Serie: FRANKFURT LIEST EIN BUCH: Mirjam Pressler, „Grüße und Küsse an alle“ vom 13. bis 26. April, Teil 8
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Das Nette an den durch so viele am Lesefest Mitwirkende verursachten lebendigen Ablauf der Ereignisse ist, daß es immer mehrere Eröffnungen gibt. Die offizielle ist die am 13. in der Nationalbibliothek (Teil 7), aber zuvor war am Sonntag um 11 Uhr in der Dantestraße die erste, dann um 19 Uhr im Haus Margarete die zweite Ausstellungseröffnung und am Montag um 11 konnte man im Bilderhaus sehen, was die Künstlerin Hetty Krist aus den Vorgaben des Buches gemacht hat.
Die großformatigen Vervielfältigungen von kolorierten Frankfurter Postkarten aus der Gründerzeit und danach sind im Haus Margarete in der Braubachstraße eine Augenweide. Und man müßte ordentlich hinzufügen, daß dieser Teil hier im FENSTER ZUR STADT, wie der große Raum heißt, noch zwei weitere Ausstellungsteile im HAUS AM DOM und im UNIVERSITÄTSARCHIV der Universität hat, die alle unter dem Motto: „Wir haben uns das Leben anders vorgestellt“ stehen.
Der Teil im Haus Margarete ist überschrieben: WEGMARKEN DER FAMILIE FRANK. Wie schön war Frankfurt – und wie repräsentativ, denkt man sich beim Betrachten der Bilder an den Wänden. Und wie sehr haben diese paar Jahre des Historismus in Frankfurt, veranlaßt durch den industriellen Aufschwung nach der Reichsgründung 1971, das Stadtbild bis heute geprägt, dachte man so vor sich hin. Was gleich falsch ist. Denn das Haus in der Dantestraße, das man mit Gewicht vor sich sieht, wo einst Alice Frank mit der ganzen Familie lebte, das Haus gibt es nicht mehr, wie so viele andere.
Aber daß die Familie in der Alten Oper war, die wir hier sehen, das glaubt man gerne und weiß es aus den Aufzeichnungen der Alice. Auch der Frankfurter Hof galt den Franks als Anlaufstätte. Wurden hier Gäste untergebracht und zuvor am Bahnhof – der ist halt für einen Frankfurter einfach schön! - abgeholt? Der Bahnhof war wichtig in einer Gesellschaft, die zunehmen mobil wurde. Ob die Franks aus der Dantestraße ihn auch so gerne frequentierten wie Max Beckmann aus der Schweizerstraße? Denn ein Bahnhof ist nicht nur zum Wegfahren oder Ankommen da, sondern zum Verweilen, den Strom der Reisenden in Ruhe aufzunehmen, sich in Gedanken zu verlieren, wohin die alle wollen und woher sie kommen. Und dabei genüßlich ein Glas Champagner zu schlürfen, was für die Bahnhofsbesuche des Max Beckmann verbürgt ist.
Aber so rechte Bohemians waren die Mitglieder der Familie Frank nicht. Es war eine ehrbare Kaufmannsfamilie, die sich aus dem Ghetto emanzipiert hatte. Aber da gab es doch Michael Frank aus der Pfalz, den Alice Stern aus Frankfurt geheiratet hatte und der hier zwar den ordentlichen Kaufmann gab, aber bekannt dafür war, daß er den Wein liebte und überhaupt seine pfälzer Lebensart auch hier frönte, was Alice kein Dorn im Auge war. Denn pietistischer Gesinnung war diese Familie nicht. Ganz und gar nicht. Mal abgesehen davon, daß sie Juden waren. Was ein weites Feld ist, denn in politischen Angelegenheiten gehörten sie zum konservativen Teil der Stadt und wählten stramm deutschnational.
Aber dann ein herber Einbruch mit dem Tod von Michael Frank mit 58 Jahren, der seine Alice mit 43 Jahren und vier Kindern zurückließ: Robert, Otto, Herbert und Helene. Zwischen Otto, dem Vater der Anne Frank und Leni, der Mutter von Buddy Elias bestand eine besonders tiefe Geschwisterbeziehung. Fortsetzung folgt.
Info:
Mirjam Pressler/Gerti Elias „Grüße und Küsse an alle“
Die Geschichte der Familie von Anne Frank
Fischer Taschenbuch Verlag
432 Seiten. Kartoniert.
€ 10,99
ISBN 978-3-596-18410-1
Das 16 seitige DIN A4 Programm FRANKFURT LIEST EIN BUCH liegt an verschiedenen Stellen der Stadt aus. Sie finden es auch unter:
www.frankfurt-liest-ein-buch.de