Ein Gedicht kommt selten allein

Klaus Philipp Mertens

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Was lässt sich über Advent und Weihnachten noch sagen, wenn doch alles bereits längst gesagt und geschrieben wurde? Weltexpresso-Autor Klaus Philipp Mertens fiel etwas Vorweihnachtliches über Frankfurt am Main ein, was bei denen, die gemeint sind, jenes Entsetzen auslösen könnte, das den Reden des historischen Jesu nachgesagt wurde. Die Redaktion



Es ist Advent,
kein Lichtlein brennt.
Selbst vom Himmel strahlt kein Stern;
der Mond ist unsichtbar und fern.
Aus Bankentürmen dringt kein Schein,
still und behäbig fließt der Main.
Die Nacht wird finster, alles schweigt,
nur aus dem Bahnhofsviertel steigt
ein blauer Hauch von Sünde.

Es scheint ganz so, als stünde
Frankfurt vor einer Wende,
als wäre dies‘ Jahr der Advent
nicht Anfang, sondern Ende.
Ein Abgesang, ganz konsequent
auf Geld und Gier, Gewinn und Macht,
auf Lug und Trug und Niedertracht.

Sankt Nikolaus und Weihnachtsmann
wandeln der Zeit nicht mehr voran;
genießen ihren Ruhestand
in der Bar „Zum Pflasterstrand“.
Am Nachbartisch, bei Brot und Wein,
finden sich Büchner und Heine ein.
Zwar nur die Geister von denselben,
die mit dem Mut der alten Helden
vollenden woll’n, für das die stritten:
Ein neues Land mit neuen Sitten!

Sie dichten ein anderes Weihnachtslied
über „Friede den Hütten“ und „Krieg den Palästen“;
es klingt nach Freiheit und Dynamit,
nach Revolution und rauschenden Festen.
Vorbei ist die Mär von Hölle und Himmel,
vorbei ist’s mit Christbaum und seichtem Gebimmel.
Jetzt geht’s um die Erde, um Frankfurt am Main,
da soll man unsterblich und glücklich sein.

 

Foto: Frankfurter Weihnachtsmarkt (c)

 

Info:

Weltexpresso-Autor Kurt Nelhiebel hat vorgelegt:

https://www.weltexpresso.de/index.php/zeitgesehen/8485-noch-n-gedicht

https://www.weltexpresso.de/index.php/zeitgesehen/8334-schoenes-europa