f dalidaSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 10. August 2017, Teil 12

Filmheft

Paris (Weltexpresso) - Warum haben Sie sich dazu entschlossen, einen Film über Dalida zu drehen?

Um ganz ehrlich zu sein war ich eigentlich gar kein Fan von Dalida, bevor ich mit der Arbeit an dem Film begann. Vielmehr wurde sie mir von außen ein wenig aufgedrängt. Doch sobald ich anfing, ein wenig zu ihrem Leben zu recherchieren, empfand ich eine große Empathie für sie. Und je mehr Zeit verging, desto stärker wurde das Band zwischen mir und ihr. Dalida war viel mehr als eine Frau, die viele Rekorde brach, auch wenn sie mehr Preise gewann als jede andere französische Künstlerin, über 150 Millionen Tonträger verkaufte, über 2000 Songs aufnahm und mehr als 70 Goldene Schallplatten für sich verbuchen konnte. Sie war vor allem auch ein wirklich außergewöhnlicher Mensch. Nicht jeder Star hat eine Bestimmung. Aber sie hatte es.


Was meinen Sie damit?

Ihr Leben war gleichermaßen spektakulär wie tragisch. Wie ein Roman und mit allem, was normalerweise zu einem guten Fernsehdrama gehört. Ihr Ruhm war genauso groß wie ihre Einsamkeit. Mir wurde sehr schnell klar, dass ich nicht nur die Geschichte irgendeiner Frau erzählen würde, sondern die einer Frau, die nie ihr Glück gefunden hat. Ich wollte Dalida und ihrem Andenken gerecht werden. Mir war es wichtig, dass die Zuschauer verstehen, wer sie wirklich war und ihr ihren verzweifelten letzten Akt verzeihen. Sie war ein Opfer des Pechs, denn sie war eine unglaublich moderne Frau in einer alles andere als modernen Zeit. Hätte sie 25 Jahre später gelebt, hätte sie ihr Baby unehelich zur Welt bringen können. Oder unter Bedingungen abtreiben können, die nicht zu ihrer Unfruchtbarkeit geführt hätten. Sie hätte bedenkenlos jüngere Liebhaber haben können. Und vielleicht wäre sie dann nicht so verzweifelt und unglücklich gewesen, sich das Leben zu nehmen.


Warum dauerte es so lange, bis der Film Wirklichkeit wurde?

Wahrscheinlich weil nichts wirklich einfach sein kann, wenn man es mit einer so wichtigen und komplexen Person zu tun hat. Das Projekt änderte immer wieder seine Richtung, es gab immer neue Hauptdarstellerinnen und Erzählansätze. Aber trotz allem war ich mir stets sicher, dass ich am Ende zum Ziel kommen würde. Denn 2012 sagte ein Medium zu mir: „Dalida ist glücklich darüber, dass du ihre Geschichte erzählst.“ Ich war mir da nicht so sicher, denn obwohl ich das Drehbuch geschrieben hatte, lag das Projekt damals brach. Doch sie sagte: „Du liegst falsch. In vier Jahren wird es den Film geben und du wirst ihn inszenieren.“ Ganz egal ob man an solche Dinge glaubt oder nicht: sie hatte Recht!


Anders als viele andere Biopics der letzten Zeit konzentrieren Sie sich nicht auf einen Ausschnitt, sondern erzählen Dalidas gesamtes Leben. Warum?

Weil ich glaube, dass Dalidas Kindheit und vor allem die Beziehung zu ihrem Vater vieles erklärt was ihr Verhältnis zu Männern als Erwachsene angeht. Ihr Leben und ihr Tod waren zwei Seiten der gleichen Medaille. Wenn man sie verstehen möchte, ist es unmöglich irgendwelche Abkürzungen zu nehmen. Abgesehen davon sind einfach all die unterschiedlichen Phasen ihrer Karriere und ihres Liebeslebens höchst faszinierend, von den San Remo-Jahren bis zur Disco-Ära. Ich hätte mich gar nicht entscheiden können, was ich da weglasse. Selbst so bin ich eigentlich ganz schön frustriert, dass ich nicht alle Details unterbringen konnte. Denn die ursprünglich drei Stunden lange Fassung musste ich natürlich leider schneiden.


Wie war die Zusammenarbeit mit Dalidas Bruder und Produzent Orlando, der am Drehbuch mitschrieb?

Sehr, sehr gut. Seine Beteiligung war eine Art Absicherung, denn so war gewährleistet, dass wir wirklich Dalidas wahre Geschichte erzählen. Er verstand schnell, dass wir beide das gleiche Ziel hatten: nämlich Dalida weiterleben zu lassen bis in alle Ewigkeit. Orlando hatte lediglich drei Bedingungen. Er wollte das Drehbuch absegnen, die Hauptdarstellerin mitaussuchen und natürlich auch den Schauspieler, der ihn selbst verkörpern würde. Im Gegenzug garantierte er mir komplette künstlerische Freiheit. Hin und wieder hatte er Einwände, etwa wenn er fand, dass ich ein bestimmtes Detail auf keinen Fall weglassen könne. Aber er ließ mich auch immer den Boden der Realität verlassen. Vieles schrieb ich sehr intuitiv und ließ mich einfach davon leiten was ich glaubte, was Dalida womöglich empfunden haben könnte. Ich kann Orlando gar nicht genug danken für das Vertrauen, das er mir entgegen brachte.


DALIDA ist Ihr erstes Biopic. Wie machten Sie sich die Geschichte ihrer Protagonistin zu Eigen?

Zunächst begann ich damit alles zu lesen, zu hören und zu sichten, was es von ihr und über sie gibt. Mir half natürlich auch, dass ich mit ihrem Lebensstil einigermaßen vertraut war. Meine Mutter ist die Sängerin Marie Laforêt, daher habe ich eine Ahnung davon, was es hieß, eine Sängerin in den Siebziger und Achtziger Jahren zu sein. Von dem Glamour und der Etikette, dem allgegenwärtigen Konservatismus, der dauerhaften Beobachtung (allen voran von Männern, die alles für einen regelten und bestimmten). Aber eben auch von kleinen Details, wie dem, dass es eine Frau gab, deren Aufgabe es war, die Unterschrift auf Autogrammkarten zu stempeln.

All diese Dinge kannte ich, deswegen bestand keine Gefahr, dass ich in dieser Hinsicht etwas falsch machen würde. Was Dalida selbst angeht, fand ich es einigermaßen seltsam, so tief in jemand anderes Leben einzutauchen. Nicht zuletzt als mir klar wurde, dass ich durch sie auch vieles von mir selbst entblößen würde. Das erste Jahr des Schreibens fiel mir richtig schwer, weil ich so viele Ähnlichkeiten zwischen uns entdeckte, gerade was das Interesse an Spiritualität oder die Beziehungen zu Männern angeht. Genau wie sie hatte ich nie Zweifel was meine Karriere angeht, aber sehr regelmäßig, was mein Privatleben angeht. Allerdings hatte ich das Glück, Kinder zu bekommen, und das ändert alles. Durch Dalida habe ich viel über mich selbst gelernt, allem voran, dass ich kein Leben ohne Kinder führen wollen würde. Das habe ich mir erst durch die Arbeit an diesem Film wirklich eingestanden.


Hatten Sie angesichts Dalidas tragischen Schicksals je die Befürchtung, der Film könne zu düster geraten?

Mir war immer klar, dass DALIDA kein Feelgood-Movie werden würde. Allerdings wusste ich natürlich auch, dass Dalidas Persönlichkeit zwei Seiten hatte. Natürlich war sie eine sehr unglückliche Person, doch wenn sie sang, dann strahlte sie. Deswegen war es mir so wichtig, ihre Geschichte anhand sowohl ihrer Männer als auch ihrer Songs zu erzählen. Aber auch jenseits ihrer Karriere hatte sie natürlich Momente großen Glücks in ihrem Leben. Ihre leidenschaftliche Aff äre mit Richard Chanfray ist im Film zum Beispiel eine sehr positive, fröhliche Passage.


Erzählen Sie ein wenig über die Suche nach der passenden Hauptdarstellerin. Stimmt es, dass Sie sich über 200 Schauspielerinnen ansahen, bevor Sie sich für Sveva Alviti entschieden?

Das stimmt. Wir begannen in Frankreich, doch dort rollten alle Schauspielerinnen das R viel zu sehr. Vielleicht hat das damit zu tun, dass wir bei uns kaum unterschiedliche Dialekte haben, aber es klang bei allen irgendwie zu künstlich. Deswegen entschlossen wir uns, die Suche auf Italien und den Nahen Osten auszuweiten. Als ich Svevas Video sah, hatte ich gleich ein gutes Gefühl. Als sie nach Paris kam, waren immer noch 20 Schauspielerinnen im Rennen um die Rolle. Dann sang sie „Je suis malade“ – und mich überkamen die Emotionen. Ich konnte meine Tränen nicht zurückhalten.

Sie war als Schauspielerin noch unerfahren und sprach kein Französisch. Aber als sie sagte: „Ich bin Dalida“, wusste ich dass sie Recht hatte.


Und die männlichen Schauspieler?

Dieser Teil der Arbeit machte natürlich besonders viel Spaß, weil Dalida nur richtig gut aussehende Männer mochte. Ich hatte das große Glück, dass ich alle meine Wunschschauspieler bekam. Und sie begeisterten mich durch die Bank. Nicht nur Nicolas Duvauchelle (Richard Chanfray) und Jean-Paul Rouve (Lucien Morisse), sondern auch die Nebendarsteller wie Niels Schneider (Jean Sobieski), Alessandro Borghi (Luigi Tenco) und Brenno Placido (Lucio). Patrick Timsit (Bruno Coquatrix) und Vincent Perez (Eddie Barclay) waren beide unglaublich lebensnah und wahrhaftig. Als dann auch noch Riccardo Scamarcio, den ich in Apulien traf, zusagte Orlando zu spielen, wusste ich, dass ich den besten männlichen Cast hatte, den ich mir vorstellen konnte.


Welche Intentionen hatten Sie mit dem Look des Films und der Farbpalette, was Kostüme, Kulissen und Beleuchtung angeht?

Visuell wollte ich nicht, dass der Film zu sehr nach dem echten Leben aussieht. Stattdessen ging es mir eher darum, ihn so gut wie möglich aussehen zu lassen. Ein bisschen so wie in der Serie „Mad Men“. Da sahen die Büros auch ein wenig eleganter aus als es in Wirklichkeit in den Sechzigern der Fall war. Aber das spielte keine Rolle, so lange es trotzdem glaubwürdig wirkt und den Zuschauern gleichzeitig die Möglichkeit zum Träumen gibt. Meine Kostümdesignerin Emmanuelle Youchnovski wusste genau, was ich im Sinn hatte und schlug vor, Dalida nicht zwingend in Kostüme jener Zeit zu stecken, sondern mit Bezug zu den jeweiligen Männern in ihrem Leben. Wenn sie zum Beispiel mit Lucien Morisse zusammen ist, sind ihre Kleider sehr elegant und ladylike. In den Szenen mit Chanfray ist ihr Look dagegen sanfter und sinnlicher.


Welchen Platz nimmt Dalida nun in ihrem Leben ein, jetzt wo der Film vollendet ist?

Einen großen, und das wird auch immer so bleiben. Seit ich mit der Arbeit an DALIDA begonnen habe, fühlte ich eine Nähe zwischen ihr und mir, daran hat sich nichts geändert. Ich verstehe ihre Suche nach dem Absoluten, ihren Hunger nach Liebe. Wahrhaftiger Liebe, nicht dem, was das Leben uns normalerweise zu bieten hat und mit dem wir uns zufrieden geben. Durch sie habe ich gelernt, mich nicht länger einfach nur von einer Beziehung mitschleifen zu lassen. Dank Dalida bin ich mir selbst die beste Freundin geworden. Ich bin überzeugt davon, dass sie und ich uns gut verstanden hätten, denn jenseits ihrer Schönheit und ihres Talents war sie auch ein liebenswerter Mensch. Dessen bin ich mir sicher. Ich bin stolz und glücklich, dass ich sie zurück ins Scheinwerferlicht holen durfte.

Foto: © Luc Roux

Info:

Dalida

Regie: Lisa Azuelos

Besetzung: Sveva Alviti, Riccardo Scamarcio, Jean-Paul Rouve, Nicolas Duvauchelle, Alessandro Borghi, Valentina Carli