150 Jahre Okkupation Frankfurts durch Preußen – kaum erinnert, Teil 3/5

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Heute vor 150 Jahren erhängte sich in den Morgenstunden der letzte Bürgermeister der Freien Stadt Frankfurt, der am  gleichen Tag, dem 24. Juli 1807 in Frankfurt geboren wurde, also seinen 59sten Geburtstag beging.


Es war für ihn Notwehr gegen das Begehr der preußischen Okkupatanten, die am 16. Juli die Stadt erobert hatten, er solle die Stadt, den Stadtsäckel und die Namen, Adressen und Besitzverhältnisse aller Mitglieder der städtischen Körperschaften den Preußen preisgeben.



Hintergrund war der Deutsche Krieg von 1866, der in den Geschichtsbüchern auch als Preußisch-Deutscher Krieg gelehrt wurde. Letzteres ist durchaus richtig, denn die Deutschen Lande befanden sich vor 1866 hauptsächlich im Deutschen Bund, der vom Bundesstaat Österreich, das eine Monarchie war, geführt wurde und eigentlich in der Frankfurter Paulskirche seit 1848 ihre Nationalversammlung hatte.



Diese hatte am 28. März 1849 die Frankfurter Reichsverfassung beschlossen, die von den meisten deutschen Einzelstaaten angenommen wurde, auch von den beiden Kammern des preußischen Landtags, nicht aber vom preußischen König und auch nicht von Bayern und Hannover. Daß die Nationalversammlung sogar – in der gewählten kleindeutschen Lösung - den Preußenkönig die Kaiserkrone angeboten hatte, die Friedrich Wilhelm IV. von Preußen aber abgelehnt hatte, und seine preußischen Kammern auflöste, übergehen wir hier, wie auch den Niedergang der Paulskirchen-Nationalversammlung.



Wir sind 1866 in einer anderen Phase der fortgeschrittenen Uneinheitlichkeit deutscher Länder, die sich 1815 als Folge des Wiener Kongresses im Deutschen Bund zusammengeschlossen hatten – mit den beiden Antagonisten Österreich und Preußen. Die wichtigste Konfliktursache ist, wem die Führung im Deutschen Bund zukommt. 1866 war Österreich politisch/finanziell sehr unter Druck geraten, was Preußen durch den dann auch gewonnenen Krieg ausnutzte. Interessant, auch von heute her, die beiden Lager hinsichtlich ihrer Verbündeten zu untersuchen.


Bündnispartner waren dabei für den Deutschen Bund neben Österreich, auch die Königreiche Bayern, Hannover, Sachsen, Württemberg, Kurfüstentum Hessen, div. Großherztümer, Fürstentümer und eben die Freie Stadt Frankfurt. Auf der Seite Preußens gab es zahlenmäßig, nicht von der Bedeutung her, sehr viel mehr Bündnispartner, die aber außer dem Königreich Italien nurGroßherzogtümer, Herzogtümer, Fürstentümer sowie die Freien Städte Hamburg, Bremen und Lübeck umschlossen. Die Italiener geraten hierein wegen ihres Unabhängigkeitskrieges gegen Österreich 1866. Wie die einzelnen Bündnispartner dann wiederum sich ihrem Bündnis entzogen und mit dem Feind  des eigenen Vorteils wegen kooperierten, ist hier nicht Ziel der Darstellung, der es nur um den Hintergrund der Annektion Frankfurts durch Preußen und des daraus resultierenden Selbstmordes seines Bürgermeisters geht.



Frankfurt war seit dem Mittelalter als Freie Stadt, die ansonsten nur den Hansestädten zustand, eine Besonderheit, diese Freie Reichsstadt, weil sie Ort der Wahl und Krönungen der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, später Deutscher Nation gewesen war. Sie hatte sich – durch keine adelige Obrigkeit geführt – selbst durch Bürgerengagement ihre Verfassheit gegeben, war vor allem als Bankenstadt bekannt, mit allerwelt verbandelt, was auch aus dem hohen Anteil jüdischer Bevölkerung herrührte, die als Frankfurter 'Kaiserjuden' direkt dem Kaiser unterstanden, was ein hohe Maß an Freiheit gegenüber anderen Städten bedeutete und nach dem Ende des Reiches 1806 in einen differenzierten Frankfurter Einbürgerungsprozeß für Juden mündete.



Die Stadt Frankfurt, die gleichzeitig ihr eigener Staat war und nun zur preußischen Provinz absank,, war den Preußen, insbesondere Bismarck verhaßt, der in den Fünzigern hier Preußen im Deutschen Bund vertreten mußte und sie als „Demokratennest“ edelte, auch wenn er dies als Beleidigung verstand. Aber im Umkehrschluß waren die Gefühle der Frankfurter für Preußen genauso negativ. Man mochte sich nicht. Und jetzt diese Besatzung. Das alles kann man wunderbar in der erst 2004 in Deutschland erschienenen Darstellung von Alexandre Dumas DER SCHLEIER IM MAIN nachlesen.


Und wer es noch genauer wissen will, der kann die Archive der in Frankfurt reichliche vertriebenen Zeitungen ausforschen, wo täglich in der Presse abfällig über die Preußen und insbesondere über Bismark gehöhnt wurde. So war die Stimmung. Im Inneren war es allerdings doch etwas differenzierter. Denn Kaufleute – und Frankfurt war eine Stadt der Kaufleute, des Handels, der ältesten deutschen Messe – haben immer ihren eigenen Gott: das Geld. Und so gab es nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch dem Senat durchaus einige, die sich von einem Zusammenschluß mit Preußen noch bessere Geschäfte erhofften. Allen voran der Bankier Moritz von Bethmann, der sogar preußischer Generalkonsul war.



Foto: 

Vor dem Frankfurter Römer bei Bekanntgabe der Annexion. In das Hoch auf den König soll nur ein einziger der versammelten Bürger eingestimmt haben (c) wikipedia

Info:


Alexandre Dumas, Der Schleier im Main. Der historische Frankfurt-Roman. Nacherzählt und mit einem Nachwort versehen von Clemens Bachmann, Societäts-Verlag, Frankfurt 2004

Heute Kranzniederlegung


Mit einer öffentlichen Kranzniederlegung auf dem Hauptfriedhof durch Stadtrat Bernd Heidenreich erinnert die Stadt Frankfurt an das tragische Schicksal ihres Bürgermeisters, der sich in den Morgenstunden des 24. Juli 1866 das Leben nahm. Treffpunkt ist am Sonntag, 24. Juli, um 10.45 Uhr am Alten Portal des Hauptfriedhofs, Eingang Eckenheimer Landstraße 190.