckt wurden. Das ist ein Zustand in Frankfurt, der dringend bei einem solchen Anlaß hätte zur Sprache kommen müssen, in dem Sinn, wie der PEN formuliert hatte: "Putin, nicht Puschkin", also die russische Kultur ist kein Anlaß für Sanktionen und die vielen russischen Künstler, die nichts mit Putin zu tun haben, auch nicht. Bei nachgewiesenen Putinfreunden, die nicht auf den Diktator Einfluß nehmen, diesen ahistorischen Krieg sofort zu beenden, ist das etwas anderes.
Eine Bürgermeisterin gibt keinen privaten Empfang, sie lädt immer im Namen der Stadt ein, die ja auch dafür zahlt. Die Ebene stimmte einfach nicht.
Was stimmte, war die Musik. Das Kammerorchester Bridges brachte Weisen, Lieder, orchestrale Begleitung aus dem arabisch, lateinamerikanischem Umkreis.
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