Kirsten Liese
Berlin (Weltexpresso) - Seinen gelben Stern tauscht der zehnjährige Joseph auf Wunsch eines Mitschülers gegen einen Beutel mit Murmeln, aber in Acht nehmen muss er sich vor den Nazis dennoch. Im vom NS-Deutschland besetzten Paris 1942 werden zunehmend Juden verfolgt und deportiert.
Um zu überleben, planen seine Eltern die Flucht nach Südfrankreich, in die unbesetzte, sogenannte "freie Zone" des Landes. Da ein gemeinsamer Aufbruch jedoch zu riskant wäre, schicken sie Joseph und seinen zwei Jahre älteren Bruder allein auf die Reise. Mit ein bisschen Glück schaffen es die Jungen nach Nizza, wo sie für kurze Zeit ihre Eltern wiedertreffen und Joseph für dort stationierte italienische Soldaten Zigaretten auf dem Schwarzmarkt besorgt. Doch im Juli 1943 wird Mussolini gestürzt und verhaftet: Die Familie Joffo muss damit rechnen, dass sich für sie mit dem Abzug der Italiener die Situation in Nizza verschärfen wird. Erneut beginnt eine Flucht, auf der sich die Jungen mit viel Einfallsreichtum über Wasser halten, getragen von der Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen mit ihrer Familie.
Ein Sack voll Murmeln basiert auf dem gleichnamigen Erfolgsroman von Joseph Joffo von 1973, der darin seine Kindheitserinnerungen verarbeitet. Trotz der Schrecken des Krieges und der Verfolgung wirkt die Adaption nicht erdrückend, da Christian Duguay aus der Perspektive eines wachen, unschuldigen Kindes erzählt, dessen wechselnde Gefühle zwischen Angst, Abenteuerlust, Bruderliebe, Überforderung und erstarkendem Selbstbewusstsein er feinfühlig auslotet. Auch hält das Drehbuch spannungsreich die Balance zwischen Schreckensmomenten, kleinen Erfolgen und Rückschlägen. Großartige Schauspieler, licht durchflutete Bilder, die bisweilen eine trügerische Schönheit ausstrahlen, und eine dezente lyrische Musik unterstreichen den hohen künstlerischen Anspruch des Films.
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