berl18 12romyDer Wettbewerb der 68. Berlinale vom 15. bis 25. Februar, Film 12

Claudia Schulmerich

Berlin (Weltexpresso) – Was der Leser nicht weiß, wenn er eine Filmkritik liest, ist, in welchem Umfeld ein Film gesehen wurde, und wenn es um ein Filmfestival geht, wo täglich mindestens drei Pressevorführungen im Wettbewerb stattfinden, welcher Film zuvor zu sehen war und welcher ihm folgte.

Wir versuchen das durch die Nummerierung in der Abfolge zumindest deutlich zu machen. Aber dann weiß der Leser immer noch nicht, welche Filme an einem Tag aufeinander folgten. Der Montag ist der Tag der Filme, wo sich die Privatperson gut überlegt hätte, ob er diese Filme sehen wollte. Das fing mit UTOYA 22. Juli an und wird nachher mit 7 TAGE IN ENTEBBE politisch weitergehen. Eine Auseinandersetzung mit der jüngsten Geschichte also.

Dazwischen also liegt diese Elegie auf Romy Schneider, die sich in den tiefsten Abgründen ihrer eigenen Existenz ausgerechnet einem STERN- Reporter öffnet. Muß man heute zu Romy Schneider (1938-1982) noch etwas Erklärendes schreiben? Sie war in der Nachkriegszeit die erste deutschsprachige Schauspielerin, die es erst durch ihre Sissi-Filme und dann durch ihren Ausbruch nach Frankreich an der Seite des Beaus und begabten Schauspielers Alain Delon als internationaler Filmstar reüssierte. Dabei war ihre Gebrochenheit, die Sicherheit als Schauspielerin und die Unsicherheit als Frau, nein als Mensch das besonders Berührende an ihr.

Welch ungeheuere Bürde für eine Schauspielerin, in einem Spielfilm Romy Schneider nachzuahmen, nachzuspielen. Marie Bäumer meistert das grandios. Später in der Pressekonferenz sagt sie, sie wollte eigentlich nie mehr Romy Schneider verkörpern. Ja, da ist eine Ähnlichkeit vorhanden, aber es sind zwei sehr unterschiedliche Frauen und auch verschiedenartige Schauspielerinnen. Doch ihr französischer Produzent legte ihr das nahe, mit der Regisseurin Emily Atef über die letzten Tage als ‚Opfer ihrer selbst‘ diesen Film zu drehen. Übrigens mit einer bombastische Besetzung, die auch alle in Berlin hier anwesend sind: das Quartett Marie Bäumer als Romy Schneider, Birgit Minichmayr als Freundin Hilde, Charly Hübner als Fotograf Robert Lebeck, Robert Gwisdek als Reporter Michael Jürgs.

Es beginnt mit dem Ankommen von Hilde Fritsch in diesem Sanatorium in Quiberon / Bretagne, wo Romy Schneider entgiftet werden soll, was sich nicht nur auf Alkohol bezieht, auch auf Tabletten und Zigaretten überhaupt einem ungesunden Leben. Ja, sie sieht schlecht aus, kann auch nicht richtig schlafen, denn die Sorgen plagen Romy Schneider, der ihr 12jähriger Sohn gerade eröffnet hatte, daß er nicht mehr mit ihr leben wolle. Eigentlich will sie diese Regeneration seinetwegen durchziehen, damit er sieht, daß sie das schafft, was er ihr nicht zutraut.

Wir erleben einen instabilen Menschen, der warmherzig anderen entgegentreten kann, aber auch schroff und verletzend und vor allem ein Wesen, das zu deutlich ausdrückt, daß es geliebt werden will. Das geht meistens schief. Gut, auf Freundin Hilde kann sie sich verlassen und auch für den Leibfotografen Robert Lebeck, dessen Bewunderung und Hingabe Charly Hübner absolut rüberbringt.

Anders sieht es aus mit dem Reporter des STERN, dem sie das Interview versprochen hatte. Ja, man bekommt einen Haß auf den Kollegen, der – als guter Journalist – jede Kleinigkeit aufgreift, nachfragt, nachbohrt, bei der er glaubt, eine Geschichte über Romy Schneider machen zu können, eine üble natürlich. Doch, auch Robert Gwisdek macht das vorzüglich, weil er gar nicht übertreibt, was möglich gewesen wäre, sondern einfach an den entscheidenden Stellen agiert. Ja, er ist skrupellos und journalistisch erfolgreich.

Sie beginnt das ungewöhnliche Interview: „Ich bin eine unglückliche Frau von 42 Jahren und ich heiße Romy Schneider.“ Hilde dagegen hatte ihr geraten, nicht immer von der Presse als Opfer benutzt zu werden, sondern ihrerseits die Presse für sich zu nutzen, welches Bild von sich sie haben wolle. Aber: Romy Schneider wollte die Wahrheit, weil sie hoffte, daß eine ehrliche Aussage ihrerseits die Probleme ihrer öffentlichen Darstellung beseitigen könnten und das wahre Romybild gelte.

Emily Atef wollte keine gebrochene Frau zeigen, sagt sie in der anschließenden Pressekonferenz. Das Erstaunliche sind die Fotos. Davon gibt es längst einen Bildband. Aber, als sie selbst von der Witwe von Lebeck die über 500 Fotografien gezeigt bekam, die Robert, ein tiefer Verehrer der Schauspielerin und auch ein guter Freund, in Quiberon geknipst hatte, war ihr Entschluss, diese Bilder in einem Film in eine geschauspielerte Wirklichkeit zu transformieren, gefaßt.

Sie hat wirklich den Fotos nach das Drehbuch geschrieben, wobei ja weiter Teile einfach durch die Tonaufnahmen von Jürgs dokumentiert sind und das Interview im Stern, das daraufhin entstand und eine heruntergekommene Romy und eine haltlose Frau vorführte.

Foto:
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