Gesundheitsamt Frankfurt beteiligt sich an zwei Forschungsprojekten gegen Diskriminierung im Gesundheitswesen
Karin König
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Ein Mensch aus Südosteuropa, dem die Krankenkasse die Teilnahme an einem Rückengymnastik-Kurs verwehrt. Eine junge Frankfurterin mit nicht deutschem Namen, die in der Arztpraxis gefragt wird, woher sie stamme. Eine Mutter, die wenig Deutsch spricht und keinen Termin beim Kinderarzt bekommt. Diskriminierung ist allgegenwärtig, auch im Gesundheitswesen.
Das Gesundheitsamt Frankfurt setzt sich mit seiner Beteiligung an den beiden Forschungsprojekten „AccessIN – Social Inclusion and Access to Basic Services for Third-Country Nationals“ und „Empowerment für Diversität“ dafür ein, dem Thema Diskriminierung im Gesundheitswesen mehr Beachtung zu schenken und damit zur Gleichbehandlung aller Menschen in der Gesundheitsversorgung beizutragen.
„Diskriminierung passiert nahezu täglich und führt oftmals dazu, dass Menschen nicht richtig versorgt werden“, sagt Sarah Lang, die im Gesundheitsamt die Humanitären Sprechstunden und die Clearingstelle koordiniert, wo Menschen ohne Krankenversicherung ärztliche Hilfe und Unterstützung bei der Klärung ihres Versicherungsschutzes finden. „Durch unsere Klientinnen und Klienten erfahren wir immer wieder, dass sie häufig mit pauschalisierenden Vorurteilen konfrontiert werden.“ Dies passiert oftmals völlig unbeabsichtigt. Etwa, weil Mitarbeitende im Gesundheitswesen ebenso wie Menschen in anderen Berufen nicht ausreichend für dieses Thema sensibilisiert sind und ohne jeglichen Hintergedanken Fragen stellen oder Dinge sagen, die Menschen diskriminieren.
Ouissam Akian En-Nahas, die als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Gesundheitsamt am AccessIN-Projekt arbeitet, kann das bestätigen: „Während meiner langjährigen Tätigkeit in verschiedenen Bereichen des Gesundheitswesens habe ich viele Fälle von Diskriminierung miterlebt. Für AccessIN recherchiere ich zurzeit viele Studien, die sich mit dem Thema beschäftigen – das hat mich noch mehr sensibilisiert.“ Akian En-Nahas hat einen Master in Pflege und Gesundheitsmanagement. Dass so viele Menschen von Diskriminierung betroffen sind, mache sie traurig und sporne sie gleichzeitig an. Sie brennt geradezu dafür, mehr Aufmerksamkeit für dieses Thema zu schaffen: „Ich will dazu beitragen, die Situation der Betroffenen zu verbessern.“
AccessIN wird von der Europäischen Union finanziert, Universitäten und zivilgesellschaftliche Organisationen in Belgien, Deutschland, Spanien und Ungarn sind daran beteiligt. Thema ist der
Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen für Personen aus sogenannten Drittstaaten. Gemeinsam mit der Philipps Universität Marburg erarbeitet das Gesundheitsamt zwei Trainingsmodule. Eines davon dient der Schulung von Medizinstudierenden und startet im Sommersemester 2024 an der Uni Marburg. Das zweite Modul richtet sich an Gesundheitspersonal, beispielsweise in Arztpraxen oder in Behörden. Ziel ist es, Diskriminierung im Gesundheitswesen zu erkennen, zu reduzieren und kulturelle Kompetenzen der Mitarbeitenden im Gesundheitswesen zu fördern. Akian En-Nahas‘ Ziel ist es, das Trainingsmodul im Curriculum der Uni Marburg zu verstetigen und im nächsten Schritt auch an anderen Hochschulen zu etablieren. „Je mehr Menschen geschult werden, desto mehr Aufmerksamkeit bekommt das Thema“, sagt die wissenschaftliche Mitarbeiterin.
„Noch wird viel zu selten über Diskriminierung im Gesundheitswesen gesprochen. Dabei belegen wissenschaftliche Studien, dass sie krankmachen kann“, unterstreicht Dr. Peter Tinnemann, Leiter des Gesundheitsamts. „Dass Menschen, die medizinische Hilfe suchen, wegen ihrer Hautfarbe, Herkunft oder ihres sozialen Status nicht ernst genommen oder sogar abgewiesen werden, darf nicht vorkommen. Es ist mir ein persönliches Anliegen, etwas gegen diese Art von Benachteiligung im Gesundheitswesen zu tun.“
Auch die Mitarbeitenden des Gesundheitsamts sollen künftig noch besser für das Thema sensibilisiert werden. Hierfür entwickelt die Behörde gemeinsam mit der Charité-Universitätsmedizin Berlin unter dem Titel „Empowerment für Diversität“ Fortbildungsformate mit interaktiven Lehr- und Lernmethoden, Videos und Audioformaten. Zudem soll ein Aktionsplan zur Vermeidung von Diskriminierung im Arbeitsalltag erstellt werden. „Diskriminierung findet auf ganz unterschiedlichen Ebenen statt: Weil jemand eine andere Herkunft hat, weil eine Familie von Armut betroffen ist, weil er noch nicht sicher deutsch spricht, weil sie eine Frau ist“, sagt Lang. Sie komme, oftmals unbeabsichtigt oder unbedacht, in vielen alltäglichen Situationen vor. Und manchmal merke nicht einmal der oder die Betroffene selbst, dass er oder sie gerade diskriminierend behandelt wird, beispielweise wenn die Frage nach der Nationalität gestellt wird, weil diejenige oder derjenige keinen deutschen Namen trägt.
„Diskriminierung überhaupt zu erkennen, ist einer der ersten Schritte auf dem Weg zur Gleichbehandlung der Menschen im Gesundheitswesen. Mit unserer Beteiligung an AccessIN und Empowerment für Diversität wollen wir einen nachhaltigen Beitrag dazu leisten“, unterstreicht Amtsleiter Tinnemann.
Am Freitag, 10. November, ist der UNESCO-Welttag der Wissenschaft. Seit 2001 soll er Aufmerksamkeit schaffen für die Rolle von Forschung und Entwicklung für eine nachhaltige Entwicklung sowie die Rolle der Wissenschaft für die Friedensförderung.
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