Dunkelste Stunde1Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 18. Januar 2018, Teil 3

Margarete Frühling

München (Weltexpresso) - 10. Mai 1940: Da die deutsche Armee dabei ist Belgien, Luxemburg und die Niederlande zu überrennen und danach wohl in Frankreich einfallen wird, verliert der englische Premierminister Neville Chamberlain (Ronald Pickup) ein Vertrauensvotum im Unterhaus, denn seine defensive Politik gegenüber den Nazis wird als gescheitert angesehen.

Als sein Nachfolger werden sowohl Lord Halifax (Stephen Dillane) als auch Winston Churchill (Gary Oldman) gehandelt. Halifax hat aber nicht die Unterstützung der in der Opposition stehenden Labour-Party, denn es soll eine All-Parteien Regierung gebildet werden. Deshalb ist der Weg frei für Winston Churchill. Allerdings hängt dem neuen Mann immer noch das von ihm verschuldete Desaster vor Gallipoli von 1915 nach. Auch König George VI. (Ben Mendelsohn) hätte lieber Halifax als Premierminister gesehen.

Churchill ist daneben auch in den Regierungskreisen nicht gerade beliebt wegen seiner cholerischen Anfälle, seines ausschweifenden Lebensstils (Zigarren und Alkohol schon zum Frühstück) und auch seines politischen Wankelmutes (er war von den Konservativen zu den Liberalen und zurück gewechselt). Er beginnt eine Allparteienregierung und vor allem ein Kriegskabinett aufzustellen, dem als Kriegsminister auch Anthony Eden (Samuel West) angehört, der eigentlich der einzige Minister ist, der unverbrüchlich zu Churchill steht.

Nachdem am 17. Mai 1940 die deutschen Truppen in Frankreich eingefallen sind und eine Invasion Groß-Britanniens kurz bevor zu stehen scheint, drängen vor allem Chamberlain und Halifax darauf mit Hitler durch Vermittlung der italienischen Regierung in Friedensverhandlungen einzutreten.

Churchill selbst will trotz der Intrigen in der eigenen Partei nicht mit den Nazis verhandeln, sondern versucht das Land auf einen bedingungslosen Krieg einzuschwören. Während der ganzen Zeit steht vor allem Churchills Frau Clementine (Kristin Scott Thomas) ihm hilfreich zur Seite und auch seine junge Privatsekretärin Elizabeth Layton (Lily James) erweist sich nach anfänglichen Problemen als sehr hilfreich.

Als die britische Armee mit über 400 000 Soldaten in Dünkirchen eingeschlossen wird, beginnt Churchill am dem 20. Mai 1940 zusammen mit seinem persönlichen Stabschef General Hastings Ismay (Richard Lumsden) einen Plan zur Rettung der Truppen zu initiieren. Dazu gehört auch, dass die kleine mit 4000 Mann besetze Division in Calais aufgefordert wird, unter keinen Umständen zu kapitulieren und so vollständig aufgerieben wird.

Nach der Schlacht von Dünkirchen am 24. Mai beginnen am 26. Mai unter der Bezeichnung Dynamo die Evakuierungen der eingeschlossenen Truppen durch Hunderte von kleinen privaten Booten, bei der bis zum 4. Juni mehr als 330 000 Soldaten der alliierten Truppen nach England gebracht werden konnten.

Bei Gesprächen mit der englischen Bevölkerung hat Churchill festgestellt, dass die Stimmung im Land sich deutlich von Teilen seiner Regierungsmannschaft unterscheidet. Deshalb wird Churchill dann am 4. Juni 1940 mit "We Shall Fight on the Beaches" seine wohl bekannteste Rede vor dem britischen Unterhaus und kurz darauf noch einmal im Radio halten. Dadurch kann er die dunkelste Stunde für sein Land und für ihn selbst als Premierminister abwenden.


Dunkelste Stunde2"Die dunkelste Stunde" ist nach "Churchill" von Regisseur Jonathan Teplitzky, in dem Brian Cox die Hauptrolle spielt, der zweite Film über den ehemaligen englischen Premierminister, der innerhalb eines Jahres in die deutschen Kinos kommt. Daneben war 2017 auch noch "Dunkirk" von Regisseur Christopher Nolan zu sehen, der sich mit der Evakuierung der alliierten Truppen aus Dünkirchen beschäftigt hat.

Der Regisseur von "Die dunkelste Stunde" ist Joe Wright, der u.a. auch mit dem Film "Abbitte" (2007) bekannt geworden ist, der ebenfalls im 2. Weltkrieg spielt. Das Script stammt von Anthony McCarten, der für sein Drehbuch zu "Die Entdeckung der Unendlichkeit" im Jahr 2015 für einen Oscar für das beste Drehbuch nominiert worden war. Für die Filmmusik zeichnete Dario Marianelli verantwortlich, der bereits früher bei mindestens drei Filmen mit Joe Wrights zusammen gearbeitet hat und der zuletzt auch die Musik für "Paddington 2" komponiert hat.

Gary Oldman liefert als Winston Churchill eine faszinierende Darstellung für die er zu Recht einen Golden Globe als bester Darsteller erhalten hat. Oldman ist unter der Maske kaum zu erkennen. Er verkörpert den patriotischen Politiker voller schrulliger Manierismen, hintersinnigem Humor und seltsamer Details, aber er zeigt ihn auch mit einem unfehlbaren Instinkt für Politik und als menschenverachtenden Machtmenschen.

Neben Gary Oldman kann vor allem Ben Mendelsohn als leicht stotternder König George VI. gefallen. Nachdem er zuerst Halifax favorisiert hat, zeigt er deutlich, wie sich langsam das Misstrauen des Königs und seine leicht herablassende Haltung in ein beinahe freundliches Miteinander verwandelt.

Aber auch die weiteren Darsteller wie Ronald Pickup als Ex-Premierminister Neville Chamberlain, Stephen Dillane als Churchills Gegenspieler Lord Halifax oder Samuel West als Anthony Eden können gefallen. Die beiden weiblichen Stars haben es da schon schwerer. Kristin Scott Thomas spielt Churchills Frau Clementine als jemand, die ihrem Gatten immer den Rücken stärkt und ihn bedingungslos unterstützt, während Lily James als seine Sekretärin Elizabeth Layton vor allem die interessierte Zuschauerin gibt. Elizabeth Layton (verheiratete Nel) war von 1940 bis 1945 seine persönliche Sekretärin. Als sie 2007 mit 90 Jahren starb, war sie die letzte überlebende Privatsekretärin Churchills aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges.

"Die dunkelste Stunde" ist neben der grandiosen Leistung von Gary Oldman aber vor allem ein spannender innenpolitischer Thriller über die Machtkämpfe im britischen Kabinett kurz vor dem endgültigen Eintritt Englands in den 2. Weltkrieg. Der Film ist spannend inszeniert, obwohl sich das Geschehen hauptsächlich hinter den Kulissen der Macht abspielt, nämlich im Parlament, im Bunker des Kriegskabinetts oder in privaten Besprechungen. Es gibt nur wenige Szenen außerhalb, dazu gehört eine U-Bahn Sequenz, die Churchill zeigt, was des "normale" Volk über den Umgang mit Nazi-Deutschland denkt. Diese Szenen sind dann aber doch etwas zu emotional geraten.

Insgesamt ist "Die dunkelste Stunde" ein spannend gemachter historischer Politthriller, der vor allem von den tollen schauspielerischen Leistungen lebt. Er erhielt von der Deutschen Film- und Medienbewertung (FBW) das Prädikat "besonders wertvoll". Allerdings wird man den Verdacht nicht los, dass der Film gerade in der heutigen Zeit doch wie ein Durchhaltefilm für die Briten in den Zeiten von Brexit wirkt. Dies ist aber keine Abwertung denn "Die dunkelste Stunde" ist auf jeden Fall unbedingt sehenswert.

Foto 1: Plakat © Universal Pictures International Germany GmbH
Foto 2: Lily James als Elizabeth Layton und Gary Oldman als Winston Churchill © Universal Pictures International Germany GmbH

Info:
Die dunkelste Stunde (Großbritannien 2017)
Originaltitel: Darkest Hour
Genre: Biografie, Historienfilm, Drama
Filmlänge:114 Min.
Regie: Joe Wright
Drehbuch: Anthony McCarten
Darsteller: Gary Oldman, Lily James, Kristin Scott Thomas, Ben Mendelsohn, Ronald Pickup, Stephen Dillane, Samuel West u.a.
Verleih: Universal Pictures International Germany GmbH
FSK: ab 6 Jahren
Kinostart: 18.01.2018