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Eine Frankfurter Dezernentin hat viel zu tun
 
Redaktion

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Als Dezernentin für Digitalisierung, Bürger:innenservice, Teilhabe und EU-Angelegenheiten zählt es zu den Aufgaben von Stadträtin Eileen O’Sullivan, die Digitalisierung der Verwaltung voranzutreiben und die Bevölkerung für kommunalpolitische Prozesse zu begeistern. Im Interview mit Mirco Overländer blickt die Stadträtin auf ihren Start ins Amt zurück und verrät, welches Ziel sie sich für das kommende Jahr gesteckt hat. 

Frau O´Sullivan, für Sie als Digital Native ist das Internet kein Neuland, sondern ein natürlicher Lebensraum. Wie zufrieden sind Sie mit dem bisherigen Angebot digitaler städtischer Leistungen und Services wie Ummeldung oder KFZ-Zulassung?

EILEEN O’SULLIVAN: Was bis vor Kurzem auf kommunaler Ebene dominiert hat, waren dezentrale Strukturen und ein damit einhergehender Mangel an Knowhow, wie Verwaltungsprozesse sinnvoll ins Digitale überführt werden können. Inzwischen wurden in Frankfurt die hierfür nötigen Strukturen geschaffen und die Dezentralisierung reduziert. Unabhängig von den Vorgaben des Onlinezugangsgesetzes des Bundes sind wir als größte Kommune Hessens inzwischen auf einem guten Weg, um mit der digitalen Lebenswirklichkeit der Bevölkerung Schritt zu halten. Wir haben etwa in unseren Bürgerämtern Bürgermonitore eingeführt, auf denen Unterschriften digital erfasst werden können und bei einer Reihe von Leistungen komplette Prozessketten durchdigitalisiert sind. Die Richtung stimmt, jetzt müssen wir noch weiter an Fahrt aufnehmen.


Wie lässt sich die Situation verbessern?

O’SULLIVAN: Ich hoffe sehr, dass die Ergebnisse der Ministerpräsidentenkonferenz vom 8. Dezember die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes, kurz OZG, voranbringen werden. Denn damit entfallen verschiedene Bundesvorgaben, die der Digitalisierung der Verwaltung im Wege stehen, etwa die Verpflichtung, im Rahmen einiger Prozesse ausschließlich analoge Unterschriften zu akzeptieren. Uns wäre sehr geholfen, wenn Verwaltungsprozesse im Sinne der Bürgernähe künftig so geplant werden, dass die digitale Zugänglichkeit im Fokus steht. Darüber hinaus sehe ich natürlich auch die Kommunen, also auch Frankfurt, in der Pflicht, gewisse Prozesse zu zentralisieren und zu vereinheitlichen.


Hat sich die durch Corona bedingte Lage in den Bürgerämtern inzwischen entspannt?

O’SULLIVAN: Ja, die Situation hat sich auf jeden Fall entspannt. Corona ist so gut wie kein Thema mehr. Das war es auch schon im frühen Sommer nicht mehr. Allerdings war die Lage im Bürgeramt beginnend Anfang 2022 mit zahlreichen zusätzlichen Arbeiten so beschäftigt, dass das vorhandene Personal der sehr hohen Nachfrage an Terminen zeitweise nicht mehr nachkommen konnte und sich ein Missverhältnis zwischen Terminangebot und -nachfrage ergab: Zunächst haben die Menschen nach Beendigung der Reiseeinschränkungen durch Corona wieder angefangen zu reisen und mussten deshalb ihre Dokumente erneuern lassen. Ab Mitte Februar 2022 kamen dann viele Geflüchtete aus der Ukraine nach Frankfurt, die ebenfalls in die Bürgerämter mussten. Hinzu kamen noch all jene, die nach Großbritannien reisen wollten oder nach dem Brexit Dokumente brauchten, um sich in Frankfurt anzumelden. Das waren viele Extras auf einmal, die von den Mitarbeitenden der Bürgerämter inzwischen aufgearbeitet wurden, sodass wir die Außenstellen nun auch wieder öffnen konnten. Für dieses Engagement möchte ich mich explizit bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bedanken. Wir haben zudem verschiedene Maßnahmen erprobt und mehr Personal eingestellt. Unsere Online-Terminvergabe hat sich ebenfalls bewährt, was zu einer wesentlich besseren Planbarkeit führt. All jene, die sich nicht so gut im Internet zurechtfinden, können gerne unsere Bürgerberatung in der neuen Altstadt in der Straße Hinter dem Lämmchen 6 aufsuchen oder die einheitliche Behördenrufnummer 115 anrufen. Die Mitarbeitenden dort helfen gerne dabei, Termine zu organisieren.


Sie sind mit Abstand die Jüngste unter den Frankfurter Dezernentinnen und Dezernenten. Was daran sehen Sie als Chance, was als Herausforderung?

O’SULLIVAN: Ich glaube, alle Dezernentinnen und Dezernenten stehen vor ganz eigenen Chancen und Herausforderungen. Mir hilft es, gewisse Abläufe aus einer anderen Perspektive zu betrachten und aus einer Lebensrealität zu kommen, in der vieles digitaler abläuft als bei Kolleginnen und Kollegen mit jahrzehntelanger Verwaltungserfahrung. Andererseits war der Umstand, selbst über keine Verwaltungserfahrung zu verfügen, gerade zu Beginn meiner Arbeit als Dezernentin wohl die größte Herausforderung. Ich war zuvor gerade einmal vier Monate Stadtverordnete und musste mich entsprechend schnell in die Abläufe einarbeiten. Ich hatte und habe das Glück, ein großartiges Team um mich zu haben, das mir bei der Einarbeitung sehr geholfen hat, und dessen Ratschlägen ich stets vertrauen kann. Klar ist aber auch: Mir ist wichtig, dass die Menschen, mit denen ich zusammenarbeite, den Mut haben, Neues zu probieren und auch eine gewisse Fehlerkultur zuzulassen.


Sie sind auch Dezernentin für Teilhabe und EU-Angelegenheiten. Wie fällt Ihre Zwischenbilanz nach etwa einem Jahr Amtszeit in diesen Bereichen aus?

O’SULLIVAN: Verwaltungstechnisch haben wir im Sommer einen großen Schritt gemacht und zwei Stellen in der EU-Koordinierungsstelle geschaffen. Zwei weitere Stellen wurden in der Stabsstelle Bürgerbeteiligung besetzt. Wir haben also den Startschuss gehört. Das ist auch nötig, denn die trügerische Sicherheit in der EU-Außenpolitik ist dahin. Nun ist es an der Zeit, mit den Bürgerinnen und Bürgern darüber ins Gespräch zu kommen, was sie sich unter Beteiligung vorstellen. Dafür ist Frankfurt als Schmelztiegel der Kulturen und Drehkreuz der Welt ein idealer Ort. Durch die EZB, die vielen anderen Banken, den Flughafen und unsere Messe hat diese Stadt ein gewaltiges Potenzial, das die Stadt noch stärker fördern sollte. Wer hier lebt, muss nicht durch Europa reisen, um Europa zu erleben. Doch viele Menschen wissen gar nichts von dieser Vielfalt. Ich bin selbst Teil der irischen Community und bin mir recht sicher, dass ich keinen Einblick in diese Lebenswelt mit ihren Festen, Bräuchen und Netzwerken hätte, wenn ich nicht darin aufgewachsen wäre.


Die Digitalisierung und ein sich rapide wandelndes Europa gehören zu den zentralen Zukunftsfragen unserer Gesellschaft. Wo sehen Sie die Stadt Frankfurt bereits gut für die Zukunft gerüstet und wo sehen Sie in den kommenden Jahren Handlungsbedarf?

O’SULLIVAN: Dass der größte Internetknoten der Welt in Frankfurt sitzt, ist eine gute Voraussetzung, um noch mehr Unternehmen aus der Digitalwirtschaft in dieser Stadt anzusiedeln. Hier gebührt unserer Wirtschaftsdezernentin Stephanie Wüst ein großes Lob, die sich sehr um diese digitalen Unternehmen und Startups bemüht. Auf Initiative unseres Dezernats wird zudem im Februar ein Smart-City-Roundtable starten, bei dem sich Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen gleichermaßen einbringen können. Wir als Stadtverwaltung können zudem viel vom Austausch mit den hiesigen Akteuren lernen. Als Beispiel fällt mir EintrachtTech Frankfurt ein, die 2021 das Norway-Forum eröffnet hat, um mit der norwegischen Wirtschaftsförderung zu kooperieren. Solche Formate öffnen natürlich viele Türen.


Welches Vorhaben wird für Sie im Jahr 2023 von zentraler Bedeutung sein?

O’SULLIVAN: Ganz oben auf unserer Agenda steht die Weiterentwicklung der Urbanen Datenplattform, die Umwelt- und Verkehrsdaten über Dashboards und Kartenansichten visualisiert und für Bürgerinnen und Bürger aufbereitet. Natürlich hat auch der Ausbau der Digitalisierung sowie die Zentralisierung digitaler Services im kommenden Jahr hohe Priorität. Hierzu haben wir beispielsweise einen Förderantrag für unser Smart-City-Projekt gestellt. Darüber hinaus werden wir den Leitlinienprozess zur Bürgerbeteiligung vorantreiben und natürlich Anfang Mai ein großes Europafest feiern.


In Ihrer Funktion sind Sie auch für die rechtssichere Durchführung von Wahlen und Bürgerbegehren zuständig. Wie fällt hier Ihr vorläufiges Fazit aus?

O’SULLIVAN: Seit meinem Amtsantritt hat unser Wahlamt die Bundestagswahl am 15. Oktober 2021 sowie den Bürgerentscheid zur Abwahl des Oberbürgermeisters am 6. November 2022 organisiert. 2023 stehen neben der Landtagswahl natürlich zunächst einmal die Neuwahl eines Oberbürgermeisters oder einer Oberbürgermeisterin am 5. März sowie eine mögliche Stichwahl am 26. März an. Diese Fülle an Terminen ist beachtlich. Umso dankbarer bin ich für das große Engagement und die Sorgfalt, mit denen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unserem Wahlamt ihrer Arbeit nachgehen. Doch trotz all dieser Bereitschaft und der Unterstützung vieler weiterer städtischer Bediensteter aus anderen Ämtern und Betrieben kommt es bei jeder Wahl auch auf das Engagement ehrenamtlicher Wahlhelferinnen und -helfer außerhalb der Stadtverwaltung an. Alleine für die bevorstehende OB-Wahl werden wieder etwa 4600 Wahlhelfer benötigt. Daher möchte ich die Menschen an dieser Stelle gerne ermutigen, sich unter frankfurt.de/service-und-rathaus/stadtpolitik/wahlen/ob-wahl-2023/information-wahlhelfende als Wahlhelferin oder -helfer zu engagieren. Denn unsere Demokratie lebt von der Beteiligung jedes und jeder Einzelnen. 

Als Politikerin ist man stets zum Realismus gezwungen. Was würde sich ändern, wenn Sie einen Wunsch frei hätten?

O’SULLIVAN: Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, würde ich mit einem Schlag die Zahl der Mitarbeitenden in unserem zentralen IT-Amt verdoppeln. Ich denke da zum Beispiel an Stuttgart, wo sich zukünftig knapp 400 städtische Angestellte ausschließlich inhaltlich mit Digitalisierung, Organisation und IT beschäftigen werden. Solche Strukturen auch in Frankfurt zu haben, wäre ein echtes Träumchen.

Foto:
Stadträtin Eileen O'Sullivan mit ihrer Hündin Niamh
©Stadt Frankfurt am Main, Ben Kilb