Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 10. August 2017, Teil 16
Filmheft
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – „In Istanbul ist die Katze mehr als nur eine Katze.
Die Katze verkörpert das unbeschreibliche Chaos, die Kultur und die Einzigartigkeit, die Istanbul ausmacht.“
Y. BARLAS
Regisseurin Ceyda Torun wuchs in den frühen 1980er Jahren in Istanbul auf, als die Stadt der Mittelpunkt eines Landes an der Schwelle zur Globalisierung war. Zu dieser Zeit lag die Einwohnerzahl bei gerade mal vier Millionen. Heute ist die Population auf fast 20 Millionen angewachsen, wobei die Grenzen der Stadt sich stetig ausdehnen.
Neben dieser enormen Menge Menschen gibt es ein weiteres Lebewesen, das in der Stadt seit tausenden Jahren beheimatet ist: die Straßenkatze. Mit einer Geschichte, die genauso variiert wie bei ihren menschlichen Pendants, erleben Katzen die Stadt auf eine Weise, die den Menschen völlig unbekannt ist. Für sie könnte die Stadt genauso gut Katzstanbul heißen.
Am meisten faszinierte die Filmemacher die Einmaligkeit, wie Straßenkatzen in Istanbul behandelt werden – ähnlich den Kühen in Indien. Für die muslimische Bevölkerung haben Katzen eine Art heilige Reputation, da sie häufig in Geschichten rund um den Propheten Mohammed vorkommen. Anders als bei dem eher „hygienischen“ Ansatz in Europa und den USA, wo Katzen, die kein Mensch für sich beansprucht, gefangen werden, und dem scheinbar gleichgültigen Ansatz der asiatischen und arabischen Nationen, kümmern sich die Bewohner Istanbuls um die Straßenkatzen, während diese ihre Unabhängigkeit behalten. Damit ermöglichen sie nicht nur ein neues Verständnis für die Kultur der Stadt, sondern genau genommen auch dafür, wie wir uns dem Leben nähern.
Regisseurin Ceyda Torun und Kameramann Charlie Wuppermann reisten nach Istanbul, um Filmmaterial von Katzen zu sammeln. Zunächst wussten sie nicht, ob es möglich sein würde, das Wesentliche einzufangen, nämlich was es ausmacht, eine Katze in Istanbul zu sein. Gemeinsam
mit örtlichen Rechercheuren sammelten sie Geschichten und suchten nach Leuten, die ein umfassendes Wissen über die Katzen in ihrer Nachbarschaft hatten. Wer ist das Alphatier, wer ist von wem gezeugt worden, welche Katze stiehlt vom Fischgeschäft, wer hat die Angewohnheit in das Nachbarhaus einzubrechen usw. Aufgrund der Geschichten, die sie zu hören bekamen, freuten sie sich noch mehr darauf, den Film zu machen und diese einmaligen Tiere in Aktion zu dokumentieren.
Um den Katzen so nah wie möglich zu kommen, entwarfen und experimentierten die Filmemacher mit verschiedenen „Katzen-Kameras“. Sie folgten ihnen in dunkle Gassen und verlassene Keller, flogen mit Drohnen über die Dächer und verfolgten die Katzen auf Schritt und Tritt, um filmische Perspektiven wie „über-die-Schulter“-Bilder einzufangen, während die Tiere durch die Straßen der Stadt steuerten. Es war harte Arbeit, tagein tagaus zurückzukehren, um dieselbe Katze zu filmen. Dies ermöglichte jedoch, die einzigartigen Charaktere und die Interaktion mit ihrer Umgebung einzufangen.
Nach zwei Monaten Drehzeit begannen Ceyda Torun und ihr Cutter Mo Stoebe die einzelnen Katzengeschichten zusammenzusetzen, wobei sie bestrebt waren, deren Einmaligkeit zu erfassen, indem sie jeder Katze erlaubten, ihre Geschichte selbst zu erzählen. Das ultimative Ziel war es, durch eine erlesene Auswahl an Katzengeschichten ein nachdenkliches Werk zu kreieren, das die Themen Liebe, Verlust, Freude, Einsamkeit und Zugehörigkeit enthält.
Torun erklärt: „Ich habe verstanden, dass meine eigenen Geschichten der Istanbuler Straßenkatzen nicht nur mir gehören, sondern dass jeder, der sich selbst erlaubt hat, eine bedeutungsvolle Beziehung mit diesen Kreaturen zu formen, das Leben und ihren Part darin unterschiedlich erlebt hat. Der Grad dieser tiefgreifenden, unterschiedlichen Perspektive variierte von Person zu Person, aber eine Sache blieb gleich: Sie wurde verursacht durch die Möglichkeit, mit einem Tier mit Charme, Intellekt und Autarkie zu koexistieren.“
„Man sagt, dass Katzen wissen, dass wir nicht Gott sind ... sie wissen, dass wir nur die Mittelsmänner sind.“
H. KARACI
Fotos: © Verleih