Der 91jährige Felix Mussil, Star-Karikaturist der Frankfurter Rundschau, erhält die Goetheplakette der Stadt Frankfurt am Main

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Sie waren wirklich alle da, alle diejenigen aus dem Raum Frankfurt, die seit Jahren über die Karikaturen des Felix Mussil sich gefreut, über sie gelacht, sich an ihnen aufgerichtet, sich über sie geärgert hatten. Wobei, was sein Stammblatt, die Frankfurter Rundschau angeht, man ganz gerne eine Karikatur von ihm von heute hätte, wie er die Verschlankungskur und redaktionellen Verlagerungen der FR nach Berlin im Bild entlarvt.


Felix Semmelroth (CDU), Kulturdezernent der Stadt, holte weit aus, was richtig war, denn tatsächlich kam Felix Mussil noch Ende der Vierziger frisch, fröhlich und frei – ob fromm, wissen wir nicht – nach Frankfurt, damals in der amerikanischen Besatzungszone gelegen. Direkt wandte er sich an die Frankfurter Rundschau, die 1945  als erste Zeitung im amerikanischen Sektor eine Lizenz erhielt, weil ihre Herausgeber/Verleger, unter ihnen Emil Carlebach, die Gewähr für eine demokratische Presse boten. Ein Jahr später stieß Karl Gerold hinzu, der bis 1973 dann alleiniger Verleger blieb und mit dem Gesicht der Frankfurter Rundschau in der Adenauerära als kritisches und kreatives Potential identisch ist.

Dies gilt auch für Felix Mussil, weshalb er den langjährigen Verleger auch in seiner Dankesrede erwähnte. Dies aber war der Tag des Felix Mussil. Ihm hätten die Ohren geklingelt, sagte er nachher, was da alles an Lobeshymnen über ihn ausgeschüttet worden sei. Die Zuhörer allerdings fanden das alles ganz selbstverständlich, was heißt schon Lob, die Wahrheiten kamen ans Licht in der Rede des Kulturdezernenten, wenn die vorher noch nicht bekannt gewesen sein sollten.

Wie er, dieser Jungspund Mussil aus Berlin, da einfach zur Rundschau reinmarschiert sei, sofort genommen und mit seinen bis heute 5 000 Blättern die Nation aufgemischt habe, das paßte gut in die kritische Öffentlichkeit der Stadt Frankfurt und in die Frankfurter Rundschau auch. Und sein Arbeitsplatz auf dem höchsten Punkt des Rundschauhauses, direkt hinter den Buchstaben, völlig allein auf weiter Flur, bleibt legendär. So mancher der Anwesenden meinte allerdings später beim Glas Sekt, das mit der Kritik und mit der Öffentlichkeit sei früher in Frankfurt eben doch intensiver gewesen, ehrlicher und ernstgemeinter. Was – was die Bilder angeht -  möglicherweise darauf zurückzuführen ist, daß Felix Mussil dann im Jahr 2002 doch aufgehört hat, über 80zigjährig immerhin.

Während Felix Mussil seine Dankesworte erst einmal völlig frei und dann im Blätterdurcheinander vortrug – seine Ehefrau Helga Dierichs, gestandene politische Journalistin saß auf dem Bänkchen als Ruhepol ihm gegenüber - , überkam die Anwesenden sichtlich Rührung, als der Goethe-Plaketten-Träger schloß: „Der heutige Tag ist der Höhepunkt meiner Arbeit, der Höhepunkt eines langen Lebens, der Abschluß und Höhepunkt meiner Karriere.“ Das klatschten sie alle minutenlang, die gekommenen Honoratioren, wichtig allesamt für diese Region, auch wenn sie deutschlandweit nicht überall bekannt sind.

Diese Einschränkung gilt nicht für Hilmar Hoffmann, ehemaliger Kulturdezernent der Stadt und kulturell sozusagen Stadtältester, einen Titel, den der ebenfalls anwesende Ernst Gerhardt (CDU)  in der Tat trägt. Die Einschränkung gilt auch nicht für Mussils „Kollegen“, wie er Träger der Goetheplakette, wie Eva Demski, E.R. Nele, Ferry Ahrlé, Hans-Klaus Jungheinrich und Arno Lustiger. Da waren auch der ehemalige Hessische SPD-Minister Armin Clauss, auch der ehemalige SPD-Oberbürgermeister Andreas von Schoeler mit Gattin Ulrike Holler, immer noch bekannt als kritische Stimme im Hessischen Rundfunk, der legendäre Umweltforscher Klaus Traube und Stadträtin Cornelia von Plottnitz,, Trude Simonsohn, gleich alt wie der Ausgelobte und eine Frankfurter Institution, nicht nur eine der Jüdischen Gemeinde, da waren so viele weiteren, die man nennen müßte; Platz muß aber sein für die beiden ehemaligen FR-Chefredakteure Werner Holzer und Roderich Reifenrath, sozusagen die Vorgesetzten des vorwitzigen und ins Mark treffenden Zeichners.

Daß er mit der Tusche gemalt habe und nicht mit Gift, war ein Aperçu von Semmelroth, das gerne aufgegriffen wurde, weil mit dem Abstand der Jahre auch der Ärger, für den Mussil mit seinen Karikaturen eben auch gesorgt hatte, verklungen ist. Welche Wirkung überhaupt heute, in der fast alles gesagt werden darf, ohne daß es etwas ändert, die politische Karikatur überhaupt noch hat, wurde an diesem Tage, an dem man sich mit dem Ausgezeichneten freuen durfte, nicht angeschnitten.