Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 18. Januar 2018, Teil 4
Kirsten Liese
Berlin (Weltexpresso) – Mit Annebärbel geht es nicht mehr so weiter. Wie unleidlich ist sie im Alter von 58 Jahren doch geworden. Gleichermaßen schroff begegnet die Ärztin ihren Patienten und Mitmenschen, nur bei der herrischen Mutter wird sie immer noch zum unsicheren Mädchen. Und dann trennt sich kurz vor Weihnachten noch der Ehemann von ihr.
Fühlte sie sich schon vorher allein, ist sie jetzt die Einsamkeit in Person. Aber als sich die verhärmte Frau nach einem Noteinsatz in einem Berliner Eislaufstadion wiederfindet und älteren Semestern dabei zusieht, wie sie fröhlich mit einem Weihnachtsmann ihre Runden drehen, macht es Klick: Warum sollte sie sich nicht ihren Jugendtraum erfüllen und noch mal mit dem Schlittschuhlaufen von vorne anfangen?
Als Mädchen wollte sie Eisprinzessin werden, doch das verhinderte die strenge Mama, weil sie angeblich nicht das Zeug dazu hatte. Eine Profikarriere kommt zwar jetzt nicht mehr infrage, aber ein Freizeitclub von skurrilen, liebenswerten Rentnern, dem sich die Hobbyläuferin anschließt, erweist sich als eine gute Option.
Die Geschichte einer Frau, die sich erst spät von ihrer Mutter löst und ihren eigenen Weg gehen kann, ist jedoch nicht das Besondere an diesem Erstlingswerk. Vielmehr besticht es als eine zärtliche Liebeserklärung an das Eislaufen.
Die schönsten Einstellungen entstehen folglich in der Halle, in der sich die Heldin mit großem Ehrgeiz selbst das Laufen beibringt und jungen Leistungssportlern dabei zuschaut, wie sie sich in Pirouetten um die eigene Achse drehen oder durch die Luft wirbeln. Und dann trifft Annebärbel auch noch ihr Idol aus Kindheitstagen: Christine Errath, die DDR-Weltmeisterin von 1974, sie ist heute 60 Jahre alt. Im Film spielt die Berliner Eiskunstlauflegende ihre Schlüsselfigur selbst und präsentiert sich vor der Kamera noch einmal mit einer eigens für diesen Anlass choreographierten, zauberhaften Kür.
Alexandra Sell begnügt sich gleichwohl keineswegs damit, nur Anmut, Schönheit und Eleganz einer Sportart zu zeigen, die wegen elender körperlicher Schinderei in keinem allzu guten Ruf steht.
Vielmehr zeigt die Regisseurin die Glitzerwelt auf dem Eis in einer Differenziertheit, wie es sie im Kino noch nicht gegeben hat. Dazu gehören freilich auch harte Trainingsstunden, Erfolgsdruck, Stürze und Niederlagen.
Welch ein Vergnügen beschert dagegen ein Schaulaufen der Amateure! Annebärbel schwebt bei ihrem großen Auftritt sogar auf einem Bein durch die Arena. Und sieht so glücklich aus wie noch nie.
Foto:
© Verleih
Info:
D 2017
R: Alexandra Sell. D: Ulrike Krumbiegel, Annekathrin Bürger, Christine Errath-Stüber, Rainer Bock u.a.
98 Min. Start: 18. Januar 2018, Verleih: Farbfilm