Ältestes Frankfurt-Foto jetzt im Frankfurter Institut für Stadtgeschichte
Gerhard Wiedemann
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Im Oktober 1846 fotografierte der englische Fotopionier William Henry Fox Talbot (1800-1877) die Zeil und die Hauptwache vom Fenster seines Hotelzimmers aus. Das Institut für Stadtgeschichte konnte diese älteste bekannte Aufnahme Frankfurts nun für seine fotografischen Sammlungen erwerben. Aufgenommen hat es Talbot, der neben Jaques Daguerre als Erfinder der Fotografie gilt, während einer Rheinreise.
„Ich freue mich sehr, dass das Institut für Stadtgeschichte dieses wertvolle frühe Einzelstück für seine Sammlungen erwerben konnte und danke dem großzügigen Stifter herzlich“, sagte Ina Hartwig, Dezernentin für Kultur und Wissenschaft bei der Präsentation des Bildes. „Das Bild ist ein Meilenstein der Fotografiegeschichte, wie sie nur unter glücklichen Umständen in öffentliche Sammlungen gelangen.“
Es gibt zwar noch zahlreiche von Talbot selbst angefertigte Fotoabzüge in den großen Museen und Archiven der Welt, aber nur ganz wenige davon zeigen Motive in Deutschland. Die Frankfurter Fotografie von 1846 ist kein unbekanntes Bild, schon mehrfach wurde sie auch in Frankfurt ausgestellt, war jedoch vormals Teil einer privaten Sammlung. „Als frühestes fotografisches Stadtbild ergänzt und bereichert es nun den umfangreichen Fotobestand des Instituts für Stadtgeschichte“, sagte Franziska Kiermeier, kommissarische Leiterin des Instituts: „Unsere Fotosammlung umfasst inzwischen beinahe drei Millionen Frankfurter Bilder vom 19. Jahrhundert bis heute. Sie hat damit zentrale Bedeutung für die visuelle Überlieferung zur Stadtgeschichte. Und sie wächst beständig. Mit diesem wertvollen Einzelstück aus der Frühzeit der Fotografie rundet das Institut für Stadtgeschichte seine fotografischen Sammlungen ab.“
Frankfurt war zur Zeit des Besuchs von Talbot eine in Reisebeschreibungen gerühmte Stadt mit prächtigen Bauten im Stil des Klassizismus. Talbot übernachtete bei seinem Abstecher nach Frankfurt im Hotel „Russischer Hof“, das sich ungefähr an der Stelle des heutigen „My Zeil“ befand. Für seine Fotografie nutzte er wahrscheinlich die Fensterbank seines Zimmers als Unterlage für seine Apparatur und belichtete das Papier rund 35 Minuten lang.
Talbot war ein Universalgelehrter aus wohlhabender Familie. Ein reiches Erbe erlaubte ihm Forschungen auf den Gebieten von Naturwissenschaften, Altphilologie, Assyrologie und mehr. Ab 1834 dachte er darüber nach, wie man die durch die Hilfsmittel der Maler (camera obscura/lucida) entstandenen Lichtprojektionen fixieren könne. Dazu legte er zuerst Pflanzenblätter auf mit Silbernitrat und Salzlösung getränktes Schreibpapier und setzte sie der Sonne aus. Die dadurch entstandenen photogenetischen Zeichnungen, sogenannte „Photogramme“, fixierte er mit Kochsalzlösung. Die erste Zeichnung, in der sich dunkle Partien des Gegenstands hell abzeichneten, bildeten Grundlage der zweiten Zeichnung, in der Licht und Schatten wieder ins Richtige getauscht wurden – ein Prozess, der mehrmals wiederholt werden konnte. Damit war das Negativ/Positiv Verfahren geboren.
Im September 1840 gelang ihm mit der Verbindung von Gallussäure und Silbernitrat die Entdeckung des im metallischen Silber verborgenen Bildes und damit des fotografischen Verfahrens, wie es in der analogen Fotografie bis heute im Gebrauch ist. Im Laufe der kommenden Jahre konnte er die Belichtungszeiten immer weiter reduzieren, Talbot ließ sich das Verfahren patentieren und nannte es „Kalotypie“. Die Kalotypien, die er auf Reisen machte, entstanden meist in oder aus Zimmern, so auch seine Frankfurt-Aufnahme.
Tobias Picard, der im Institut für Stadtgeschichte fotografische Nachlässe und Stadtbilder vor 1943 betreut, sagt über die Qualität des Bildes: „Talbots Frankfurt-Aufnahme sticht aus dem Portfolio seiner bis heute existierenden Aufnahmen durch ihre gute Erhaltung hervor, sie ist von außergewöhnlich gutem Kontrast, sehr guter Durchzeichnung und hat eine herausragende Bedeutung für die Stadtgeschichte.“
Talbot war nicht nur Entdecker des Papiers als Bildträger, Kamerakonstrukteur und Autor des ersten fotografisch illustrierten Buches, sondern vor allem Lichtbildner. Seine Aufnahmen sind fotografische Experimente und Ergebnis ästhetischer Reflexion, die für den Beginn einer neuen Visualität stehen. In den Jahren nach seinem Frankfurt-Besuch entwickelte er eine Reisekamera, führte die erste Blitzlichtaufnahme aus und arbeitete an einer drucktechnischen Integration von Fotos in Bücher und Zeitungen.
Fotos:
Blick aus einem Fenster des Hotels „Russischer Hof“ auf der Zeil nach Westen zur Hauptwache, Salzpapierabzug von einer Kalotypie von William Henry Fox Talbot (1800-1877)
© ISG FFM, Best. S7MW Nr. 1
Bei der Fotoübergabe: Franziska Kiermeier, Tobias Picard und Ina Hartwig mit dem ältesten Frankfurt-Bild von William Henry Fox Talbot, 1846
©Stadt Frankfurt, Foto: Holger Menzel
Info:
Am Montag, 3. Juli, 18 Uhr, veranstaltet das Institut für Stadtgeschichte einen Vortrag zu Talbot und der frühen Fotografie in Frankfurt.