f selbstkritikSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 8. Juni 2017, Teil 14

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Da kommen unaufhörlich aus der ganzen Welt immer neue Filme, die oft die alten sind, und dann kommt so ein junger deutscher Filmhochschulabsolvent mit seiner Abschlußarbeit, einer Filmkomödie daher und siehe: ungewöhnlich, witzig, schräg.

Es ist grundsätzlich erst mal der Ton, der hier von Anfang an deutlich macht, es geht nicht um Tod oder Leben, nicht um die großen Entscheidungen der Menschheit, sondern um all die kleinen Um- und Nebenwege, die einer einschlägt, der sich zwischen allen möglichen Lagern der bundesdeutschen Gesellschaft befindet. Und das heißt dann doch: es geht immer ums Ganze. Eigentlich müßte man in der Mehrzahl sprechen, denn mit dem koreanischen Rentner Hong (Kyung-Taek Lie) und dem anhänglichen Sancho (Benjamin Forti) haben wir zwei Weitere, die in der Apfelplantage Oklahoma landen, die selbstverständlich nicht in Amerika liegt, sondern unweit von Berlin, wohin es die Hauptperson des Films, den Filmemacher Julian mitsamt weiblichem Anhang namens Camille aus Kanada verschlägt. Und wie war das mit dem Hund?

f selbstkritik0Alles zu seiner Zeit. Der Film beginnt in der so traumhaft bestückten Gemäldegalerie in Berlin, die ein Schattendasein führt, weshalb sie einem nicht nur leer vorkommt, wo dieser Filmemacher Julian, den der kommende Filmemacher Julian Radlmaier selbst gibt, immer wieder vorlaut ins Bild springt, ein Springteufelchen, ein kleiner, ein großer, auf jeden Fall einer ohne Springstiefel, denn er überzeugt nicht mit Gewalt, sondern verführt mit Worten. Erst besagte Camille (Deragh Campbell), dann uns alle.

Doch, doch, er hat auch etwas von einem Taugenichts und die Romantik ist bei diesem Film nicht ins 19. Jahrhundert verdonnert, sondern Teil unserer Welt, weil ohne deren Utopiepotential das Leben schwer auszuhalten wäre. Dabei hat es Julian durchaus probiert. Er versucht an die Avantgarde vom Anfang des 20. Jahrhunderts anzuknüpfen, die russischen Filmemacher beispielsweise, aber das ist im blühenden Kapitalismus, den Spätkapitalismus zu nennen, euphemistisch ist, weil es danach klingt, daß er dem Ende entgegenginge, also das ist im blühenden Kapitalismus Deutschlands kein breiter Weg, auf dem Julian sich die filmischen Sporen verdienen könnte. Nein, das ist ein dornenreiches Pfad, mit der Hoffnung, durch Filmförderung fürs Drehbuch aufs Erste doch so etwas wie eine Lichtung im Gestrüpp von Arbeitslosigkeit und Geldmangel zu finden.

Das wäre schon ein Problem für sich, aber der arrogante junge Kerl will stets mehr den Schein denn das Sein. Nicht auszudenken, wenn seine wohlhabenden, fest dotierten Bekannten mit den tollen Wohnungen und reichhaltigen Parties wüßten, daß er von Hartz IV lebt. Nicht auf Dauer, wenn es nach ihm geht, er will ja ein berühmter Regisseur werden und so lange das nicht hinhaut, inszeniert er für die Umwelt erst einmal sein eigenes Leben. Als ihn nämlich sein Sachbearbeiter im Jobcenter zum Ernteeinsatz auf besagte Apfelplantage schickt – ansonsten ist die finanzielle Unterstützung perdu - , wird daraus in einer hinreißenden Szene auf der Party seines ehemaligen, einst maoistisch angehauchten Alt-68-Professors das gewagte Unternehmen einer sozusagen Undercover-Recherche für seinen geplanten Film über die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Erntehelfern.

Foto: Das Titelfoto zeigt die drei, die nach Italien abhauen: Hong, Sancho und Camille , das Foto im Text Julian in der Gemäldegalerie © Verleih

Info:
Besetzung
JULIAN Julian Radlmaier
CAMILLE Deragh Campbell
HONG Kyung-Taek Lie
SANCHO Beniamin Forti
MÖNCH Ilia Korkashvili
ZURAB Zurab Rtveliashvili
BRUNO Bruno Derksen
ANTON Anton Gonopolski
ELFRIEDE GOTTFRIED Johanna Orsini-Rosenberg
BAUER Mex Schlüpfer