f geschichtelieb2Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 20. Juli 2017, Teil 9

Filmheft

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Was hat Sie an dem Projekt besonders gereizt?

Ich habe angefangen, das Drehbuch wie einen Brief zu lesen, den Radu mir geschickt hat. Der Film ist für mich vor allem die Geschichte einer 70 Jahre andauernden Liebe, gespickt mit Humor. Was mich überzeugt hat, war die Aussicht, eine Figur zwischen 18 und 75 Jahren darzustellen – und mich durch den Film wieder mit meinen polnisch-jüdischen Wurzeln auseinanderzusetzen zu können.


Kannten Sie Radus Arbeiten vor dem Dreh?

Ich habe „Das Konzert“ gesehen und kenne nun fast alle Filme von ihm.


f geschichteliebBeschreiben Sie die Figur der Alma ...

Alma ist von einer seltenen Offenheit und Intelligenz. Würde sie heute leben, wäre sie wahrscheinlich eine erstklassige Verlegerin. Als sie jung war und in Polen lebte, hat sie das Leben von der leichten Seite genommen. Nach all den Kriegsschrecken ist sie zurückhaltender, vernünftiger geworden. Alma ist aber immer noch erfüllt von der großen Liebe zu ihren Kindern, zur Literatur und zu Léo. Eine starke, leidenschaftliche Frau.


Welche Schwierigkeiten mussten Sie beim Dreh überwinden?

Das permanente Schwanken meiner Figur zwischen großer Stärke und tiefer Verletzlichkeit war fordernd und wunderbar zugleich. Zudem musste ich einen Weg finden, wie ich die Entwicklung meiner Figur in einer Zeitspanne von 60 Jahren authentisch darstellen kann.


Haben Sie sich intensiv mit dem jüdischen Leben vor und während des Zweiten Weltkriegs beschäftigt?

Ich habe mich ausführlich über die Lebensumstände der polnisch-jüdischen Gemeinschaft vor dem Krieg informiert - ebenso über die Schicksale der nach New York ausgewanderten Juden. Mit den Wertvorstellungen von Familie und Gemeinschaft, die zur der Zeit vorherrschend waren, kann ich sehr viel anfangen.


Was halten Sie von dem Versprechen, das Alma Léo abnimmt?

Alma verlangt sehr viel von Léo. Es beginnt mit ihrem Wunsch, dass er ihr schreiben und jedem Brief ein neues Kapitel des Buches beifügen soll, das er ihr widmet. Sie glaubt felsenfest an sein schriftstellerisches Talent und weiß, dass sie ihn darin bestärken muss, damit er ein Projekt durchzieht, das ihn am Leben halten wird.

Als Léo viele Jahre später nach New York kommt, verlangt sie von ihm, dass er niemals seine Identität ihrem Sohn gegenüber enthüllt. Alma liebt ihre Kinder mehr als alles auf der Welt und ist bereit, alles zu tun, um sie zu beschützen. Ich persönlich hätte mir gewünscht, dass die Wahrheit ans Licht kommt - aber Alma hat in ihrem Leben sehr viel durchgemacht und die Enthüllung der Vaterschaft hätte zu einem weiteren Bruch in ihrem Leben geführt. Am Ende ihres Lebens fordert sie Léo auf, nicht allein zu bleiben und glücklich zu sein. Meiner Meinung nach weiß sie, dass er ihre Liebe nie aufgegeben und nie das wahre Glück im Leben gefunden hat.


Glauben Sie, dass sie sich privilegiert gefühlt hat, weil sie als die „meistgeliebte Frau der Welt“ bezeichnet wurde?

Ich glaube, dass es wunderbar ist, sich geliebt zu fühlen. Aber es ist schrecklich und tragisch, sich vorzustellen, dass Alma und Léo die meiste Zeit ihres Lebens getrennt waren und dass Léo ihretwegen so sehr gelitten hat.


Fühlt Alma sich hin- und hergerissen, als Léo nach dem Krieg kommt, um sie zu suchen?

Als er nach dem Krieg wieder auftaucht, ist das ein schrecklicher Schock für sie. Sie hat ihn für tot gehalten, hat ihr Leben weitergelebt aus Notwendigkeit und aus moralischen Gründen. Alma war von Léo schwanger, als sie in New York ankam – und glücklicherweise hat sie einen anständigen Mann getroffen, der bereit war, sich um ihr Kind und sie zu kümmern. Als Léo vor ihr steht, stürzt ihre Welt ein, weil sie nie aufgehört hat, ihn zu lieben. Aber sie kann sich nicht erlauben, auf ihre Gefühle zu hören, denn sie ist verheiratet. Sie hat zu viel zu verlieren, um alles aufzugeben und mit Léo fortzugehen.


Wie war Ihre Zusammenarbeit mit Derek Jacobi?

Es war ein wirkliches Glück, mit ihm zu drehen. Er ist ein begnadeter Schauspieler, der seiner Figur Großzügigkeit, Humor und Zärtlichkeit verleiht. Leider hatten wir sehr wenige Szenen zusammen. Aber diese wenigen Szenen mit ihm waren sehr bewegend.


Reden wir über die Regie von Radu...

Er weiß ganz genau, was er will und bringt sich emotional voll in die Dreharbeiten ein. Es ist sogar vorgekommen, dass ich ihn im Nachbarzimmer weinen gehört habe, wenn wir drehten! Er baut eine sehr enge Beziehung zu den Schauspielern auf, was ich sehr wichtig finde bei einem Regisseur. 

Foto:   © Verleih

Info:

BESETZUNG

Léo Gursky            Derek Jacobi
Alma Singer           Sophie Nélisse
Alma Mereminski   Gemma Arterton
Bruno Leibovitch    Elliott Gould
Léo Gursky jung     Mark Rendall
Charlotte Singer     Torri Higginson
Bird Singer             William Ainscough
Misha Strumann     Alex Ozerov
Zoey Schwartz       Jamie Bloch
Zvi Litvinoff             Claudiu Maier
Doktor Zilberstein   Daniel Matmor
Herman Connor      Jean-Carl Boucher
Rosa                       Simona Maican

Abdruck aus dem Presseheft Seiten 19-21

Nicole Krauss, Die Geschichte der Liebe, Rowohlt