f thedinner3Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 8. Juni 2017, Teil 20

Filmheft

New York (Weltexpresso) - Seit seiner Veröffentlichung im Jahr 2009 hat sich Herman Kochs Roman „The Dinner“, auf Deutsch im KiWi Verlag unter dem Titel „Angerichtet“ erschienen, zu einem internationalen, in über 50 Ländern verlegten Bestseller entwickelt.

Wegen seiner meisterhaften Erzähltechnik, der düsteren Vision und den unerwarteten Wendungen wurde er mit Arbeiten wie Gillian Flynns „Gone Girl – Das perfekte Opfer“ und Yasmina Rezas „Der Gott des Gemetzels“ verglichen und löste leidenschaftliche Diskussionen aus. Das Buch zwingt seine Leser zur Auseinandersetzung mit äußerst schwierigen Gedanken. „Es stellt eine unmögliche Frage“, sagt Autor und Regisseur Oren Moverman. „Was würdest du tun, wenn deine Kinder ein schreckliches Verbrechen verüben? Wie weit würdest du gehen, um sie zu beschützen?“

Als Moverman von Produzent Cotty Chubb das Angebot erhielt, den Roman zu adaptieren, reizte ihn besonders die Herausforderung, die Story aus den Niederlanden in die USA zu verlegen. „Es ging ja nicht nur darum, die physischen Schauplätze zu übertragen. Auch für die emotionale Welt und die Metaphorik des Buchs musste ich passende Entsprechungen finden“, sagt er. „Außerdem wollte ich die Tonlage verändern und die Satire in ein Drama mit tieferer Bedeutung verwandeln.“

THE DINNER beginnt damit, dass sich zwei Paare, Paul Lohman (Steve Coogan) und seine Frau Claire (Laura Linney) sowie Pauls älterer Bruder Stan (Richard Gere) und seine Frau Katelyn (Rebecca Hall), in einem feinen Restaurant treffen. Das Menü besteht aus einer feierlich zelebrierten Gangfolge – Aperitif, Appetizer, Hauptgang, Käse, Dessert und Digestif –, trotzdem ist THE DINNER kein Film übers Schlemmen, und es wird im Lauf der Story auch tatsächlich nur sehr wenig gegessen. „Das Essen ist lächerlich, und genau darum geht es“, erklärt Moverman. „Die Welt dieser Leute fällt auseinander, aber sie bekommen feinstes Pumpernickel kredenzt. Die Gänge entsprechen übrigens genau der dramaturgischen Struktur unserer Geschichte.“

Der Film beschränkt sich in räumlicher Hinsicht nicht nur auf das Restaurant und in zeitlicher Hinsicht nicht nur auf den Abend des Dinners – er springt permanent zwischen den Ebenen hin und her und führt uns immer weiter zurück in Pauls schmerzhafte Erinnerungen und in die komplizierte Historie der vier Menschen am Tisch. „Am Anfang scheint schnell klar zu sein, wer jeder dieser Vier ist“, konstatiert Moverman, „aber im Lauf des Abends stellt sich heraus, dass jeder von ihnen noch eine andere Seite hat. Jeder hat etwas zu verbergen, aber irgendwann kommen wir an den Punkt, wo alles offen daliegt.“

Eine zentrale Frage von THE DINNER ist die nach dem wahren Wesen Paul Lohmans. „Am Anfang denkt man vielleicht: ‚Die Leute finden ihn wahrscheinlich unausstehlich, aber ich mag ihn, weil er zwar in teure Restaurants geht, aber sagt, dass ihm eine Pizza lieber wäre’“, spekuliert Moverman. „Er macht sich über die Protzigkeit des Restaurants lustig. Aber je mehr wir über ihn erfahren, desto mehr verschiebt sich die Perspektive auf ihn. Wir merken, dass es ihm nicht gut geht.“ Steve Coogan ergänzt: „Mit dem, was für andere Leute ganz normal ist, ist Paul überfordert. Er leidet unter Gedanken, die ihn nicht mehr in Ruhe lassen. Sein Verstand läuft übertourig, und er weiß nicht, wie er seine Erinnerungen und Probleme verarbeiten soll. Er steckt in seinem eigenen Labyrinth. Was er von sich gibt, kann außer ihm selbst niemand mehr verstehen.“

Paul ist besessen von Gettysburg, Pennsylvania, wo eine der blutigsten Schlachten des Amerikanischen Bürgerkriegs geschlagen wurde. 50.000 Soldaten starben bei der entscheidenden Niederlage der Südstaaten. „Für ihn ist das ein kompliziertes Thema, ein ikonischer Moment der amerikanischen Geschichte. Der Wahnsinn und die Unmenschlichkeit des Krieges machen ihm schwer zu schaffen“, erklärt Coogan. „Gleichzeitig ist er fasziniert davon und versucht, einen Sinn darin zu finden.“ Paul erleidet einen Nervenzusammenbruch, als er Gettysburg zusammen mit seinem ungeliebten älteren Bruder Stan besucht. Davon hat er sich zum Zeitpunkt des Dinners immer noch nicht wieder erholt. „Nach so einem Zusammenbruch hängt noch lange eine Wolke aus Selbsthass über dir“, erklärt Coogan. „Du bist enttäuscht über die anderen Menschen, die offenbar viel besser mit dem Leben klarkommen als du.“

Einer, der bestens im Leben klarkommt, ist Stan. Er ist ein angesehener Kongressabgeordneter, der aktuell für den Posten des Gouverneurs kandidiert. „Stan steht ganz oben“, meint Richard Gere. „Er hat die DNS eines erfolgreichen Politikers. Er ist freundlich und charmant, kann gut mit Menschen umgehen, weiß, wie die Dinge laufen.“ Paul lehnt Stan schon seit der gemeinsamen Kindheit ab, in der er angeblich weniger Liebe und Aufmerksamkeit erhielt als der große Bruder. „So sieht Paul das jedenfalls. Für Stan war es dagegen so, dass er sich um einen mental kranken Bruder kümmern musste“, erklärt Gere. „Er musste der Erwachsene in der Familie sein – und hasste das. Für mich war er im Grunde ein großzügiger, liebender Bruder, der sich seit dessen Geburt mit Paul herumschlagen musste.“

Ohne die liebevolle Unterstützung seiner Frau Claire wäre Paul vermutlich verloren. „Claire steht voll und ganz zu ihrem Ehemann“, sagt Laura Linney. „So kompliziert und fehlerhaft sie auch beide sein mögen, so eng sind sie auch miteinander verbunden. Daraus ziehen sie viel Kraft. Und je größer Pauls Probleme wurden, desto mehr Energie hat sie aufgewandt, um ihn zu stabilisieren.“ Um Paul nicht noch mehr zu belasten, erzählt sie ihm nicht alles, was in der Familie vor sich geht. „Sie versucht ihn zu beschützen. Sie weiß ja nie, ob und wann sich sein mentaler Zustand weiter verschlechtern wird“, ergänzt Linney. „Gleichzeitig will sie die Kontrolle behalten. Sie glaubt, die Dinge am besten beurteilen zu können und vertraut auf ihr eigenes Urteil. Sie meint, alles zu wissen, und das ist natürlich ein großer Fehler. Es lässt die anderen nicht zum Zuge kommen, und es bleibt kein Platz für andere Meinungen.“

Paul und sein Sohn Michael (Charlie Plummer) sind komplett entfremdet. „Paul ist bedürftig und unausgeglichen. Sein Sohn wünscht sich aber jemanden, der stark und klar ist“, erklärt Coogan. „Michael ist verbittert, weil sein Vater so schwach ist, was seinen Vater paradoxerweise noch schwächer macht. Sie befinden sich in einem zerstörerischen Teufelskreis.“

Katelyn, Stans wesentlich jüngere zweite Frau, hat ihre eigene Karriere hintenangestellt, um Stans politische Ambitionen unterstützen zu können. „Katelyn ist ein typisches Alphatier“, konstatiert Rebecca Hall. „Sie weiß ganz genau, dass die Rolle einer Politikerfrau darin besteht, gebildet und gut organisiert zu sein und sich um die Kinder zu kümmern. Die Folgen sind komplizierter, als es den Anschein hat. Sie muss viele Opfer bringen, wir wissen aber nicht, ob sie zu Hause darüber spricht.“ Im Film ist Katelyn von Anfang an vor allem eines: genervt von ihrem Ehemann. „Stan hat ihr erst in letzter Sekunde verraten, was er bei diesem Dinner im Schilde führt. Sie fühlt sich verraten, und das verpasst ihr einen Knacks.“

Foto: © Verleih

Info: Abdruck aus dem Presseheft zum Film

STAB

Regie und Drehbuch OREN MOVERMAN
Nach dem Roman
„Angerichtet“ von HERMAN KOCH
Produktion COTTY CHUBB, LAWRENCE INGLEE,
EDDIE VAISMAN, JULIA LEBEDEV

BESETZUNG  und .....................SYNCHRONSTIMME

Stan Lohman RICHARD GERE   Hubertus Bengsch
Claire Lohman LAURA LINNEY   Katrin Fröhlich
Paul Lohman STEVE COOGAN   Marcus Off
Katelyn Lohman REBECCA HALL Marie Bierstedt
Barbara Lohman CHLOË SEVIGNY Luise Helm
Michael Lohman CHARLIE PLUMMER Cedric Eich
Rick Lohman SEAMUS DAVEY-FITZPATRICK Amadeus Strobl
Beau Lohman MILES J. HARVEY David Kunze
Nina ADEPERO ODUYE               Katharina Spiering
Antonio JOEL BISSONNETTE      Patrice Luc Doumeyrou