Bildschirmfoto 2023 04 07 um 21.13.17

Interview mit Bürgermeisterin Antje Runge

Iris G. Schmidt

Oberursel (Weltexpresso) -„Oberorschel“, latinisiert „Vrsellis“ geschrieben, kann sich glücklich schätzen, eine Bürgermeisterin „zum Anfassen“ mit Handlungsinitiative und kreativer Umsetzung sinnvoller Ideen zu besitzen, die ihre Bürger mit ins Leben der zweitgrößten Stadt, nach Bad Homburg im Hochtaunuskreis, einzubeziehen weiß.


Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Runge, Sie sind jetzt bereits seit einiger Zeit in dem verantwortungsvollen Amt der Oberurseler Bürgermeisterin tätig. Was machte Ihnen am meisten Freude?

Ich bin jetzt etwas mehr als ein Jahr im Amt und am meisten Freude macht mir der Austausch mit den Menschen. Als Bürgermeisterin ist man Bürgermeisterin für alle Bürgerinnen und Bürger, und wenn man die Termine hat, wo man Menschen trifft, erfährt man wirklich, worum es geht. Man ist im Gespräch und erfährt, wo der Schuh drückt, es sind die kleinen Dinge, bei denen man helfen kann. Nicht nur die Visionen und großen Dinge.  Man ist einfach nahe dran!

 Wie kam es für Sie dazu, das höchste Amt der Stadt ins Visier zu nehmen? Warum gerade „Oberursel?

Ich wohne mehr als 30 Jahren in Oberursel, ich bin zugezogen, aber es ist meine Wahlheimat. Ich habe mir Oberursel ausgesucht. Ich habe Betriebswirtschaft studiert, war 20 Jahre Führungskraft in der Verwaltung der Stadt Frankfurt, bin auch hier in Vereinen engagiert, so kann man sich einbringen, mit dem Wissen was man hat. So stellte sich mir die Frage: „Wo engagiere ich mich?“ Wenn man etwas gestalten oder umgestalten will, braucht man eine Funktion

 Da es ja unmöglich ist, sich persönlich um die Belange einzelner Bürger zu kümmern, wie können entsprechende Anliegen, die in der Hinsicht auch dem Gemeinwohl dienen könnten, zu Ihnen gelangen? Gibt es eine Bürgersprechstunde im Oberurseler Rathaus?

Bürgerbeteiligung ist für mich sehr wichtig. Das Thema „Verkehr“ und „Bau“ ist in vielen Städten u. a. auch „Öffentlicher Raum“ ein wichtiges Anliegen.“ Sprechstunden“ im Rathaus habe ich verändert, ich gehe selbst dahin, wo Gesprächsbedarf anfällt z. B. auch auf den Markt. Ich möchte für Jung und Alt da sein.  Z.B. auf der Skater-Bahn o.ä. Menschen verlieren daher ihre Hemmschwellen, die im Rathaus ein Gespräch mit der Bürgermeisterin verhindern.

Wie sieht so ein Tag in Ihrer verantwortungsvollen Position eigentlich aus? Bitte skizzieren Sie doch einmal in Stichpunkten, wie es überhaupt möglich ist, stets die meisten Punkte einer so eng getakteten Agenda, wie der Ihren, zu bewältigen?

Mein Tag ist sehr dicht. Im Durchschnitt 70 bis 80 Stunden in der Woche. Ich bin sehr strukturiert, was wichtig ist, um die wichtigen Punkte auf der Agenda anzugehen. Es gibt Zeiten, wo ich von einem Punkt in den anderen gehe, aber zwischendurch auch mir Zeit für Aktenarbeit nehme. Ich habe natürlich auch ein gutes Team hier, auf das ich mich verlassen kann und das mir den Rücken freihält. Es ist alles in allem schon herausfordernd. Es gibt auch neue Aufgaben, z. B. sich intensiv mit dem Katastrophenschutz zu befassen, was zuvor nicht so der Fall war. In dieser Dichte in einem Jahr, zuerst Corona, dann die Aufnahme von den vielen Geflüchteten.

Wie viele Nationalitäten gibt es in Oberursel? Die vielen Organisationen und Bildungseinrichtungen, natürlich auch im wirtschaftlichen Hinblick, geben der Stadt ein wichtiges internationales Image, weit über die Stadtgrenzen hinaus. Sind da Erweiterungen, auch bez. Partnerstädten oder Regionen geplant?

Weit über 100 Nationen sind bei uns anzutreffen. Ich finde es schön, dass in Oberursel  so vielen Nationen mit einer Selbstverständlichkeit zusammenleben. Es gibt einfach keinen Platz für Diskriminierungen. Auch die Verbindung zwischen Partnerstädten wird gepflegt, denn gerade jetzt wird das Zusammenrücken innerhalb Europas immer wichtiger. Seit Jahren bin ich schon im Städtepartnerschaftsverein selber aktives Mitglied. Wir besprechen bei Besuchen und Gegenbesuchen, welche neuen Projekte angegangen werden. Die Bürgerbewegungen sind unabhängig vom politischen Raum.  Es gibt einen tollen menschlichen Austausch im Sinne von Völkerverständigung, den ich persönlich bei Besuchen der Partnerstädte bestätigen kann. Auch die Jugend macht hier begeistert mit, was mir sehr am Herzen liegt. Heute in unserer globalisierten Welt funktioniert das am besten durch gemeinsame Projekte. Mir schwebt vor das auch zwischen Schule und Beruf die Findungsphase dafür genutzt werden wird. Meine Idee dazu ist, dass das nicht vorgegeben wird, sondern von selber kommen muss. 

Wie schaffen Sie es „nebenbei“ Familie und den höchsten Job im Rathaus, „unter einen Hut“ zu bringen?

Meine Kinder sind schon erwachsen und trotzdem ist für mich Familie das Wichtigste und das, was mich trägt, wo man Vertrauen hat und was mein Rückhalt ist. So ist es mir deshalb auch wichtig, die Zeit, die ich habe, mit meiner Familie bewusst zu verbringen – also für mich immer ein Punkt eins! Sie erdet einen.

Was hat für Sie absolute Priorität?

Mir ist es wichtig, bei mir selbst zu bleiben und zu reflektieren, sodass ich bei meinem eigenen Wertegerüst bleibe, was heißt, alles in den Blick zu nehmen, z. B. ist es mir wichtig, dass politische Diskussionen sachlich bleiben und verschiedene Einflüsse möglich sind, was auch als Antrieb wichtig ist. 

Gibt es Hobbies und noch die Zeit dafür?

Regelmäßigen Hobbies kann ich im Moment nicht nachgehen. Früher bin ich z.B. regelmäßig zum Sport gegangen, was natürlich jetzt schwierig ist. Aber ich treffe mich regelmäßig mit Freunden, liebe Kultur, dabei muss auch Zeit sein, regelmäßig ins Schauspiel oder in die Oper zu gehen und ich reise unheimlich gern. Was wichtiger ist für mich als vorher, dass ich mir auch einmal eine Auszeit nehme und meinen Horizont erweitere, wie ich bereits anmerkte, ist Reisen mein Hobby.

Oberursel hat eine bemerkenswerte historische Bedeutung. Was ist demzufolge für die auswärtigen Gäste ein „Must“, um Oberursel kennenzulernen?

Wenn Sie aus dem Fenster schauen, sehen Sie, dass wir eine traditionelle Stadt sind, wir haben eine Altstadt, wir sind nahe an Frankfurt dran, aber dennoch im Grünen, d.h. von jedem Ort in 10 Min im Grünen. Ein Mix wäre für mich der Altstadt-Markt, der pausiert über den Winter. Ende März Anfang April geht es dann wieder jeden Samsta  los. Rundherum sieht man die Fachwerkhäuser. Man fühlt so richtig die Altstadt. Dort bekommt man vegane Dumplings, mexikanische Taschen, gefüllt mit besonderem Käse. Es gibt natürlich auch einen Bio-Markt. Auch handwerkliche Herstellungsweisen werden gezeigt, wie wird gewebt, es werden auch Dinge zur Foto-Voltaik erklärt. Es gibt Beratungen, wie der schönste Garten gekürt wird. Der Markt ist traditionell, aber gleichzeitig international zum Verweilen. Es gibt Vorlesestunden für die Kinder, während die Erwachsenen den Markt erkunden. Man sollte auch als Tourist dort hingehen und von dort aus historische Ziele erreichen, z. B. das Stadtmuseum. Nachhaltigkeit ist ein hierbei ganz besonders hervorzuheben,  zum „Pendeln“ von den kleineren Geschäften der Innenstadthin hin zur historischen  Altstadt.

 Wenn Sie „drei Wünsche“ frei hätten, was wären diese?

Oberursel soll eine weltoffene bunte Stadt bleiben, bei allen politischen Veränderungen, die es derzeit gibt.

Auf mein Amt bezogen. Ich bin die erste Bürgermeisterin nach 1232 Jahren, also eine Frau im Amt und hoffe, auch nicht die letzte.

Aus dem privaten Bereich: Ich würde mich freuen, wenn die Eintracht ständig erfolgreich Meister sein wird.

 

Foto:
©Verfasserin