Serie: Die heute anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 29. November 2012, Teil 1

 

 

Romana Reich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Aller guten Dinge sind drei! Weshalb wir auch heute FESTUNG zum Aufmacher nehmen, obwohl viele weitere Filme richtig gut sind, die nur kurz besprochen werden. Dabei haben wir uns bemüht, hier in Teil 1 und 2 die familiären und Beziehungsdramen zusammenzubringen, denen gegenüber die gesellschaftliche Konfrontation: Verbrechen und Verfolgung im Teil 3 kommen, wobei das eine dem anderen nichts nachsteht. Leider.

 

 

FESTUNG

 

Dieser Film kommt ohne Holzhammer aus, obwohl man mit einem solchen dem, den Vater spielenden Peter Lohmeyer des öfteren über den Kopf ziehen möchte. Aber eben nicht immer. Denn dieser Vater hat auch sympathische und versöhnliche Züge. Wie im normalen Leben also. Damit wollen wir nun nicht die Gewalt von Männern gegenüber Frauen, die so harmlos neutral als häusliche Gewalt bezeichnet wird, allen Familienväter andichten. Was aber statistisch erwiesen ist, das ist einfach, in welchem Umfang und in welchem Ausmaß in Familien geschlagen wird, wobei die Frauen das noch mehr abbekommen als die Kinder. Diese oft auch.

 

Dieser Film ist nur erträglich und auch notwendig, weil er einmal nicht in dem Milieu spielt, in dem man als Bundesdeutscher Gewalt miteinschließt: den sozial Schwachen, die einmal Proletariat hießen, heute Prekariat, man sollte lieber von denen sprechen, die an den Errungenschaften der westlichen Demokratien nicht partizipieren und meist ohne Ausbildung und minderen oder gar keinen Beschäftigungsverhältnissen in miesen Wohnung mit wenig Geld leben. Dahinvegetieren zu sagen, das wäre nun wieder eine Unverschämtheit, denn es gibt genug Menschen, die in bitterster Armut ihre und die Menschenwürde der Ihren bewahren. Aber um all das geht es – Gottseidank – hier nicht.

 

Hier geht es um uns. Hier geht es um die aufstrebenden Mittelschichten, ja sogar Häuserbesitzer, die für die Kinder eine bessere Lebenswelt schaffen wollen, diese vernünftig erziehen, mit Geschenken nicht kleinlich sind, die vor allem vom Vater dann mitgebracht werden, wenn er wieder einmal zugeschlagen hatte. Das bringt die Älteste, Karoline Herfurth, dazu, den Vater seit zwei Jahren zu meiden und der Mutter – Ursina Lardi, sehr leidend und fatalistisch - zuzusetzen, den Ehemann zu verlassen. Sie hält dieses zwanghafte Zusammenstehen einfach nicht aus und spielt doch lange mit, denn FESTUNG, das ist die Art und Weise, wie diese Familie ihre persönliche Tragödie vor der Welt verbirgt.

 

Und deshalb ist es toll, daß die Regisseurin aus Finnland, Kirsi Kimatainen – man sollt hier das Drehbuch von Nicole Armbruster loben – den Film in der Provinz spielen läßt, die man als gutbürgerlich einstuft und von der man doch Überschaulichkeit erwartet, daß nämlich die Leute genau wissen, was in den anderen Häusern und Familien los ist. Daß man das alles nicht so genau mitbekommt im Film, ist eine der Stärken dieser Regiearbeit, die niemals auf plakatives Vorgehen setzt. Das geht so gar so weit, daß wir – aus Prinzip wollen wir vor dem Sehen des Films nichts wissen über die Umstände – lange beim Schauen überhaupt nicht wußten, wohin der Film geht, in welche Richtung er sich entwickelt, was hier überhaupt los ist.

 

Deshalb scheuen wir uns auch, mehr zu erzählen, müssen aber die Rolle der 13jährigen Johanna, die die 13jährige Elisa Essig als Pupertierende trotzig-rotzig und doch im Kern erschüttert spielt, besonders erwähnen. Tatsächlich ist sie die Hauptperson, die lavieren muß zwischen dem Zurechtkommen mit den häuslichen Verhältnissen und ihren aufkeimenden Gefühlen für einen Mitschüler. Das macht sie grandios und ihr so oft stummes Gesicht spricht eine besondere Sprache. Mehr sagen wir jetzt nicht, denn es gibt viel zu viel über diesen Film zu sagen. Uns ist an die Nieren gegangen, wie hilflos die beiden im Haus lebenden Mädchen sich gegenüber der die Wirklichkeit beschönigenden Mutter verhalten. Nicht einschreiten, wenn sie geschlagen wird und den Vater nicht mehr 'bestrafend', als sich ihm gegenüber auszuschweigen und seine Wieder-gut-mach- Geschenke zu mißachten.